Als das CAVALLO-Pferdetest-Team im Frühjahr 2013 ausrückte, um das Verkaufspferd Perfect Boy zu beurteilen, war es auf alles gefasst. Denn die Vita des damals fünfjährigen Wallachs ließ nichts Gutes hoffen: Herkunft Polen, Ausbildung unbekannt, gekauft als Hungerhaken auf einem Pferdemarkt, eingesetzt im Schulbetrieb.
Doch als der Braune dann den Kopf aus der Box streckte, war es um die Tester geschehen. Der rundliche Wallach heimste mit seinem freundlichen Gesicht gleich einen dicken Sympathiebonus ein.
Sechs Jahre später wollen wir dem Charmeur noch einmal in die schwarzen Kulleraugen schauen. Er wohnt inzwischen in der Nähe von Karlsruhe. Da fahren wir hin, sehr gespannt, wie es ihm nun geht.
Der Wallach teilt sein Zuhause mit 100 anderen Pferden
Wir fragen nach Perfect Boy und seiner Besitzerin. Auf den Zuruf „Ganz hinten durch!“ laufen wir die größtenteils leeren Boxen entlang; die meisten Pferde sind draußen auf den Winterkoppeln. Aber wo sind die Kulleraugen? Am Ende des Hofs drehen wir wieder um. Vorbeigelaufen! Bei einem Stall mit über 100 Pferden kann das ja schon mal passieren. Wir finden Perfect Boy in einer Paddockbox. Ja, dieser Blick kommt uns bekannt vor.
Seine Besitzerin Lisa Herold hat den Braunen schon für unseren Besuch schick gemacht und auf Hochglanz geputzt. Sie kaufte Perfect Boy, kurz bevor unser Bericht über den Pferdetest in CAVALLO 3/2013 erschien. Nach nur einem Proberitt. Ging es ihr etwa damals genauso wie uns? „Ja“, bestätigt sie, „er war so nett und anständig, dass für mich sofort klar war: Den muss ich mitnehmen.“ Auf dem Boxenschild steht aber nicht Perfect Boy, sondern ein anderer Name: Pepino.
Herold klärt uns auf: „Ich habe ihn einfach umgetauft, weil es leichter auszusprechen war.“ Ein Freund erzählte ihr später, was der Name auf Spanisch heißt: Gurke. „Das klingt zwar nicht so nett, passt aber prima“, sagt sie lachend. „Er war anfangs wirklich eine lahme Gurke.“
Damals und heute – der Vergleich
Die Pferdetesterin musste ackern, um Perfect Boy in Gang zu halten. Dressurausbilderin Sabine Ellinger probierte Pepino 2013 unter dem Sattel aus, als er noch als Perfect Boy zum Verkauf stand. Sie fühlte sich absolut sicher. Doch hörte sie auf zu treiben, fiel der Wallach prompt in den Schritt zurück – sogar aus dem Galopp heraus. Unser Urteil damals: ein sympathisches, menschenfreundliches Pferd für Einsteiger und ängstliche Reiter.
Und das ist Pepino geblieben. Bei seiner neuen Besitzerin zog er schon einen Tag nach dem Proberitt ein. Probleme? Pustekuchen. „Damals war er noch viel gemütlicher als heute“, verrät Lisa Herold. Trotzdem rutschte ihr das Herz in die Hose, als sie mit Pepino kurz nach seinem Einzug während eines Ausritts auf einer Verkehrsinsel stand und ein Krankenwagen mit Sirene und Blaulicht auf sie zuraste. „Aber er zuckte noch nicht mal mit dem Ohr“, erinnert sie sich.
Von da an gab es keinen Zweifel mehr, dass Pepino für wirklich jeden Spaß zu haben ist. Seine neue Besitzerin probierte alles aus: von Wanderritten und Ausflügen zu einer Geländestrecke über Schwimmen im See bis hin zu Turnierstarts. Zum normalen Programm gehören Ausritte, Spaziergänge, Dressurunterricht – und sogar Springen. Mit seiner Reitbeteiligung nimmt er einen A-Parcours mit Bravour und hat großen Spaß dabei. „Das hätte niemand von ihm gedacht“, sagt Lisa Herold stolz.
Bei einer Dressurstunde auf dem Platz, die wir während unseres Besuchs beobachten dürfen, ist der Braune zwar alles andere als spritzig, bemüht sich aber sehr. Lisa Herolds Reitlehrerin Gianina Koch steigt selbst gerne mal in Pepinos Sattel: „Er ist unheimlich brav. Und wenn er einmal angeschmissen ist, läuft er auch“, lobt sie ihn.
Das Schlurfen ist verschwunden, der kurze Schweif geblieben.
Die Abwechslung tut Pepino wohl gut. Er ist nicht mehr so faul und schlurft nicht mehr, findet seine Besitzerin. Beim Test stellten wir damals Schleifspuren an den Hinterhufen fest – die sind verschwunden. Geblieben ist jedoch der gerupfte Schweif. Damals hatten angeblich polnische Ratten dran geknabbert, nun hat wohl ein Weidekumpel den Job übernommen. Sei’s drum, Pepino ist auch ohne langes Haar ein hübscher Kerl.
Nach der Reitstunde geht’s noch eine Runde ins Gelände. CAVALLO-Fotografin Lisa Rädlein wünscht sich einen Galopp auf dem Feldweg. Nichts leichter als das! Pepino galoppiert brav an und lässt sich ohne Probleme wieder anhalten. Noch mal? Klar, gerne. Aber zu einem fröhlichen Galopp auf der Koppel lässt er sich nur schwer überreden. Da wächst halt Gras. „Für Futter macht Pepino alles“, verrät Lisa Herold.
Bevor wir Pepino und seine Besitzerin wieder verlassen, möchten wir nur noch eines von Lisa Herold wissen: Ist sie glücklich mit ihrem Pferd? „Ich habe bisher keine Sekunde bereut, dass ich ihn gekauft habe“, antwortet sie strahlend.
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