Pferdestall im Test - Westernreitzentrum Greene
Westernreitzentrum Greene

Der Aktivstall von Dr. Vivian Gabor steht auf einem starken Wissens-Fundament und lädt Pferde und Reiter zum Lernen ein.

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Foto: Alena Brandt

Pferde können zählen. Das bewies Dr. Vivian Gabor in ihrer Doktorarbeit, über die CAVALLO in Ausgabe 10/2013 berichtete. Während sie über die Intelligenz von Pferden schrieb, baute sie einen alten Hof zur modernen Reitanlage um. Was für die Pferdewissenschaftlerin bei der Haltung zählt und wie sie ihr Wissen aus Forschung und Studium praktisch umsetzt, zeigt sie bei einer Runde durch ihren Aktivstall in Greene/Niedersachsen.

Staubige Wissenschaft? Von wegen. Was für andere Forscher die Bibliothek, ist für Dr. Vivian Gabor ihr Bewegungsstall mit 13 Pferden. „Hier lässt sich wunderbar das Verhalten der Pferde beobachten“, sagt die Biologin und Westerntrainerin. Dabei gibt’s so manche Überraschung. „Ein echtes Highlight für die Pferde ist anscheinend unser Wall.“

Unsere Highlights

Die Erdanhäufung ist etwa eineinhalb Meter hoch und 50 Meter lang. Ursprünglich sollten die Erdreste der Bauarbeiten als natürliche Grenze für den Bewegungsstall dienen. Dann entschied sich die Stall-Chefin jedoch, einen Gang für die Pferde darum zu bauen und die Stallfläche zu vergrößern. Der Gang führt nun einmal um den Wall herum. „Wenn die Pferde ihre fünf Minuten haben, drehen sie dort wilde Kreise.“ Was sie nicht gedacht hat: Die Pferde ruhen sich am Wall auch am liebsten aus und dösen dort. Das fand eine Studentin heraus, als sie für ihre Bachelorarbeit bei Dr. Vivian Gabor die Raumnutzung von Pferden erforschte. „Sie fühlen sich am Wall anscheinend sicher und ziehen sich gerne dorthin zurück, wenn sie Ruhe von der Herde brauchen“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Einsteller werden zu Pferdeforschern und beobachten stundenlang das Herdenverhalten

Ihr Entdeckungsgeist ist ansteckend. Der Wille zu lernen ebenso. Pferdebesitzern vermittelt Dr. Vivian Gabor „Horseability“ – die Fähigkeit des richtigen Umgangs mit dem Pferd. „Wer weiß, wie sein Pferd tickt, kommt weniger schnell in Gefahrensituationen.“ Ihr Ziel: Wissenschaft mit Praxis verknüpfen. Damit steckt sie nicht nur ihre Studenten an, auch die Einsteller werden plötzlich zu Pferdeforschern. „Manchmal sitzen die Besitzer im Sommer stundenlang am Stall und beobachten, mit welchem Pferd sich ihr eigenes am besten versteht, wie die Tiere die Rangordnung klären und wo sie sich gerne aufhalten.“

Das führt zu so manchem Aha-Erlebnis. Und sei es nur die simple Einsicht, dass der eigene Liebling nicht immer der Liebste ist und auch mal Streit anfängt. Solche Einsichten wiederum beugen Zoff mit anderen Einstellern vor. Aus kleinen Biss-Spuren von Rangeleien werden so keine großen Geschichten. „Die Leute sehen, wie Pferde Konflikte klären. Das hilft ihnen außerdem, bei der Bodenarbeit souveräner als Leitfigur aufzutreten“, erklärt die Pferdetrainerin. Viel Streit gibt es in der Pferde-WG allerdings nicht. Die Tiere knabbern rund um die Uhr Heu- und Heulage. Futterneid kommt so gar nicht erst auf.

Auch beim Rundgang mit CAVALLO geht es friedlich zu. Ein paar Pferde dösen im überdachten Liegebereich mit Stroh, die anderen mampfen Raufutter. Ab und an piept es. Dann hat ein Pferd gerade die Fress-Station verlassen. Die spuckt stündlich passgenau für jedes Pferd eine kleine Portion Kraftfutter aus. Dafür tragen die Pferde ein Band um den Hals mit einem Chip. Spielen die Pferde viel, ist der Chip in die Mähne eingeflochten. „Das minimiert das Verletzungsrisiko,“ erklärt die Stall-Chefin. Damit die Pferde immer schön in Bewegung bleiben, liegen vor der Futterstation große Baumstämme. Da müssen sie erstmal drumherum, bevor es Fressen gibt. Ein mit Baumstämmen eingefasster Bereich mit mehr Sand lädt zum Wälzen ein. „Die Pferde mögen den Rahmen und nutzen den Platz als eine Art Box, um sich zurückzuziehen.“

Westernreitzentrum und Bewegungsstall Greene

Apropos Box – gibt es die eigentlich auch auf der Anlage? „Ja, denn es gibt tatsächlich Pferde, die sich in der Gruppe nicht so wohlfühlen“, sagt Dr. Vivian Gabor. Einen Friesen hat sie nach fünf Wochen Probezeit aus dem Bewegungsstall genommen. Jetzt steht er in einer Einzelbox mit Paddock. „Da ist er richtig aufgeblüht. Das ist aber eher die Ausnahme.“ Die Größe der Boxen ist durch variable Trennwände verstellbar. So können ein bis drei Pferde dort wohnen. Gruppe und Box schließen sich also nicht aus.

„Ich übernehme die Verantwortung für die Pferde hier“, sagt Dr. Vivian Gabor. Dazu gehören manchmal auch unangenehme Entscheidungen. Einmal musste sie einem Pferdebesitzer kündigen. Sein Wallach versuchte die Stuten zu decken. „Die Gesundheit der Herde geht vor“, sagt sie. Leicht hingegen fiel der Entschluss, zwei der zählenden Ponys aufzunehmen, als die an der Uni keine Aufgabe mehr hatten. Für ihre Pensionspferde ist die Stall-Chefin 24 Stunden da. „Vom Wohnzimmer aus überblicke ich den Bewegungsstall. Höre ich nachts Geräusche, stehe ich auf und sehe nach.“

Die Arbeiten im Aktivtall sind auf Mitarbeiter in Früh- und Spätschicht aufgeteilt. Ein gutes Konzept für den Geldbeutel: Will ein Einsteller seine Stallmiete reduzieren, kann er Stalldienste nach Absprache übernehmen. „Für mich ist es kein Unterschied, ob ich das Geld einem Mitarbeiter oder Einsteller zahle“, sagt die Betriebsleiterin. Sie selbst verbringt die meiste Zeit auf dem Pferderücken. Ihre Berittpferde bildet sie allein im Roundpen aus. „Da muss keiner festhalten. Ich steige erst auf, wenn mir das Pferd am lockeren Zügel vertraut.“

Neuen Pferden im Bewegungsstall bringt sie mit viel Gefühl bei, den Futterautomaten zu bedienen. „Dafür lernen sie den Kopf zu senken und wie sie durch die Schleuse marschieren“, sagt sie. Das klappt meist innerhalb einer Woche. Kein Wunder – wer Pferden für seine Doktorarbeit beibringt, Symbole zu unterscheiden, der scheitert auch nicht daran, ihnen einen Futterautomaten schmackhaft zu machen.

Aufgeben kommt der Pferdeexpertin ohnehin nicht in die Tüte. „Die Forschung frustrierte mich oft. Ich wusste ja anfangs nicht, ob die Pferde sich je die Symbole merken würden“, sagt sie. Ihr Durchhaltevermögen zahlte sich aus. Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd zeichnete ihre Forschungsarbeit 2013 mit einem Preis aus. Auch ihr Stall wurde bereits prämiert. Tüftler bleibt eben Tüftler: ob in der Forschung oder im Stall.

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Alena Brandt
Der Bewegungsstall mit Rundlauf um den Erdwall sowie Sandkasten zum Wälzen.

Eckdaten

Westernreitzentrum Greene
37574 Greene
www.horseability.de

Monatspreis inkl. Rau- und Kraftfutter: 330 € (Preise für alle gleich)

Haltung: Pensionsstall, Einzel- und Gruppenboxen mit Paddock, Bewegungsstall

Anlage: Reithalle (48 x 22 m), Roundpen (18 m), 5 Hektar Weidefläche, beheizte Sattel- und Deckenkammer, Aufenthaltsraum

Freie Plätze: Für drei Pferde im Bewegungsstall, Paddokboxen auf Anfrage

Ein Video dazu finden Sie unter: www.cavallo.de/stallscout

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023