Kaum haben sich die dunklen Wolken verzogen, da donnert es schon wieder. Diesmal ist jedoch nicht Petrus schuld, sondern ein Schimmel, der in vollem Galopp über eine Brücke brettert. Sein Reiter grinst, denn er weiß, dass er sie eigentlich im Schritt überqueren sollte. Doch beim Trail-Training für das "Working Equitation"-Turnier in Hasselfelde/Harz zeigt Roland Heiß allen, was sein Pferd so drauf hat.
Working Equitation ist eine Wettkampfdisziplin für traditionelle Arbeitsreitweisen, ersonnen am Mittelmeer. In den 90er Jahren taten sich dort reitende Rinderhirten und Freunde ihrer Traditionen zusammen. Sie stammten aus Portugal, Spanien, der französischen Camargue und der italienischen Maremma und entwarfen unter Führung der Portugiesen ein Turnier-Reglement.
Ursprung der Working Equitation

Inzwischen hat das Arbeits-Fieber auch Pferdefreunde abseits des Mittelmeers gepackt. Bei internationalen Turnieren sind Reiter aus Mexiko, Brasilien, Belgien, Großbritannien, Schweden, Österreich und – neuerdings – Deutschland am Start.





Einer der Working-Equitation-Pioniere hierzulande ist Rolf Janzen. Der ehemalige Westernreiter und Doma- Vaquera-Spezialist aus Odelzhausen bei München organisierte mit Stefan Baumgartner, Geschäftsführer des Hauptsponsors Bentaiga, das Harzer Working-Equitation-Turnier.
Die Veranstaltung im September ist nach der Premiere im Juli die zweite auf deutschem Boden und gleichzeitig Qualifikation für die EM in Sardinien im Oktober.
Der Rindertrieb

CAVALLO bekommt am Vortag der Wettkämpfe im Harz eine kleine Extravorstellung. Janzen, Baumgartner und Roland Heiß, Feuerreiter bei der Pferdeshow "Apassionata", zeigen hier Trail-Elemente souverän und mit viel Spaß. Dass die Pferde vorbildlich locker bleiben, ist Teil der Working- Equitation-Philosophie: "Kein solide gerittenes Pferd sollte mit den Trail-Hindernissen Probleme haben", sagt Janzen.





Für seinen 11jährigen Ravisso gilt das offensichtlich. Der in der Doma Vaquera ausgebildete Tres- Sangre-Wallach (Anglo-Araber mal Lusitano) gleitet gleichmäßig seitwärts und rückwärts über das Stangen-L, ohne je eine Stange mit den Hufen zu berühren oder darauf zu treten. Durch das Tor flutscht er so geschmeidig, dass daneben nicht mal ein Huhn durchpassen würde, geschweige denn eine Kuh. Auf kaum sichtbare Hilfen setzt er jeden Huf millimetergenau, zirkelt die Kruppe exakt am Pfosten vorbei und galoppiert im nächsten Moment rasant los.
Auch Baumgartners erst vierjähriger Murgese Uccio und Roland Heiß’ show-erfahrener Lusitano Odin meistern ihren Job souverän, obwohl sie dafür nicht besonders trainiert haben. Die blanken Kandaren nutzen die Reiter so fein, wie es sein soll.
Solide Grundausbildung gefragt

All das ist nicht ganz so leicht, wie es bei den Könnern aussieht – dies zeigt die Übungseinheit der Einsteiger am Nachmittag. Passgenau rückwärts oder über eine leuchtend weiße Holzbrücke zu reiten, ist auch für dressurerfahrene Pferde eine Herausforderung.





Doch der Trail-Parcours auf Stil und Zeit ist nur die halbe Arbeit. Daneben muss jeder Reiter eine iberisch geprägte Dressur zeigen und ein Rind von der Herde trennen.
Dafür brauchen die Pferde allerdings keinen "Cow sense", wie ihn sich Westernreiter bei Cutting-Pferden wünschen. "Sie müssen nur sicher an den Hilfen stehen, schnell reagieren und ihrem Reiter vertrauen", sagt Janzen.
Während im Speed-Trail nur das Tempo entscheidet, geht es in allen anderen Disziplinen um Harmonie und Rhythmus. Bei gleichmäßigem Tempo gibt es gute Noten; Taktverluste in der Dressur oder Stockungen im Trail kosten Punkte.
Das Training

Selbst am Rind zählt der Stil. "Wer zu viel Druck macht und die Rinder verängstigt, wird abgeläutet", sagt Janzen. Das hat einen guten Grund. "Wenn Hirten Rinder separieren, etwa zum Impfen, dürfen sie die anderen nicht erschrecken", erklärt Stefan Baumgartner. "Sie wollen ja später noch andere Tiere absondern, was schwierig ist, wenn Panik herrscht."





Wie es ohne Stress geht, demonstriert er mit anderen Turnierteilnehmern, die sich und ihre Pferde auf die kommenden Tage vorbereiten. Obwohl zeitweise bis zu sechs Reiter in der Halle sind, bewegt sich selten mehr als ein Rind schneller fort. Abgesehen von kurzen Sprints wird Schritt geritten und ohne Hektik getrieben.
Reiten in Landestracht

Dass die sanften Reiter trotzdem aussehen wie harte Kerle, liegt an ihrem Aufzug. "Bei der Working Equitation wird der traditionelle Kleiderstil der Länder gepflegt", sagt Baumgartner. "Die deutsche Reittradition ist militärisch geprägt, aber Uniformen wären beim Turnier deplatziert. Wir mussten uns etwas einfallen lassen."





In Fotoarchiven und historischen Büchern suchten Baumgartner und Janzen nach zivilen Alternativen und fanden den bürgerlichen Gehrock des späten 19. Jahrhunderts, der mit Hemd, Weste, Krawatte, Jodhpurhosen und schwarzem Filzhut beim deutschen Auftritt in Sardinien die Anwesenden beeindruckte. "Wir wurden oft auf unsere schönen Anzüge angesprochen", freut sich Janzen.
Auch die Pferdeausrüstung spiegelt die Tradition. Der eigens entworfene Zaum basiert auf einem etwa 100 Jahre alten Offiziers-Prunkzaum. Nur mit original Militärsätteln konnten sich die Reiter nicht anfreunden, weshalb Baumgartners Firma Bentaiga daran angelehnte, schlichte Sättel baute.
Regeln der Working Equitation

Dressur: Lektionen in Schritt und Galopp, einhändig auf blanker Kandare rhythmisch und korrekt zu reiten. Höchstanforderungen: Pirouetten, Traversalen und fliegende Galoppwechsel. Einsteiger dürfen beidhändig (Trense) und Trabreprisen reiten.
Trail: 10 bis 15 Hindernisse inklusive eines Sprungs müssen flüssig und harmonisch überwunden werden. Zwischen den Hindernissen wird galoppiert.





Speed-Trail: Parcours ähnlich wie Trail, Wertung auf Zeit und auf Abwürfe, sprich: wenn Stangen respektive Hindernisteile herunter- oder umfallen.
Rinder: Ein Tier muss in drei Minuten aus der Herde ausgesondert und über eine Linie getrieben werden. Bei zu viel Druck oder Zeitüberschreitungen wird abgeläutet, falsche Rinder im Ziel bringen Zeitstrafpunkte.
Kontakt zu Working Equitation Reitern:
Manolo Oliva, Kontakt über Uschi Klarer, Tel. (0179) 2418244,
E-Mail: uschi@manolo-oliva.de,
www.manolo-oliva.de
Rolf Janzen, Tel. (0172) 7134173,
E-Mail: rolf.janzen@clap.de,
www.rolf-janzen.de
Gernot Weber, Tel. (09229) 973582,
E-Mail: info@zentbacherhof.de,
www.zentbacherhof.de und
www.working-equitation-zentrum.de
Thomas Türmer & Sonja Wagenblast
www.working-equitation-team.de
Lust auf mehr?

Erleben Sie eine Working Equitation auf der Pferdemesse EQUITANA – vom 14. bis 22. März 2009, Messegelände Essen. Tickets und Info: www.equitana.de, Tel. (0180) 53 52 534