Fachtierarzt für Tierschutz Dr. Maximilian Pick im Interview
„Das Touchieren sollte verboten werden“

Touchieren oder Barren? Die Diskussion um Springreiter Ludger Beerbaum und seine "Trainingsmethode" müsste laut Dr. Maximilian Pick nicht sein, wenn die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hier erst gar kein Schlupfloch lassen würde. Laut der Meinung des Fachtierarztes für Tierschutz sollte auch die Technik des Touchierens verboten werden.

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Foto: Lisa Rädlein

Vier kurze Videosequenzen um Springreiter Ludger Beerbaum sorgen in der Reiterwelt für Furore: Auf den Filmen, die das Magazin "RTL Extra" am 11.01.2022 ausstrahlte, ist ein Reiter – laut RTL Ludger Beerbaum – zu sehen, der mit unterschiedlichen Pferden über Hindernisse reitet. Ein Helfer am Boden führt dabei mehrmals eine Stange an die Vorderbeine der Pferde, sobald diese über das Hindernis springen. Wird hier gebarrt, werden die Pferdebeine also geschlagen? Oder ist "nur" Touchieren, wie es laut "Richtlinien für Reiten und Fahren", Band 2, erlaubt wäre?

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Wir haben mit Dr. Maximilian Pick über die strittigen Szenen gesprochen. Der Fachtierarzt für Tierschutz (www.cavallo.de/pick) tritt auch als Experte in dem RTL-Beitrag auf.

Hier findet ihr das komplette Gespräch als Podcast

CAVALLO: Herr Dr. Pick, auf den vier Videosequenzen ist zu sehen, wie ein Helfer am Boden mit einer Stange die Pferdebeine überm Hindernis – berührt, touchiert, barrt? Welchen Begriff würden Sie wählen?

Dr. Maximilian Pick: Man muss unterscheiden zwischen dem Barren, also dem mehr oder weniger heftigen Schlag gegen Vorder- oder Hinterbeine des Pferdes über dem Sprung, und dem von der FN eingesetzten Begriff des Touchierens. Das Touchieren ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Die Touchierstange darf nur drei Meter lang und zwei Kilo schwer sein, und sie muss von einem Fachmann geführt werden.

…und während das Barren verboten ist, ist das Touchieren erlaubt. Denn das ist, laut den "Richtlinien für Reiten und Fahren", ein "fachgerechtes Sensibilisieren des Pferdes durch gezieltes Berühren der Pferdebeine im Sprungablauf".

Aber Touchieren ist ja gar nicht möglich! Denn Touchieren heißt: sanft berühren. Und ein Pferd, das mit einer gewissen Geschwindigkeit über den Sprung kommt, das kann ich mit einer Stange an den Beinen gar nicht sanft berühren.

Wenn das wirklich nur ein sanftes Berühren wäre, wäre dagegen gar nichts einzuwenden. Aber auf den Videosequenzen hört man deutliche Schlaggeräusche gegen die Beine. Deshalb würde ich das nicht als Touchieren bezeichnen, sondern als Barren. Und laut den Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist das "Anwenden von Hilfsmitteln, die ohne vernünftigen Grund Schmerzen oder Angst auslösen", und dazu zählt das aktive Barren, tierschutzrelevant.

Ludger Beerbaum verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die im Beitrag gezeigten Szenen nichts mit Barren zu tun hätten. Es handle sich um das erlaubte Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde.

Herr Beerbaum kann sich natürlich darauf zurückziehen, dass er gemäß FN kein Barren durchgeführt habe, sondern nur ein Touchieren. Die Richtlinien geben diese Sicht ja her. Ich sehe das aber anders: Wenn solche Geräusche auftreten, kann ich nicht von Touchieren sprechen.

Was müsste die Deutsche Reiterliche Vereinigung Ihrer Meinung nach in dem Fall dieser "Trainingsmethode" tun?

In meinen Augen wäre es das Einfachste, man würde es verbieten, Pferde mit Schlägen gegen die Beine sensibel zu machen. Wenn ein Pferd sich nicht zum Springen eignet, weil es viele Fehler macht, dann muss man es halt für einen anderen Gebrauch nehmen. Oder einfach nur zum Spazierenreiten.

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023