Insgesamt 75 Reiterinnen und Reiter nahmen am 22. Juni an einem Distanzritt des „Windhoek Endurance Riding Club“ (Windhoek Enduro-Reitverein) in Namibia teil – Darunter die Vizeweltmeisterin und Teamweltmeisterin von 2006, Virginie Atger. Die Teilnehmer starteten in der Ortschaft Okahandja, knapp 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Windhoek, auf unterschiedlich lange Distanzen. Die längste Route (120,1 Kilometer) wurde mit der offiziellen FEI-Kategorie CEI-Zwei-Sterne bewertet.
Demnach wurde der Ritt nach den international gültigen Regeln des Pferdesportverbandes durchgeführt. Weitere Distanzen führten über 100,1 Kilometer und 85,1 Kilometer (jeweils CEI-Ein-Stern). Außerdem wurden Ritte von 35,5 Kilometer bis 84,1 Kilometer für die nationale Wertung der „Namibia Endurance Ride Association“ (Namibischer Enduro-Reitverband) ausgetragen.
Franzosen auf geliehenen Pferden
Für Virginie Atger war es der erste Besuch in Namibia. Die Französin nahm an der Distanz über 85,1 Kilometer teil. Da die fünfköpfige französische Delegation ohne Pferde angereist war, bestritt sie das Rennen auf geliehenen Arabern. Die Tiere stellte die Namibierin Ingeborg Heynes zur Verfügung. Atger urteilte nach dem Ritt: „Das Pferd ist gut ausgebildet und wir haben schnell zusammengearbeitet“.
Da Temperatur und Luftfeuchtigkeit nicht mit dem europäischen Klima vergleichbar sind, müssten sich die Pferde einige Zeit lang akklimatisieren. Außerdem liegt Okahandja 1.500 Meter über dem Meeresspiegel. „Durch einen Transport wäre das Pferd unnötigem Stress ausgesetzt“, erklärte Ingeborg Heynes, die auf einer Lodge Pferdesafaris anbietet und Mitglied im Vorstand des Windhoeker Enduro-Reitvereins ist. Bei einem Besuch in Paris hatte sie die Idee, französische Reiter nach Okahandja einzuladen. „Als ich den Franzosen Bilder von unserer Landschaft gezeigt habe, war kaum noch Überredung notwendig, bis sie zugesagt hatten“, sagte Heynes.
Route durch Flussbett und starke Temperaturunterschiede
Auf der Route mussten die Reiter unterschiedlich markierte Runden absolvieren. Die Strecke führte durch einen großflächig mit Büschen und niedrigen Bäumen bewachsenen Teil des Khomas-Hochlandes auf über 1.500 Metern Höhe. Das Streckenprofil war weitestgehend flach, kreuzte nur wenige Fahrwege und führte zum Teil durch das ausgetrocknete Flussbett des Okahandja-Flusses.
Laut Routemaster Leon Harmse, wurde die Strecke im Hinblick auf die nationalen Meisterschaften in Walvis Bay so gelegt, dass die Teilnehmer über viel sandiges Terrain reiten mussten. Die Hafenstadt Walvis Bay liegt am Ufer des Atlantik, an das die Namibwüste grenzt.
Da im südlichen Afrika der Juni zu den Wintermonaten zählt, war es beim ersten Start um 5:30 Uhr morgens mit Temperaturen im einstelligen Bereich noch sehr frisch. Zur Mittagszeit stiegen die Temperaturen schlagartig auf 30 Grad – eine **Herausforderung für Pferde und Reiter.















Tempobremse zum Wohl des Pferds
Zum Schutz ihrer Pferde belegte Ingeborg Heynes die Profireiterin Atger mit einer Stallorder. „Ich habe sie dazu angehalten, mit einer maximalen Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 Kilometern pro Stunde zu reiten“, sagte die Pferdebesitzerin. „Ich will nicht, dass mein Pferd überfordert wird“. Atger hielt sich an die Regelung und erreichte in der 85,1-Kilometer-Distanz den letzten Platz mit einer Zeit von 5:36:57,38 Stunden.
Dennoch war die erfahrene Reiterin nach der abschließenden veterinärmedizinischen Untersuchung gut gelaunt und resümierte: „Die Route war landschaftlich sehr schön, aber dennoch technisch anspruchsvoll. Durch tiefen Sand zu reiten, war für mich vollkommen neu“. Weiterhin erklärte Atger, sie wolle in den kommenden Wochen an zwei Distanzritten in Frankreich mit 130 Kilometern bzw. 160 Kilometern teilnehmen. „Dann nehme ich auch wieder mit meinem eigenen Pferd teil“, sagte Virginie Atger. „Der Ritt in Namibia ist für mich auf jeden Fall ein gutes Training und ein bisschen Safari haben wir auch noch gemacht. Dieses Land ist wie geschaffen zum Reiten“.
Zertifikate statt Preisgeld
Die französische Vizeweltmeisterin und Teamweltmeisterin von 2006 konnte sich auch damit trösten, dass bei dem namibischen Distanzritt kein Preisgeld ausgeschrieben wurde. Peet Harmse, Vorsitzender des Windhoeker Enduro-Reitvereins sagte: „Die besten unter den Teilnehmern erhalten lediglich Zertifikate, die sie für die FEI-Qualifizierungen benötigen“.
Atgers Landsmann Raphael Willot war bei dem afrikanischen Distanzritt außer Konkurrenz. Als einziger Starter in der 120,1 Kilometer-Kategorie (No Weight) beendete er das Rennen auf Le-Wardi Coco in 6:50:42,46 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,54 Km/h.
Distanzreiten - die umstrittene Disziplin
Der Distanzsport ist nicht unumstritten. Auf den langen Distanzen werden die Pferde stark gefordert und in manchen Fällen sogar überfordert. Dies belegen zahlreiche Verletzungen bis hin zu Todesfällen bei internationalen Distanzritten. Auch Doping, sowohl bei Pferd, als auch Reiter ist nicht unbekannt.
Die Namibische Enduro-Szene streitet die Schattenseiten nicht ab, weist aber von offizieller Seite darauf hin, dass der namibische Distanzsport niedrige Ausfallquoten verzeichne. „Wir haben einen Ausfall von 16 Prozent pro Jahr, das ist eine der niedrigsten Quoten weltweit“, betonte Raik Richter, Pressesprecher des „Windhoek Enduro-Reitvereins“.
Medizinische Untersuchung nach jeder Runde
Die Distanzen sind auf Runden mit durchschnittlich 30 Kilometern Länge aufgeteilt. Nach jeder Runde wird das Pferd mit Wasser gekühlt, damit sich der Puls senkt. „In der Kühlzone dürfen sich die Pferde höchstens 20 Minuten aufhalten“, erklärte Richter. „Ist der Puls danach immer noch über einem Wert von 64, wird das Pferd samt Reiter disqualifiziert“.
Bevor das Pferd auf die nächste Runde starten darf, wird es vom Tierarzt untersucht. Der Arzt prüft, ob der Herzschlag angemessen ist und achtet auf eventuelle Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes. „Es kommt aber auch schon mal vor, dass der Arzt dem Reiter die nächste Runde verwehrt, weil er dehydriert oder entkräftet ist“, merkte Richter an.
Verband bezeichnet Distanzsport als pferdefreundlich, Reiter sind skeptisch
In Okahandja erreichte Gabriel Tjinakua auf Wiejandie Emir die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit von 19,79 Km/h auf 85,1 Kilometern. Dieses Tempo liegt weit unterhalb der Höchstgeschwindkeiten von bis zu 27 Km/h anderer internationaler Ritte mit bis zu 160 Kilometern Länge. Der namibische Verband der Distanzreiter, die „Namibia Endurance Riding Association“ erklärte, viele ihrer Mitglieder seien Farmer, die zum Zeitvertreib an den Distanzritten teilnähmen und keine Gesundheitsschäden ihrer Tiere in Kauf nehmen wollen.
Peet Harmse, Vorsitzender des Windhoeker Enduro-Reitvereins, wies darauf hin, dass der Distanzritt kein Publikumssport sei und es daher im Gegensatz zum Dressur- oder Springreiten kaum Sponsoren gebe. „Wir schreiben für die Wettbewerbe keine Preisgelder aus, somit fehlt den Teilnehmern ein wichtiger Anreiz, um mit aller Gewalt erster werden zu wollen“, sagte Harmse.
Die Reiter selbst wollen sich die rosa Brille des Verbandes dagegen nicht aufsetzen. Hinter vorgehaltener Hand werden Reiter verdächtigt, ihre Pferde nicht angemessen zu behandeln und Starterlisten werden skeptisch betrachtet. Eine langjährige Teilnehmerin sagte: „Wenn ich mir die Starterlisten über einen längeren Zeitraum ansehe, fällt auf, dass einige Reiter im Schnitt nach zwei Jahren mit neuen Pferden antreten. Das machen die Reiter nicht ohne Grund“.



















