Herzhaft gähnt der gesprenkelte Hengst – ein taffer Typ mit breiter Brust, straffem Po und freundlichen Augen. Santee Prestige heißt der im Jahr 2008 geborene Amerikaner. Seine Besitzerin und POA-Züchterin Alexandra Scheffler bereitet ihren Schützling gerade für den Auftritt im CAVALLO-Ring auf der weltgrößten Pferdemesse, der Equitana 2015, vor. In Essen wird sie das Pony of the Americas, kurz POA, präsentieren. Eine Plastikplane soll die Nerven des Hengstes stählen. Der nimmt die ihm bereits bekannte Gelassenheitsübung mit dem knisternden Ding entspannt.
Alexandra Scheffler dagegen hat ein wenig Lampenfieber, wenn sie an den ersten großen Auftritt mit Prestige denkt. Die Betreiberin einer Westernreitschule (www.gutboesenburg.de) wird den 1,40 Meter kleinen Deckhengst gemeinsam mit Freundin und CAVALLO-Coach Dr. Vivian Gabor aus Greene/Niedersachsen vorstellen. Die Biologin, promovierte Pferdewissenschaftlerin und Trainerin B Westernreiten wird den Auftritt der beiden übers Mikro kommentieren. Ihr wissenschaftliches Spezialgebiet ist das Lernverhalten von Pferden. Sind die Ponys aus Amerika besonders clever?















Menschenbezoge Ponys
„POAS sind ruhig und menschenbezogen“, sagt Vivian Gabor. „Man kann mit ihnen prima die Balance zwischen Vertrauen und Respekt erarbeiten – eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Lernklima.“ Das macht neugierig auf den Testritt. Ich, CAVALLO-Redakteurin Regina Kühr, reite den zehnjährigen Jolly aus der Zucht von Alexandra Scheffler. Der ist mit 1,48 Metern Stockmaß eine Nummer zu groß, weshalb er selbst auch nicht für Nachwuchs sorgen durfte. Zur POA-Zucht zugelassen sind nur Tiere zwischen 117 und 142,5 Zentimetern Stockmaß. Doch im Schulbetrieb auf Gut Bösenburg bewährt sich der vielseitige Wallach genauso wie die kleineren POAs.
„In der amerikanischen Heimat werden POAs vor allem als nervenstarke Kinderponys sehr geschätzt“, erzählt Alexandra Scheffler. „Weil sie sehr kompakt und muskulös sind, eignen sie sich auch für Erwachsene.“ Optisch erinnern POAs an Quarter Horses. „Doch das POA ist vielseitiger und nicht nur im Westernsport, sondern auch in allen anderen Bereichen der Reiterei einsetzbar. Im Fahrsport oder beim Distanzreiten beispielsweise“, wirbt die Züchterin.
Die Geschichte des POAs startet im Jahr 1954 in den USA – durch einen Zufall. Nämlich als sich ein Shetty-Hengst in eine Appaloosa-Stute verguckt. Das Ergebnis ist der kleine Hengst „Black Hand“. Er hat die Fellzeichnung eines Appaloosas, das Gebäude eines Quarter Horse und einen edlen kleinen Kopf. Und so sollen die amerikanischen Ponys auch heute noch aussehen. Insbesondere die Appaloosa-typischen gestreiften Hufe sowie gesprenkelte Haut an Augen, Nüstern und Maul sind Rassemerkmale.















Für Einsteiger
Flache Bewegungen erleichtern Anfängern den Einstieg in den Reitsport. Ängstliche Reiter fühlen sich auf den geduldigen, ruhigen Ponys of the Americas pudelwohl. „Parallel ist das POA ein selbstbewusstes und äußerst intelligentes Kleinpferd mit viel Persönlichkeit“, sagt Alexandra Scheffler.
Persönlich wird es auch mit dem zehnjährigen Jolly. Nach einigen Aufwärmrunden in Schritt und Trab soll ich ihn über ein paar Trailhindernisse steuern. Die Holzbrücke auf dem Reitplatz bewältigt Jolly im Schlaf, so dass ich beim zweiten Mal das Lenken vergesse. Jolly nutzt mein Drömmeln sofort, wendet scharf nach links und parkt neben Alexan dra Scheffler, von der er sich ein Leckerli erhofft. Vergebens. „Auch ein liebes Pferd muss stets an den Hilfen bleiben“, tadelt die Trainerin B Westernreiten zurecht. Wir traben über Stangen, steuern vorwärts und rückwärts durch ein Stangen-L.
Dann geht es ins Gelände: Von einem schmalen Trailpfad über drei Stufen auf eine Brücke, einen Hang herunter und über einen Baumstamm. Sicher nimmt mich Jolly mit, fordert jedoch klare Hilfen. Denn sonst bleibt er stehen und versucht am letzten grünen Gras des Jahres zu naschen. „Es sind eben doch Ponys“, sagt Alexandra Scheffler.
Die Krönung ist ein Holztor, das ich vom Sattel aus öffnen und schließen lerne. Dazu muss ich Jolly nicht nur einhändig dicht an das Hindernis heran- und hindurchreiten. Damit wir in der richtigen Position bleiben, schicke ich ihn einhändig vorwärts und rückwärts sowie in Hinter- und Vorhandwendungen. Das ist gar nicht so einfach, doch Jolly hat eine Lösung.
















Kluge Ponys
Natürlich müssen die cleveren POAs Neues ebenso Schritt für Schritt lernen wie jedes andere Pferd. Für Prestige steht heute das Kompliment auf dem Plan. Mit ein paar Lektionen aus dem Horsemanship prüft Alexandra Scheffler, wie der Sechsjährige heute gelaunt und ob er aufmerksam ist.
Mit einem Bodenarbeits-Stick streicht sie den Deckhengst am ganzen Körper ab. Auf feine Signale mittels Körpersprache weicht Prestige mit Vor- und Hinterhand. „Fürs Kompliment muss der Grundgehorsam sitzen“, sagt die Ausbilderin. „Das Pferd darf sich einerseits nicht respektlos an mich lehnen, andererseits muss es mir vertrauen, wenn es vorne runter geht.“
Santee Prestige ist prima gelaunt. Obwohl er das Kompliment erst seit wenigen Tagen übt, hat er die Signale bereits gespeichert und knickst willig neben seiner Besitzerin zu Boden. Unten angekommen legt er sich plötzlich ab und bleibt gelassen neben Alexandra Scheffler liegen. „Das hat er noch nie gemacht, wäre in unserem Programm allerdings auch der nächste Schritt“, freut sie sich. Na dann kann’s ja weitergehen.















