Ankaufsuntersuchung: AKU beim Pferd - Tipps zum Pferde-Check
Wichtige Kriterien der Ankaufsuntersuchung

Die Ankaufsuntersuchung bei Pferden ist ein heikles Geschäft: Steht der Tierarzt unter Druck macht er womöglich Fehler. Wo sind die Tücken beim Pferde-Check?

CAV Medizin Tierarzt Kopf Bingold
Foto: Rädlein

Besteht das Pferd die Ankaufsuntersuchung, fangen die Probleme oft erst an. Denn Tierärzte patzen regelmäßig beim Kauf-Check: Sie attestieren, dass das Tier gesund ist, obwohl es tatsächlich kränkelt, oder sie übersehen Risiken wie beispielsweise einen Chip im Sprunggelenk.

Die Folge: Der Käufer erwirbt ein Pferd mit Fehlern, das er eigentlich gar nicht haben wollte. Warum der Tierarzt so korrekt wie ein Klempner arbeiten muss, wo die Tücken der Kaufuntersuchung liegen und in welchem Umfang der Doc haftet, erläutert Rechtsanwältin Iris Müller-Klein aus dem niedersächsischen Schwarme.

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Was gehört unbedingt zur Ankaufsuntersuchung?
Den Umfang der Untersuchung bestimmt allein der Auftraggeber des Tierarztes, also entweder der Verkäufer oder der Käufer. Ich rate dringend, neben dem klinischen Check die zwölf Röntgenbilder erstellen zu lassen, die der Röntgenleitfaden der Bundestierärztekammer als Standard vorsieht.

Zudem sollte der Doc eine Blutprobe nehmen, um prüfen zu können, ob das Pferd mit verbotenen Substanzen wie Schmerzmitteln gesund gespritzt wurde. Proben können sofort untersucht oder gelagert werden, falls sich später Hinweise auf eine Manipulation ergeben. Wichtig: Zeitraum der Lagerung sowie Umfang der Dopingprobe vorab klären, damit genug Blut genommen wird.

Muss sich der Tierarzt bei der Untersuchung an ein bestimmtes Protokoll halten?
Nein, eine solche Pflicht besteht nicht. Doch der Tierarzt tut gut daran, einen standardisierten Ablauf einzuhalten. Die Ergebnisse muss er protokollieren; der Umfang des Protokolls ist aber nicht vorgegeben.

Ist die Röntgenklasse zulässig?

Der Tierarzt muss sich bei der Beurteilung der Röntgenbilder nicht zwingend an die Klassen halten, die der Röntgenleitfaden vorsieht. Manche Veterinäre klassifizieren gar nicht, was etwas spöttisch als Röntgenklasse 0 bezeichnet wird; andere haben für sich eine Klasse 5 eingeführt.

Wer von der Klassifizierung abweicht, muss den Auftraggeber aber darauf hinweisen. Sonst kann es sein, dass ein Gericht dies als Sorgfaltspflichtverletzung wertet und der Tierarzt haftet.

Was kann der Käufer oder Verkäufer bei der Ankaufsuntersuchung vom Tierarzt erwarten?

Die Kaufuntersuchung ist ein Sonderfall. Normalerweise ist der Arzt Dienstleister, der versucht, ein Tier zu heilen. Beim Check vor dem Kauf handelt es sich dagegen um einen sogenannten Werkvertrag:

Der Tierarzt schuldet wie ein Klempner einen konkreten Erfolg. Er muss den Gesundheitszustand des Pferds zum Zeitpunkt der Untersuchung korrekt beurteilen und mögliche Beeinträchtigungen feststellen. Erkennt er etwa eine kranke Lunge nicht, ist sein Gutachten falsch.

Wo machen Tierärzte Fehler?

Die meisten Fehler, die vor Gericht landen, betreffen die Röntgenuntersuchung. Denn hier gibt es Bilder als Beweise, dass der Zustand des Pferds falsch eingeschätzt wurde – was im Zweifel ein Gutachter klärt. Bei der klinischen Untersuchung wird sicher auch manches übersehen; doch hier ist selten nachzuweisen, dass der Arzt patzte.

Kein Gutachter wird sich festlegen, dass etwa ein Schleimbeutel im Genick des Pferds bereits vor Monaten entzündet war, wenn dies nicht im Gutachten des Tierarztes erwähnt war.

Wie hoch ist denn die Fehlerquote?
Sehr hoch: Etwa 50 Prozent aller Kaufuntersuchungen erweisen sich vor Gericht als fehlerhaft. Klar ist aber auch: Käufer stützen sich häufig nur auf Patzer des Arztes, weil sie ein Pferd loswerden wollen, mit dem sie nicht klarkommen oder das ihren Ansprüchen nicht gerecht wird.

Rechte des Pferdekäufers – Röntgenklassen

Welche Ansprüche hat der Käufer des Pferds gegen den Tierarzt? Das kommt darauf an, wer den Arzt beauftragte und nicht, wer die Rechnung zahlte. Kommt der Auftrag vom Käufer, muss dieser bei einem Fehler des Tierarztes so gestellt werden, als habe er sein Gutachten korrekt erstellt.

In diesem Fall hätte der Käufer das Pferd nicht erworben. Der Tierarzt zahlt also den Kaufpreis des Pferds, ebenso wie Kosten für dessen Unterhalt. Gleichzeitig muss der Käufer dem Tierarzt das Pferd übereignen.

Hat hingegen der Verkäufer den Tierarzt beauftragt, kann der Käufer nur unter recht engen Voraussetzungen einen Schadenersatzanspruch gegen den Doc geltend machen. Er muss sich primär an den Verkäufer halten.

Wie lange haftet der Doc?

Drei Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem der Fehler des Gutachtens bekannt wurde – also durchaus noch viele Jahre nach dem Kauf-Check. Das Problem: Inzwischen gehen einige Gerichte davon aus, dass der Käufer auch als Auftraggeber nicht sofort gegen den Tierarzt vorgehen kann, sondern erst den Verkäufer verklagen muss. Die Rechtsprechung ist aktuell völlig unklar, was erhebliche Prozessrisiken birgt.

Erklärung der Röntgenklassen bei Pferden

Röntgenleitfaden: Empfehlung der Bundestierärztekammer zur Beurteilung der gesundheitlichen Bedeutung röntgenologischer Befunde bei der Kaufuntersuchung von Pferden (aktuelle Fassung von 2007). Text im Internet: www.bundestieraerztekammer.de

Klasse 1: Röntgenologisch ohne besonderen Befund und Befunde, die als anatomische Formvarianten eingestuft werden (Idealzustand).

Klasse 2: Befunde, die gering vom Idealzustand abweichen, bei denen das Auftreten von klinischen Erscheinungen in unbestimmter Zeit mit einer Häufigkeit unter 3 Prozent geschätzt wird (Normzustand).

Klasse 3: Befunde, die von der Norm abweichen, bei denen das Auftreten von klinischen Erscheinungen in unbestimmter Zeit mit einer Häufigkeit von 5 bis 20 Prozent geschätzt wird (Akzeptanzzustand).

Klasse 4: Befunde, die erheblich von der Norm abweichen, bei denen klinische Erscheinungen wahrscheinlich (über 50 %) sind (Risikozustand). Zwischenklassen bringen zum Ausdruck, dass verschiedene Untersucher zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnten.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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