Die Lücke bringt‘s. Ein Ausschnitt ist der Clou in einem neuen Sattel-Pad und einem Sattel-Polster, die den Pferderücken von schmerzhaftem Druck befreien sollen. Reitlehrer Eberhard Weiß (56) aus dem bayerischen Marloffstein tüftelte jahrelang an der Idee, konzipierte Prototypen und überprüfte das Resultat in der Praxis an mehr als 200 Pferden.
Mit dem elektronischen Mess-System der Firma Savecomp Megascan blickte Biomechaniker Albi Schneider zusätzlich für CAVALLO unter die Sättel von drei Pferden aus dem Stall von Weiß. Im Sattel: Weiß‘ Lebensgefährtin, Pferdewirtschaftmeisterin Monika Große-Sokolovdva. Die Drucksensoren registrierten einen messbaren Entlastungs-Effekt. Sichtbar war er auch: Ein Proband, das 16-jährige Dressurpferd Noble As, buckelte ohne Pad plötzlich los wie von der Wespe gestochen.
Der Knack- und Schmerzpunkt vieler Pferde liegt etwa zwei Handbreit hinter dem Widerrist links und rechts der Wirbelsäule. „Dort befindet sich der hintere Ansatz des Trapezmuskels“, sagt Eberhard Weiß. „Legen Sie Ihre Hand auf und lassen das Pferd einen Schritt vor- und zurücktreten. Dann spüren Sie, wie sich die Muskulatur nach außen wölbt.“ Was sich schon bei minimaler Bewegung fühlbar regt, „springt vor allem beim Reiten von Wendungen wie eine Feder nach außen“.
Der Druck zeichnet sich sogar im Polster des Sattelkissens ab. „Wenn Sie mit den Fingern an der Unterseite Ihres Sattels entlangfahren, werden Sie am Ende des ersten Drittels einen flachgedrückten Bereich ertasten“, schildert Weiß, der ein Schüler Egon von Neindorffs war („Er war die prägende Instanz in meinem Reiterleben“).
„Die Delle im Polster signalsiert: “Hier braucht der Pferderücken völligen Freiraum„, so Weiß. Er ist überzeugt, dass “Druck in diesem sensiblen Bereich dazu führt, dass das Pferd nicht locker im Rücken schwingen kann„. Deshalb lässt das Pad ein Loch für den Muskel.
Druck auf Trapezmuskel löst Verspannungen aus

“Ich habe schon früh gedacht, dass es am Sattel liegen muss, dass viele Pferde nicht mit schwingenden Rücken gehen; denn vom Reiten ohne Sattel wusste ich genau, wie sich das anfühlen sollte„, erzählt Weiß, der alles geritten ist, “außer Galopprennen und Polo„.
Er experimentierte mit Materialien und Methoden (“Ich bin auch viele Irrwege gegangen„), bis er den Prototyp aus Filz entwickelt hatte. Das Ergebnis der Grübelei sieht simpel aus, ist aber genau austariert.

“Der Ausschnitt darf nicht zu klein sein. Dann wirkt er nicht. Ist der freiliegende Bereich zu groß, liegt der Sattel auf.„ Seit vier Jahren testet er sein Pad bereits. “Dass die Pferde besser laufen, merkt man zwar sofort; mir kam es aber vor allem darauf an, dass der Erfolg auch langfristig bleibt„, erklärt Weiß. Das Resultat: “Fast alle Pferde sind mit dem Pad rittiger; selten sieht man keine Verbesserung.„
Ein Sattel-Pad für jedes Sattelmodell

Der Filz wird ausgeklopft, also in die Form gebracht, die sich optimal in den Kissenkanal des Sattels einfügt. “Es passt prinzipiell unter jedes Modell mit korrekter Tunnelung.„ Der Kissenkanal muss also bis zum hinteren Ende mindestens gut drei Fingerbreit sein. Die Idee “weniger ist mehr„ integrierte Weiß vor zwei Jahren auch in die Kissen seiner Passier-Sättel. Für seinen Oldenburger Hengst Mackensen ist die Aussparung am Spezialkissen nur etwa zwei Finger breit: “Das reicht für Pferde, bei denen der Rücken links und rechts des Widerrists steil abfällt„, so Weiß. Für breitere Kaliber ist die Aussparung im Polster so groß wie eine Untertasse.
Zu kaufen gibt es das Trapezmuskelentlastungspad jetzt im Rahmen einer Kooperation mit G. Passier & Sohn. Es kostet im Handel um die 119 Euro. Eberhard Weiß ist für Fragen erreichbar unter 0173-3935626.
Bilder der Druckstellen eines Sattels
Scan der Gangarten

“Man sieht sehr gut die große, runde Aussparung in der Mitte des Sattels„, sagt Biomechaniker Albi Schneider von Savecomp Megascan. Normal: Je schneller die Gangart (von links: Schritt, Trab, Galopp), desto höher ist aufgrund der höheren Beschleunigung (siehe Kurven unten) der Druck.
Scan der Entlastung durch Pad

“Kleine, weiße Stellen zeigen links die fast völlige Entlastung des Bereichs, wo sich der Pad-Ausschnitt befindet„, so Schneider. Ohne Pad (rechts) gibt es dort rote Druckspitzen.
Gewicht im Sattel

Stark beschleunigt: Die 60 Kilogramm schwere Reiterin bringt im Galopp (blau; Schritt: grün; Trab: rot) das Doppelte ihres Gewichts in den Sattel.
Das Mess-System
Das Mess-System “Sattel Scan„ hat 1824 Drucksensoren, die auf der Messmatte verteilt sind. Aufgezeichnet werden die Werte in einem Datalogger, den sich der Reiter um den Bauch schnallt. Der Datalogger hat eine Frequenz bis maximal 500 Hertz, er kann also 500 Bilder pro Sekunde registrieren. Das System kostet inklusive zwei Messmatten, Computer-Software und Einweisung 11900 Euro (plus Mehrwertsteuer).
Kontakt
Savecomp Megascan
Göttinger Chaussee 12-14
30453 Hannover
Tel. (0511)8094563
www.megascan.de
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