Wie fühlt sich das an?", fragt Peggy Cummings (65), die auf meinen Oberschenkeln Platz genommen hat. "Es tut weh", antworte ich. Was wie ein Pferdekuss auf meinen Schenkeln brennt, ist ihr Gewicht. Das schmerzt, weil der Körper der Trainerin regungslos wie ein Sack Reis auf mir lastet. Wäre ich wirklich an Stelle des Pferds, das ich beim Kurs auf Hof Fröhling in Windeck/Nordrhein-Westfalen nur spiele, hätte ich nichts zu Lachen.
Erstmal amüsieren sich jedenfalls die anderen Zuschauer und Kursteilnehmer, die bei der Amerikanerin das System des Connected Riding lernen oder ihre Kenntnisse verfeinern möchten. Connected Riding ist eine Körperschulung für das Reiten in Balance, die Peggy Cummings entwickelte (www.peggycummings.com). Ob es den Reitern damit besser gelingt, die Bewegung ihrer Pferde zu nutzen? CAVALLO schaute beim Kurs nicht nur zu.
Wie Reiter ihre Pferde mit ihrem Sitz behindern, demonstriert die Trainerin anschaulich – auf meinem Schoß. "Würdest du jetzt bitte deine Beine abwechselnd bewegen", fordert mich Peggy Cummings auf. Das Testpferd muss passen: "Das geht nicht." Das Publikum lacht, begreift aber sofort: Ein Pferd, das ein starres Gewicht auf dem Rücken hat, wird blockiert. Raumgreifende Bewegungen sind kaum möglich. "Ein Reiter, der sein Pferd mit dem Sitz ausbremst, braucht viel mehr Kraft beim Reiten", sagt die Ausbilderin. Ihr Ziel für den dreitägigen Kurs: "Sie können hier lernen, positiv auf Ihr Pferd einzuwirken. Pferde tragen uns, auch wenn wir verspannt und steif sind. Doch damit stören wir sie in ihrer Balance."










Gleichgewicht im Sattel herstellen
"Ein Pferd muss unter dem Reiter alle vier Beine im Gleichmaß bewegen können", sagt Cummings. Sie will Wege aufzeigen, wie Pferde sanft gymnastiziert und durch die Beweglichkeit des Reiters gelockert werden können. "Kaum sitzt der Reiter im Sattel, wird am Kopf des Pferds gezogen", kritisiert die Ausbilderin. "Das ist kontraproduktiv, weil sich die Pferde im Genick verspannen."
Um solchen Fehlern vorzubeugen, hat Peggy Cummings Übungen zur lösenden Arbeit am Boden entwickelt (Connected Groundwork), publiziert als Buch und DVD.
"Wenn Sie Ihr Pferd damit fünf bis zehn Minuten arbeiten, werden Sie im Sattel einen riesigen Unterschied spüren", sagt Cummings, die über ihr Headset nur englisch spricht. Sie wird von Irene Boss (46), einer der ersten lizensierten Connected-Riding-Trainer in Deutschland, gedolmetscht.
















Sitz-Korrektur auf Quarter-Horse-Stute Caroll
In der Bahn ist Margit mit Quarter-Horse-Stute Caroll. Das Pferd wurde westerngeritten, läuft inzwischen aber klassisch-barock. Im Kurs wird Caroll nur am Boden gearbeitet, da sie derzeit nicht voll im Training steht. Die 15-jährige Stute trägt ein gepolstertes Halfter, an das ein langes Führseil wie ein Paar Zügel geknotet ist; überm Nasenbein ist das Seil gekreuzt. So sollen die Impulse prägnant und fein beim Pferd ankommen.
"Die Linksbiegung fällt ihr schwer und sie ist in der Sattellage verspannt", erkennt Cummings, während sie die Braune führt. "Strech and slide, strech an slide", kommentiert sie und gleitet dabei mit den Händen am Führseil auf und ab. "Hochgleiten und ausstreichen", übersetzt Irene Boss und erklärt: "Das abwechselnde Aufwärtsgleiten am Seil zum Kopf, und das Ausstreichen des Seils vom Kopf weg löst Verspannungsmuster im Pferd. Das ist am Boden viel leichter zu schaffen als im Sattel."
Auch Pferdebesitzerin Margit ist gefordert: Im Stand liegt ihre linke Hand auf dem Pferderücken, die rechte auf der Schweifrübe. Mit den Händen soll sie nun die Hinterhand der Stute vor- und zurückschaukeln. "Die Übung des Schweifschaukelns macht die Wirbelsäule und den Rücken mobil", sagt Cummings.
Und tatsächlich: Bei der folgenden Runde, die Caroll im Schritt geht, beginnt sie zu kauen und schreitet mit freien, elastischen Tritten. "Taktfehler sind ein Verlust des inneren Hinterbeins", erklärt Peggy Cummings, die sich schon in jungen Jahren mit einer Reitschule selbstständig machte. Probleme bei Pferd-Reiter-Paaren entdeckt sie sofort.
















Sitz-Korrektur auf Andalusier-Stute
Jetzt hat Peggy Cummings Brigid auf einer braunen Andalusier-Stute im Auge. "Wenn sie im Trab nicht untertritt, musst du reagieren – und zwar mit Rotation", fordert Cummings. Dies ist eine Drehbewegung von Becken und Oberkörper, die das innere Hüftgelenk öffnet. Dabei entsteht eine Art rollender Unterschenkel, der mit dem Pferdebauch Kontakt hält, ohne zu pressen.
Brigid soll noch eine Bewegung ausführen, die Cummings mit dem "Moonwalk" von Popstar Michael Jackson vergleicht: Im Sattel soll der Reiter aus der Hüfte heraus wechselseitig im Takt des Pferds mit den Oberschenkeln rückwärtsgehen. "Stell dir vor, dein Pferd ist ein Einrad. Die Steigbügel sind die Pedale. Damit du vorwärts kommst, musst du dich bewegen", beschreibt Cummings das innere Bild, das zu mehr Aktivität im Sattel anregen soll. "Ständig höre ich, dass Reiter still sitzen sollen – das ist völliger Unsinn", sagt sie. "Je mehr ein Reiter auf die Bewegung des Pferds eingeht, desto eher entsteht Harmonie."
Für Reiter, die wie Brigid gerne mit den Knien klemmen, hat sie einen speziellen Tipp: "Stell dir vor, du hättest lange Froschbeine, mit denen du dein Pferd umarmst. Im Froschsitz sind die Knie offen." Nur dann kann der Brustkorb und damit der Rücken des Pferds frei schwingen. Der Effekt: Die Andalusier-Stute weicht nicht mehr aus, sondern tritt taktrein unter. "Reiten ist kein Kraft-, sondern ein Denksport", plädiert Peggy Cummings. "Erfassen Sie die Bewegung des Pferds und folgen Sie ihr."
















Bewegen Sie sich mit dem Pferd
"Bewegt sich das Pferd, möchte es, dass Sie sich mit ihm bewegen. So entsteht Balance für beide." Ihr Credo: "Durch die eigene Beweglichkeit können Sie Ihr Pferd aktivieren und in Kontakt bleiben." Auch Peggy Cummings selbst ist in Kontakt. Und zwar mit den Reitern, die für den dreitägigen Kurs 310 Euro zahlten (Zuschauer: 115 Euro).
Peggy Cummings erklärt, demonstriert, korrigiert, legt Hand an. Sie will nicht dozieren, sondern das Gefühl des Connected Riding spürbar vermitteln. Das macht sie ihren Schülern, anders als mir in der Rolle des Pferds, so leicht wie möglich.
Weitere Kurs-Termine:
www.connectedriding.de
www.irene-boss.de
















Interview: Connected-Riding mit Irene Boos
CAVALLO: Was ist das Prinzip von Connected Riding?
Irene Boss: Es ist eine Art Körperschule, die Reiter – und damit auch Pferde – darin unterstützt, ihren Körper effektiv zu nutzen. Reiter lernen, die Bewegung des Pferds in den eigenen Körper fließen zu lassen und Blockaden im Pferd dadurch aufzulösen, dass sie ihre Bewegung auf dem Pferderücken verändern. Ein frei beweglicher und stabil sitzender Reiter benötigt weder Kraft noch Druck oder gar massive Handeinwirkung.
Welche Rolle spielt die Bodenarbeit in diesem Konzept der Körperschule?
Es ist wichtig, dass jedes Pferd Bewegungsmuster zur gesunden Selbsthaltung lernt, bevor es das Reitergewicht trägt. Das Ziel von Connected Groundwork ist es, das Gewicht von der Vorhand auf die Hinterhand des Pferds zu verlagern, während es in der Lage ist, sein Genick entspannt und frei in der Vorwärtsbewegung zu tragen.
Welche Ziele hat das System von Connected Riding?
Kurz gesagt: Jede Fehlhaltung des Reiters bedeutet eine Bewegungseinschränkung oder Druckpunkte für das Pferd und sollte vermieden werden. Genau darum geht es. Das Ideal, das Reiter anstreben sollten, ist ein Sitz in Kontakt (Connection) mit dem Pferd. Wenn der Reiter im Gleichgewicht ist, kann er den Kontakt herstellen.
Welche Rolle spielen dabei die inneren Bilder?
Sich beim Reiten Bilder vorzustellen, hilft dem Körper, sich leichter zu verändern. Metaphern bewirken feine, aber effektive Reaktionen im muskulären System.
Welche Veränderung können Reiter durch das Connected Riding spüren?
Reiter erleben, wie sie die Bewegung ihres Pferds durch eine elastische Verbindung beeinflussen können. Zudem wird die pressende, drückende und energieraubende Hilfengebung aufgelöst.
Sie unterrichten diese Art des Reitens. Was hat Sie selbst überzeugt?
Beim ersten Deutschland-Besuch von Peggy Cummings begeisterten mich die Veränderungen an Pferd und Reiter durch ihre Arbeit. Faszinierend ist, wie man durch sanfte Bewegungen im Körper die Losgelassenheit des Pferds fördern kann. Als Schülerin von Philippe Karl bilde ich entsprechend der Légerèté aus. Mir sind ein zügelunabhängiger Sitz und eine fein einwirkende Hand besonders wichtig.
Kontakt & Kurs-Termine:
Irene Boss
Hauptstraße 30
56244 Kuhnhöfen (Nähe Montabaur)
Fon: 02666–912022
Mobil: 0179–518183















