Der Kappzaum ist ein viel zu tolles Teil, um ihn nur zum Longieren aus dem Schrank zu holen. Wollen Sie ihn nicht mal zum Reiten ausprobieren? Denn als Alternative zum Trensenzaum ist er ein echtes Multitalent. Viele Probleme im Sattel können Sie mit dem Kappzaum leicht und pferdegerecht lösen:
Angespannt?
Wir Reiter möchten, dass unser Pferd locker und entspannt ist. Wie oft will uns das aber nicht gelingen und die Lösungsphase scheint endlos zu dauern. Mal abgesehen davon, dass der Vierbeiner sich erst einmal warmlaufen muss, soll er auch mental loslassen. Manchmal ist das Gebiss der Störenfried. Vielleicht stört alleine das Gefühl des Metalls im Maul, vielleicht hat das Pferd aber auch Angst vor unangenehmem Druck. Wer mit Kappzaum reitet, kann seinem Pferd diesen Stress nehmen und wieder Vertrauen geben.
Unrittig?
Das Pferd lässt sich kaum stellen und biegen, legt sich auf die Hand, ist schwer zu bremsen oder rollt sich ein? Hier hilft der Kappzaum, ihm die Reiterhilfen ohne Druck zu erklären. Dabei ist der gebisslose Problemlöser auch für uns Reiter ein toller Lehrer: Wir lernen, zügelunabhängig zu reiten und fein mit Gewichts- und Schenkelhilfen einzuwirken. Neugierig geworden? Wie Sie den Kappzaum fürs Reiten nutzen können, lesen Sie hier.
Problem 1: Das Pferd stellt sich nicht oder verwirft sich
Lösung am Boden: Sehr viele Probleme im Training und beim Reiten entstehen, weil das Pferd nie wirklich verstanden hat, dass es sich im Genick stellen soll. Der Kappzaum ist der beste Helfer, mit dem Sie Ihrem Pferd erklären können, was Sie von ihm möchten.
Üben Sie zunächst im Stehen. Wenn Sie Ihr Pferd nach rechts stellen möchten, stehen Sie rechts neben dem Pferd. Legen Sie die rechte Hand sanft auf die Mitte des Naseneisens, und zwar so, als würden Sie ein Marmeladenglas öffnen wollen: Den Zeigefinger legen Sie nach außen gerichtet auf, den Daumen nach innen gerichtet.
Ihre linke Hand hat einen wichtigen Job: Sie massiert sanft die Genickmuskulatur Ihres Pferds, während Sie seinen Kopf mit Ihrer rechten Hand mit sanften, federnden Impulsen nach innen locken. Behandeln Sie die Pferdenase dabei wie ein zerbrechliches Glas, also ganz behutsam. Fragen Sie geduldig weiter an, bis Ihr Pferd einen Hauch nachgibt. Das braucht manchmal etwas Zeit, denn viele Pferde halten zunächst dagegen.
Aufpassen: Die korrekte Stellung besteht fast immer aus viel weniger Bewegung, als wir glauben. Achten Sie darauf, dass die Ohren auf einer Höhe bleiben, sonst verwirft sich Ihr Pferd. Loben Sie jede richtige Reaktion.

Hat Ihr Pferd die Genickstellung im Stand verstanden, können Sie das Stellen im Schritt üben. Geben Sie nach und nach immer mehr Longe – so gehen Sie allmählich vom Führen zum Longieren über. Locken Sie immer nur zart, um das Pferd wieder zur Stellung zu animieren, wenn es diese verliert.
Gehen Sie gegebenenfalls wieder näher an das Pferd heran. Bitte nie grob über den Kappzaum einwirken.
Lösung im Sattel: Zum Reiten schnallen Sie zunächst nur zwei Zügel in die seitlichen Ringe des Kappzaums. Das Gebiss können Sie später zusätzlich einschnallen.
Am Anfang brauchen Sie einen Helfer, der Sie unterstützt. Beginnen Sie im Schritt. Ihr Helfer läuft nebenher. Fragen Sie die Stellung ab, indem Sie sachte Hilfen geben: eine leichte Körperdrehung in Stellungsrichtung, innerer Schenkel, ein leichter Impuls am inneren Kappzaumzügel.
Der Helfer agiert als Dolmetscher für Ihr Pferd und gibt gleichzeitig die Unterstützung am Kappzaum, die das Pferd am Boden schon gelernt hat. Nach und nach kann sich der Helfer zurückziehen.
Oft hat das Pferd nach einigen Wiederholungen verstanden, alleine auf die Gewichtsverlagerung und den inneren Schenkel des Reiters zu reagieren. Die stellende Zügelhilfe wird dann oft gar nicht mehr benötigt.
Ein tolles Ziel: Sie sind auf dem Weg, zügelunabhängig zu reiten! Und das ist eine gute Grundlage, um nun auch die Trensenzügel einzuschnallen.
Problem 2: Das Pferd geht gegen das Gebiss
Es legt sich auf die Hand: Erklären Sie Ihrem Pferd zunächst am Boden, dass es sich besser tragen soll. Mit der Hand, die auf dem Naseneisen liegt, heben Sie das Eisen leicht an. Gleichzeitig tippen Sie mit den Fingern der anderen, freien Hand sachte gegen den Halsansatz des Pferds (Übergang Brust bzw. Schulter zum Hals).
Loben Sie, sobald es reagiert. Wenn Sie diese Übung einige Male wiederholen, lernt Ihr Pferd, seine Halsbasis auf den Impuls am Kappzaumeisen und die sanfte Berührung am Hals etwas zu heben.

Beim Longieren können Sie den Impuls mit den Fingern am Hals durch die Longierpeitsche ersetzen, die auf den Halsansatz Ihres Pferds weist. Beim Reiten können Sie dafür die Gerte verwenden. Die aufwärtsweisende Hilfe funktioniert dann über einen Impuls an den beiden Kappzaumzügeln nach oben.
Unterstützen Sie Ihr Pferd zudem mit Übungen, von der Vorhand wegzukommen: Seitengänge, Schritt-TrabÜbergänge oder Stangenarbeit helfen, über die Bauchmuskulatur den Rücken aufzuwölben und die Hinterhand zu aktivieren.
Es lässt sich schwer bremsen: Auch hier beginnen Sie zunächst am Boden mit dem Führen in Stellung. Um Ihr Pferd durchzuparieren, drücken Sie mit Ihrer Hand am Kappzaum leicht auf das Naseneisen.
Bleibt das Pferd auf diesen Impuls nach hinten stehen, loben Sie es. Im Sattel holen Sie sich wieder einen Helfer dazu, der Ihr Pferd mit der Hilfe am Kappzaum unterstützt, falls Ihre Zügelhilfe nicht ausreichen sollte.
Wichtig: Vor der Zügelhilfe fürs Durchparieren immer ausatmen, leicht das Becken nach vorne kippen und ggf. auch die Stimme nutzen. Im Idealfall brauchen Sie die Zügel gar nicht.

Grundsätzlich soll das Pferd lernen, dem Druck auf der Nase zu weichen und sein Gewicht mehr nach hinten zu verlagern. Auch aus diesem Grund sollen die Zügel beim Reiten nicht dauernd unter Zug stehen.
Die Reaktion auf den Impuls nach hinten brauchen wir in den Lektionen, wenn wir das Pferd mehr auf die Hinterhand setzen und versammeln möchten.
Problem 3: Das Pferd weicht vor dem Gebiss
Gerade für Pferde, die Angst vor dem Gebiss haben, ist der Kappzaum ideal. Oft wirkt es alleine schon sehr befreiend, wenn das Pferd kein Metall mehr im Maul spürt. Dann wird es sich schnell auch mal trauen, die Nase nach vorne zu nehmen.

Wichtig: Mit der Hand niemals rückwärts einwirken und immer weich der Pferdenase folgen. Taucht das Pferd ab, können Sie die Übung gegen das auf die Hand legen ausprobieren. In solchen Momenten helfen auch Übergänge: Durchparieren und erneut antraben oder angaloppieren oder aus dem Trab angaloppieren.
Vierzügelig reiten: Möchten Sie wieder mit Gebiss reiten, dann zunächst vierzügelig, also mit einem Zügelpaar am Kappzaum verschnallt und einem in den Trensenringen. Wirken Sie vorwiegend über den Kappzaum ein und nur ganz fein über das Gebiss.
Loben Sie jedes Vornehmen der Nase und spielen Sie mit Wechseln zwischen den Gangarten. Wichtig: Geduld. Ihr Pferd braucht Zeit und viele positive Erfahrungen, um wieder Vertrauen in die Hand zu gewinnen.
Anlehnung über die Nase?
Das geht, sagen Babette Teschen und Tania Konnerth. "Viele Reiter haben das Bild vor Augen, dass sie einen Spannungsbogen von hinten nach vorne über die Hand aufbauen müssen. Das wäre mir zu viel," erklärt Babette Teschen.
Für sie macht gutes Reiten aus, dass der Reiter einen leichten Zügelkontakt zu seinem Pferd hat, ohne jedoch einen Zug oder eine Gegenspannung aufrechtzuerhalten. Unter Anlehnung versteht sie mehr als nur die Zügelverbindung. Sie bedeutet, dass das Pferd an den Hilfen steht. Das heißt, das Zusammenspiel aller Hilfen – also auch Gewicht und Schenkel – funktioniert so gut, dass das Pferd den Reiter versteht.
Und wie kann man ohne Gebiss den Unterkiefer des Pferds mobilisieren? "Dafür brauche ich kein Gebiss", so Babette Teschen. "Über lösende Übungen oder Übungen, die die Bauchmuskulatur aktivieren, können wir das Kiefergelenk genauso ansprechen wie mit dem Gebiss."
Ein Pferd kann und soll auch mit dem Kappzaum kauen und lecken können, so die Expertin. "Das geht aber nur mit einem Kappzaum, der ein gut gepolstertes Naseneisen hat und so gut sitzt, dass er auch mit einem ausreichend lockeren Nasenriemen nicht verrutscht."
An welchen Ringen befestigen Sie die Zügel?
Die meisten Kappzäume haben einen Ring in der Mitte des Naseneisens für die Longe und zwei seitliche Ringe, die in der Regel für die Handarbeit genutzt werden.

Wenn Sie den Kappzaum zum Reiten nutzen, sollten die seitlichen Ringe nicht zu weit oben am Eisen sitzen, da die Zügel sonst zu nah ans Auge geraten. Gut zum Reiten eignen sich Kappzäume, an denen weiter unten, auf Höhe des Backenriemens, zwei weitere Ringe sitzen.
Mit oder ohne Eisen?
"Mit einem leichten Kappzaum ohne Naseneisen können Sie Ihrem Pferd keine präzisen stellenden Hilfen geben", so Babette Teschen. "Reiterhilfen werden dann oft grob, ohne dass das Pferd sie versteht."

Um Ihrem Pferd die Hilfen zu erklären, nutzen Sie daher einen Kappzaum mit abgepolstertem Naseneisen. Erst ein gut ausgebildetes Pferd kann mit einem leichten Modell gearbeitet werden – "solange sich keine Fehler einschleichen", betont die Kappzaum-Expertin.
Was gar nicht geht: Kappzäume, deren Naseneisen nur lederummantelt sind oder blank auf der Nase liegen (Serretas).
Problemlöser Pause
Pferden, die sich beim Reiten nach einer Weile mehr auf die Hand legen oder sich einrollen, fehlt oft schlichtweg die Kraft, sich zu tragen. Gönnen Sie Ihrem Pferd eine Pause, damit es die beanspruchten Muskeln wieder entspannen kann.
Haben Sie den Mut, auch mal abzusteigen und zehn Minuten zu führen. Ihr Pferd wird es Ihnen danken.
Kann der Kappzaum beim Reiten die Trense komplett ersetzen?
Die meisten Pferde verbinden mit dem Gebiss negative Erfahrungen, beobachten Babette Teschen und Tania Konnerth. "Viele Pferde entspannen sich deutlich, wenn sie kein Gebiss mehr im Maul haben", berichtet Babette Teschen. "Wir Menschen agieren von Natur aus sehr handlastig. Ein ungewollter Ruck am Zügel kann schnell passieren", ergänzt die Expertin.
Eine gute und gesunde Haltung und korrekte Bewegungen des Pferds entstehen nicht in erster Linie durch die Hand, sondern durch sinnvolle Übungen, betonen die Trainerinnen. Daher gibt es für sie nichts, das dagegen spricht, dauerhaft auf gebissloses Reiten mit dem Kappzaum umzustellen.
Doch manche Reiter bemerken, dass ihr Pferd beginnt, es sich mit dem Kappzaum "gemütlich zu machen": Sie nutzen den Kappzaum gerne als Stütze und legen sich auf die Hand oder reagieren nicht mehr so fein auf die Hilfen. Ist es der richtige Weg, dem Pferd dann wieder ein Gebiss ins Maul zu schnallen?
Babette Teschen und Tania Konnerth raten stattdessen: Zurück zur Basisarbeit. Wenn sich Fehler einschleichen, lieber einen oder ein paar Schritte zurückgehen. Das ist nicht schlimm! "Mit dem Kappzaum lernen Sie, korrekt und ehrlich über Ihren Sitz zu reiten. Das Gebiss ist nicht dazu da, Fehler zu vertuschen", betont Babette Teschen.
Zwei Zügel in einer Hand
So empfehlen es Babette Teschen und Tania Konnerth: Sie halten die Trensenzügel wie gewohnt. Die Kappzaumzügel lassen Sie über dem Zeigefinger nach unten laufen. Wenn Sie den Zeigefinger bewegen, können Sie am Kappzaum "klingeln", also einen Impuls geben.

Die Expertinnen
Babette Teschen und Tania Konnerth sind Expertinnen, wenn es um die Arbeit mit dem Kappzaum geht. In CAVALLO 2/2009 stellten wir ihren Longenkurs vor. Nun haben die beiden einen neuen Reitkurs entwickelt: "Mit dem Herzen voran – der Reitkurs von Wege zum Pferd". www.wege-zum-pferd.de und www.mit-dem-herzen-voran.de

Kommentar
Wer einen Kappzaum nutzt, nimmt ihn in der Regel zum Longieren, allenfalls noch für die Handarbeit. Dabei lohnt es sich so sehr, ihn auch beim Reiten einzusetzen. Denn ohne Gebiss im Maul offenbaren sich die Kommunikationsfehler, die beim Reiten mit Trense nicht so deutlich zum Vorschein kommen. F
eine und klare Hilfen mit Gewicht und Schenkeln können wir beim gebisslosen Reiten prima schulen. Und wenn das Zusammenspiel der Hilfen gut klappt und das Pferd zufrieden mit dem ist, was wir im Sattel tun, nimmt es auch beim gebisslosen Reiten eine gesunde Haltung ein.

Angst davor zu haben, das Pferd ohne Gebiss nicht halten zu können, braucht der Reiter meiner Erfahrung nach nicht. Ich finde, das klappt mit Kappzaum sogar besser. Zum Ausprobieren muss es ja nicht gleich ins Gelände gehen. Lieber erst mal auf Nummer sicher gehen und in der Reithalle oder auf dem eingezäunten Platz bleiben. Nadine Szymanski, CAVALLO-Redakteurin