Die Geschichte des Hufeisens
So wird ein Schuh draus!

Die alten Griechen und Römer waren in Sachen Hufschutz schon sehr kreativ. Sie bastelten Sandalen und banden Eisen an den Pferdebeinen fest. Eine Reise durch die Geschichte des Hufbeschlags.

So wird ein Schuh draus!
Foto: Lisa Rädlein

Bevor das Pferd uns Menschen kennenlernte, hatte es keine Probleme mit seinen Hufen. Wir hingegen entdeckten vor rund 5000 Jahren, wie praktisch es ist, uns ziehen oder tragen zu lassen, anstatt uns die eigenen Füße wundzulaufen. Mit den Pferden zogen wir schwere Lasten, in den Krieg und in fremde Länder. Tausende von Kilometern. Ein Beispiel: Napoleon und sein arabischer Schimmel Vizir schafften 1812 mehr als 6000 Kilometer – in acht Monaten. Doch ohne harte Sohlen unter seinen Hufen wäre Vizir auf dem damaligen Russlandfeldzug sicherlich auf der Strecke geblieben.

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Zu Napoleons Zeiten gehörte die Schmiede zum Kriegstross selbstverständlich dazu. In der Antike dagegen war das Hufeisen noch nicht erfunden. Zum Leidwesen der damaligen Reiter und Wagenlenker, die sich mit den abgelaufenen Hufsohlen ihrer Tiere herumschlagen mussten. Ein gutes Pferd muss harte Hufe haben, schrieb der griechische Schriftsteller und Pferdekenner Xenophon im 4. Jahrhundert vor Christus. Für Vierbeiner auf weichen Sohlen empfahl er deshalb "Robusthaltung": Gepflasterte Böden in den Ställen sollten die Hufe abhärten. Er verglich die Hufe mit dem Fundament eines Hauses: Wenn der Unterbau nichts taugt, ist auch der schönste Oberbau wertlos.

Doch auch gute Hufe haben ihre Grenzen. Aristoteles berichtete, dass in Kavallerieheeren immer wieder Pferde wegen abgelaufener Hufsohlen ausfielen. Die Griechen überlegten, wie sie die Hufe ihrer Pferde einwickeln und polstern können. Seit dem 5. Jahrhundert vor Christus bis ins 6. Jahrhundert nach Christus flocht man im antiken Griechenland und im römischen Imperium Pferde-Sandalen aus Gräsern, Bast, Ginster oder Binsen, die um die Hufe gebunden wurden.

Anderer Kontinent, ein paar Hundert Jahre früher: Die Ägypter schlugen sich mit den gleichen Problemen herum, hatten aber eine andere Idee. Sie umhüllten die Hufe ihrer Pferde mit Lappen, die sie mit einer Kordel über dem Huf zuschnürten. Auf Reiterdarstellungen am Tempel von Medinet-Habu in Theben aus dem 14. Jahrhundert vor Christus sind Pferde mit einem solchen Hufschutz abgebildet.

Jeder, der sein Pferd schon mal mit einem Hufverband auf den Paddock geschickt hat, ahnt, wie die Griechen, Römer und Ägypter damals geflucht haben müssen. So schnell sich der mühevoll drapierte neuzeitliche Krankenwickel in seine Einzelteile aufzulösen beginnt, werden auch die antiken Hufschutz-Modelle ihre Mindesthaltbarkeitsgrenze erreicht haben. Kein Wunder also, dass der Grieche Apsyrtos sich darüber beschwerte, dass die Befestigung der Sandalen zu Scheuerwunden führte und die Flechtsohle sich schnell abnutzte.

Im 1. Jahrhundert vor Christus werden erstmals Eisensohlen erwähnt. Ob es sich dabei um Flechtsandalen mit einer Eisensohle gehandelt hat oder schon um die volleisernen "Hipposandalen", die bei Ausgrabungen an alten Handelswegen und Siedlungen gefunden wurden, wissen wir nicht. Letztere wurden mühsam am Pferd befestigt: Die Hufe wurden zunächst mit Wickeln geschützt und dann in die Metallschuhe gestellt. Dann wurden Bänder durch die angebrachten Haken gezogen, um die Schuhe an den Fesseln festzubinden. Den Funden nach benutzten Römer und Kelten die Hipposandalen aus Eisen.

Weil die Riemchen-Sandalen der Pferde vermutlich oft verloren oder kaputt gingen, wurden sie wohl weniger zum Reiten, sondern eher für Trag- und Zugtiere verwendet. Sicherlich kamen sie daher nur auf kurzen Strecken und im langsamen Tempo zum Einsatz, wenn die Hufe auf harten, steinigen Böden stark belastet wurden. Schließlich bargen die Schuhe mit den eisernen Haken in höheren Gangarten auch eine gewisse Verletzungsgefahr.

Wenn die alten Griechen und Römer gewusst hätten, dass sie einfach Nägel in die Hufe schlagen können. Hätten sie mal bei den Russen besser hingeschaut. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot (5. Jahrhundert vor Christus) erzählt von Reitervölkern aus der russischen Steppe, die über gefrorene Gewässer ritten. Wie war das möglich? Wahrscheinlich, indem sie mehrere spitze Nägel am Hufrand anbrachten. Diese Vermutung wird durch den Fund eines goldenen Hufbands in einem skythischen Grab in Alexan- dropol untermauert: Das Zierband wurde auf beiden Seiten des Hufs mit neun kurzen Nägeln befestigt.

Die Skythen, ebenfalls ein bekanntes Reitervolk aus der Region nördlich des Schwarzen Meeres, pflegten regen Handel mit den Griechen. Der verstorbene Schweizer Tierarzt Dr. Urs Imhof, der sich intensiv mit historischem Hufschutz beschäftigt hat, glaubte deshalb: Ein skythischer Schmied erfand den ersten Hufbeschlag, indem er die griechische Hufplatte mit Nägeln am Huf befestigte. Dies würde auch erklären, warum die ersten Hufnägel spitzköpfig und die ersten Beschläge Platten unter dem Huf waren. Runde, platte Eisen haben sich übrigens bis heute im Vorderen Orient erhalten und werden daher orientalische Eisen genannt.

Ab dem 9. Jahrhundert häufen sich die Beschreibungen von Hufeisen in Westeuropa, ebenso wie die Berichte über vernagelte Pferde. Es liegt nahe, dass nicht alle Experimente mit der neuen Nageltechnik erfolgreich verliefen. Im Gegensatz zum orientalischen Hufeisen wurde in Europa jedoch ein Stabeisen eingeführt, das dem heutigen schon sehr ähnlich ist. Anstatt den Huf auf eine Platte zu stellen, wurde das Metall in U-Form am Hufrand angebracht. Die ersten Hufeisen hatten an den äußeren Seitenrändern drei Ausbuchtungen für die Nagellöcher und werden heute Wellenrandeisen genannt. Sie wurden nicht nur bei Ausgrabungen entdeckt, sondern zieren auch heute noch die Hufe des Pferds der Reiterstatue im Bamberger Dom, die im 13. Jahrhundert gemeißelt wurde.

das Wellenrandeisen ist der Vorläufer unseres heutigen Hufeisens mit Zehenkappe, Stempeleisen genannt, das seit etwa 1725 verwendet wird. Die Ära der Schmiede, die Hufeisen mit Hammer und Amboß am heißen Ofen noch selbst herstellen und in Form schlagen mussten, endete um 1930. Seither gibt es fabrikgefertigte Eisen in verschiedenen Größen und Gewichten. Eine Erleichterung für Ross, Schmied und Reiter. Und um die modernen Hufschuh-Modelle würde uns jeder Römer beneiden.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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