




„Leg dich hin.“ Waltraud Bürger wirkt fast unbeteiligt, als sie ihrem achtjährigen PRE-Wallach Corsario das Kommando gibt – nicht besonders nachdrücklich, zwei Meter neben dem Pferd. Der Schimmel denkt nach und lässt sich dann im Sand nieder. Er genießt die Streicheleinheiten, die ihm dieser Vertrauensbeweis einbringt. Pferd und Besitzerin zeigen heute für CAVALLO, wie sie sich auf einen besonderen Anlass vorbereiten. Denn im August stand die Senniana an, ein Turnier nur für die Arbeit vom und am Boden. Waltraud Bürger nimmt ebenso teil wie die anderen Damen, die an diesem Mai-Vormittag mit sechs verschiedenen Pferden und im Kostüm die Facetten der Bodenarbeit demonstrieren.
„Unsere Pferde lieben Bodenarbeit“, sagt Eva Brindöpke aus Bielefeld, die das Turnier auf ihrer eigenen kleinen Anlage im vergangenen Jahr ins Leben rief. „Wenn wir mit dem Sattel kommen, dreht sich schon mal einer weg, aber wenn es zur Bodenarbeit geht, sind sie voll dabei.“
So wie Corsario, der den Auftritt vor der CAVALLO-Kamera sichtlich genießt. Er trabt und galoppiert um seine Besitzerin herum, wechselt die Hand, vollführt ausgelassene Bocksprünge und zeigt schon im nächsten Moment Spanischen Schritt.
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Vertrauensbeweise belohnen






„Im Prinzip habe ich schon angefangen, als er mit zweieinhalb Jahren zu mir kam“, erzählt Bürger, die den Wallach auch im Sattel selbst ausbildet. Doch ihre Lieblingsdisziplin ist die Freiheitsdressur. „Damit erfülle ich mir einen Traum, mein Vorbild ist Frédéric Pignon“, sagt Waltraud Bürger.
Ihr Pferd liebt die Arbeit so sehr, dass es vor Publikum immer noch ein bisschen besser ist als zu Hause. Das zeigte die Senniana 2008, auf der beide den ersten Schritt ins Rampenlicht wagten. Seit die Westfälin weiß, wie gern sich ihr Pferd präsentiert, arbeitet sie immer öfter frei. Zu tun gibt es noch reichlich. „Ich möchte das Hinlegen verbessern, Seitengänge und Volten einbauen und das Steigen unter Signalkontrolle bekommen.“ Bisher geht Corsario nur zufällig beim Toben in die Luft. Das sei auch gut so, betont Waltraud Bürger. „Man sollte kein Pferd steigen lassen, bevor es sich ablegen lässt.“ Denn diese dominante Geste kann sonst bewirken, dass Pferde respektlos werden.
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Freiheitsdressur im Paddock






Das beweisen Welsh-B-Wallach Finn und Regine Germies. Der kleine Dunkelfuchs landete bei ihr, weil die Vorbesitzer mit dem cleveren Pony überfordert waren.
„Für mich ist er zum Reiten zu klein, also stand er jahrelang nur herum“, erzählt Germies. Seit einem Jahr beschäftigt sie sich intensiver mit dem jetzt 15-jährigen Wallach. Seitdem hat er schon jede Menge „Dönekes“ gelernt. Finn apportiert Frisbee-Scheiben, trinkt Orangensaft aus einem Becher und macht den „Frosch“, indem er auf Kommando den Kopf unter ein angehobenes Hinterbein steckt. „All diese Übungen entstanden zufällig“, erzählt Regine Germies grinsend.
Finn machen sie Spaß, seine Besitzerin erwischt ihn immer wieder, wenn er allein auf dem Paddock übt. Bei der Spielerei kommt auch Sinnvolles heraus: Finn beherrscht inzwischen die ersten Seitengänge.
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Bodenarbeit stoppt Probleme im Sattel






„Das ist für mich Alltag, denn die Bodenarbeit gehört in der klassisch-barocken Reiterei zur Ausbildung.“ Für die Senniana trainiert sie regelmäßig. „Besonders wichtig ist das geschlossene Stehen“, erklärt Stelzner-Sennhof. Daneben demonstriert sie Seitengänge im Schritt und Trab, alles in klassisch-iberischer Zügelführung.
Das sind nicht nur Lektionen für Indiana – hier wird auch die Rangordnung festgelegt. „Ich besitze die Stute erst seit einem Jahr“, sagt Stelzner-Sennhof. „Anfangs war sie sehr unerzogen. Die Bodenarbeit half, unser Verhältnis zu klären. Sie vermittelt ihr, dass ich das Sagen habe.“ Mit Indiana wurde ihr auch klar, warum Experten wie Richard Hinrichs bei der Bodenarbeit immer die Arme ausstrecken: „Ich wäre sonst mehr als einmal gebissen worden.“
Der Beziehungsaspekt ist für die Ausbilderin fast das Wichtigste bei der Bodenarbeit: „Wenn sich mehr Menschen die Zeit nehmen würden, ihre Pferde am Boden besser kennenzulernen, hätten sie im Sattel weniger Probleme“, ist sich Stelzner-Sennhof sicher.
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Seitwärts über Stangen






„Lina war sehr ängstlich. Durch die Bodenarbeit bekam ich einen Zugang zu ihr, ohne sie zu stressen.“
Dass sie sich inzwischen gut verstehen, zeigten Heite Tütermann und ihr Pferd schon 2008 im Trail und beim Polka-Wettbewerb der ersten Senniana. Auch in diesem Jahr will Tütermann wieder starten: „Die Veranstaltung ist für mich ein toller Ansporn im Training, ohne dass ich gleich auf ein richtiges Reitturnier muss.“
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Bodenarbeit auf großer Bühne






Brindöpkes Spezialität sind die Langzügel; damit trat sie schon allein und im Pas de deux auf. Ihr Andalusier-Berber-Mix Le Dada beherrscht an den langen Zügeln nicht nur Seitengänge im Schritt und Trab, er galoppiert auch. Natürlich so gesetzt, dass Brindöpke wie gewünscht nebenhergehen kann.
Dafür muss sich ihr inzwischen 18-jähriger Genete, wie die Rassekreuzung aus Andalusier und Berber offiziell heißt, auch in schwierigen Situationen zuverlässig dirigieren lassen. „Am wichtigsten ist das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd“, beschreibt Brindöpke die Basis der Langzügelarbeit.
„Gerade in Lektionen mit einem hohen Versammlungsgrad“, meint sie, „ist ein gewisses Maß an Spannung im Pferd schon erwünscht. Sie darf sich dann allerdings nicht in heftigen Reaktionen auf Gertenhilfen oder Ähnliches äußern.“ Sonst ist die Gefahr groß, dass eine Aufmunterung in der Piaffe prompt mit einem Tritt quittiert wird, der sehr schmerzhaft auf dem Schienbein landet.
Die Nähe zur Hinterhand verbietet auch jede Gewalt in der Arbeit. „Sie können aus dieser Position kein Pferd zu etwas zwingen“, stellt Brindöpke klar. Entsprechend sollte man die Hilfen fein abstimmen, und das Pferd muss gut vorbereitet sein. „Ihr Pferd sollte sich unter dem Sattel oder bei der Arbeit an der Hand schon gut versammeln können. Nur dann trabt es so langsam, wie der Mensch am Zügel geht“, erklärt Brindöpke. Stimmen die Voraussetzungen, funktionieren Handwechsel im Schritt und Trab sicher, kann man sich an der Doppellonge langsam an die Kruppe herantasten. Dort angekommen, bringt die etwas andere Arbeit zahlreiche Aha-Erlebnisse: „Als Le Dada erstmals am Langzügel seitwärts ging, war ich begeistert“, erzählt Brindöpke. Die Freude war ebenso groß, als der Wallach lernte, so langsam zu traben, dass seine Besitzerin nicht mehr außer Atem kam, und sie war noch größer, als das sogar im Galopp klappte.
Wie lange es dauerte, bis Le Dada so weit war, kann Brindöpke nicht genau sagen. „Ich arbeite immer daran, mich zu verbessern. Welche Stufe ich wann erreicht habe, ist mir nicht wichtig.“ Der Galopp war für sie und Le Dada jedoch ein Meilenstein. „Damit das Pferd mich beim Angaloppieren nicht treten und mir nicht davonstürmen konnte, begann ich aus einer Position an der Pferdeschulter“, erklärt Brindöpke. Erst als der Wallach sicher angaloppierte, pirschte sich Brindöpke langsam in Richtung Hinterhand.
Obwohl die beiden mit Begeisterung bei der Sache sind – Le Dada zeigt beim Fototermin sogar ungefragt Passage-Tritte –, hat Brindöpke die Langzügelarbeit vor drei Jahren stark reduziert. Ein rheumatischer Fuß macht das Gehen schwer. „Man muss schon gut zu Fuß sein, um mit dem Langzügel zu arbeiten“, sagt die Physiotherapeutin im Vorruhestand.
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Bodenarbeit bietet Abwechslung






Das demonstriert Brindöpke mit der 21-jährigen Stute Weseli. Als Reitpferd ist die selbst gezogene Araberin im Ruhestand. In den vergangenen Monaten lernte die Stute aber, Luftballons zu zertreten. Ihr Alter war kein Hindernis: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie langsamer gelernt hätte als früher“, sagt Eva Brindöpke.
Die Idee kam durch eine Shownummer, in der ein Pferd über ein Brett piaffierte und die darauf befestigten Luftballons zertrat. Brindöpke variierte die Übung so, dass sie auf ihre Stute passte. Erster Schritt war der Knalltest. Den bestand Weseli, indem sie gelassen blieb, als ihre Besitzerin direkt neben ihr Luftballons platzen ließ.
„Weseli ist sehr sicher im Spanischen Schritt und der Polka. Also befestigte ich Ballons auf einem Gitterrost, stellte Weseli davor und gab das Signal zum Spanischen Schritt“, erzählt Brindöpke. Als die Stute beim Vorstrecken der Beine zufällig einen Ballon traf, gab es Lob und Leckerli. „Beim nächsten Versuch“, freut sich Brindöpke, „trat Weseli gezielt nach den Ballons.“ Inzwischen erlegt die Schimmelstute locker 20 Ballons in zwei Minuten, das Gitter ist danach komplett leer.
Voll sind dagegen die Speicherchips der CAVALLO-Kamera. Ein Vormittag in der Bielefelder Senne zeigt klar, dass Bodenarbeit viel mehr sein kann als braves Führtraining oder Hohe Schule für Experten.
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