Pferde am Langzügel ausbilden

Langzügel: Pferde am Boden arbeiten mit Saskia Gunzer
Pferde am Langzügel ausbilden

Zuletzt aktualisiert am 21.09.2016
CAV Saskia Gunzer Dressur Langzügel
Foto: Rädlein

Ausbilderin Saskia Gunzer macht viele Meter zu Fuß und bildet ihre Pferde trotzdem bis zu höchsten Lektionen aus. Die meiste Zeit reitet sie nicht, sondern marschiert hinterm Pferd her. Ihr Araber-Wallach Dimitri galoppiert am Langen Zügel, springt kerzengerade Einerwechsel und dreht zur Galopp-Pirouette, als gäbe es nichts Leichteres.

Die Ausbilderin schreitet nebenher. Saskia Gunzer bildet Pferde an der Hand, in der Dressur, in Zirkuslektionen und vor allem am Langen Zügel aus. Zur Arbeit am Langen Zügel kam sie aus der Not heraus. Inzwischen beherrscht sie diese so gut, dass sie damit selbst schwierige Kandidaten zur Mitarbeit motiviert. Dabei hat sie sich das zum größten Teil selbst beigebracht.

Saskia Gunzer entdeckte diese Dressurarbeit, die vor allem in der klassisch-barocken Reitszene zu Hause ist, durch ihren Araber-Wallach Dimitri. Sie übernahm den Schimmel als schwieriges und ungestümes Pferd vor vielen Jahren. Er hatte mit vier Jahren schon vier Vorbesitzer, war gerade gelegt worden und erst angeritten. Sie bildete ihn unterm Sattel bis L-Niveau aus. Dann ging plötzlich nichts mehr. Dimitri musste für längere Zeit pausieren.

"Er hatte nach einem Wanderritt Satteldruck, obwohl der Sattel neu angepasst war", erzählt die 46-Jährige. Dimitri konnte nicht geritten werden. Weil Saskia Gunzer den Wallach im Training halten wollte, experimentierte sie zum ersten Mal mit der Arbeit am Langen Zügel. Das war vor 15 Jahren. Das passende Equipment fand Saskia Gunzer damals nirgendwo im Handel. Also basteltete sie sich selbst einen Langen Zügel – aus einer Schleppleine für Hunde. "Diese war weder zu dick noch zu dünn und weder zu schwer noch zu leicht", sagt sie. Weiteres Handicap: Es gab kaum Literatur zur Arbeit am Langen Zügel, so dass sie die ersten richtigen Schritte selbst ausprobieren musste. Die Lücke ist inzwischen geschlossen: Im vergangenen Jahr hat Saskia Gunzer das Buch "Am Langen Zügel" veröffentlicht (Wu Wei Verlag).

Langzügel nur bei braven Pferden anwenden

Ausbilderin Saskia Gunzer lag es schon immer, sich Dinge in der Pferde-Ausbildung auf eigene Faust zu erarbeiten. "Ich wusste, wie es aussehen musste, und merkte schnell, was Sinn ergibt und was nicht", sagt Gunzer. Sie kannte die Langzügelarbeit eigentlich nur von der Spanischen Hofreitschule in Wien. "Hier lernen die Pferde aber erst am Langen Zügel, wenn sie bis Grand Prix ausgebildet sind. Ich finde, dass man schwere Lektionen besser erst ohne Reitergewicht erarbeitet."

Ein braves Pferd ist extrem wichtig um mit dem Pferd am Langen Zügel zu arbeiten, gibt es Grundvoraussetzungen. Kennt das Pferd bereits die wichtigsten Stimmkommandos für den Gangartenwechsel von der Longe, haben Reiter und Pferd eine gute Basis für die Arbeit. Extrem wichtig ist ein braves Pferd. Weil der Reiter direkt hinter dem Pferd herläuft, darf es kein loses Hinterbein haben. "Pferde, die nach der Gerte oder gezielt nach dem Menschen treten, kommen nicht in Frage", sagt sie. Dann muss der Reiter zurück zur Arbeit an der Hand.

Wie Pferde auf die Gerte reagieren, kann man testen: "Stellen Sie sich auf Schulterhöhe, und touchieren Sie das Hinterbein des Pferds", sagt Saskia Gunzer. Das Pferd soll den Fuß anheben oder zucken, darf aber auf keinen Fall nach der Gerte treten. "Der Besitzer muss zumindest davon überzeugt sein, dass sein Pferd nicht ausschlägt", sagt die Ausbilderin. "Aber er darf sich nie 100prozentig darauf verlassen. Sonst verliert man den gesunden Respekt." Sie hat mittlerweile so viel Erfahrung, dass sie in Kursen zur Langzügel-Arbeit und bei neuen Schülern schnell ausloten kann, ob die Arbeit am Langen Zügel in Frage kommt.

Die Gangveranlagung spielt ebenfalls eine Rolle, wenn das Pferd am Langen Zügel gehen soll. "Je großrahmiger die Gänge und je größer das Tier, desto mehr muss sich das Pferd bereits versammeln können", sagt Saskia Gunzer. Bei einem gangewaltigen Warmblut hat der Reiter Mühe hinterher zu kommen. Dadurch kommt er leicht ins Ziehen und behindert die Gänge des Pferds. "Auf die Dauer macht
man sie sogar kaputt", sagt Gunzer. Bei einem Shetty hat man weniger Mühe und kann schon auf einem sehr viel niedrigeren Ausbildungsniveau mit der Arbeit am Langen Zügel starten.

CAV Saskia Gunzer Dressur Langzügel
Rädlein

Langzügel-Arbeit für ältere Pferde

Das Dressurtraining am Langen Zügel ist vor allem ideal für Pferde, die zu klein zum Reiten sind, oder die aus gesundheitlichen Gründen keinen Reiter tragen sollen, aber trotzdem noch gearbeitet werden können. Fürs Pferd ist die Arbeit am Langen Zügel eine Herausforderung. Sie ist körperlich anstrengend und bei den ersten Versuchen total unspektakulär. "In der ersten Trainingseinheit hat man schon viel erreicht, wenn man eine Runde im Schritt harmonisch durch die ganze Bahn läuft", sagt die Ausbilderin Saskia Gunzer. Es erfordert sehr viel Durchhaltevermögen, sich die Arbeit am Langen Zügel anzueignen.

"Anfangs müssen Sie vier bis fünf Mal pro Woche üben", sagt Saskia Gunzer. "Aber irgendwann macht das Training am Langen Zügel regelrecht süchtig." Mit Dimitri ging die Leidenschaft so weit, dass der Wallach heute im Alter von 22 Jahren ein riesiges Repertoire an schwierigen Lektionen meistert: Spanischen Schritt, Traversalen, Pirouetten und Piaffen. Als es bei den fliegenden Wechseln hakte, holte sich Saskia Gunzer Tipps vom renommierten Barock-Ausbilder Richard Hinrichs. Zudem besuchte Saskia Gunzer Kurse bei Andreas Hausberger, Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule in Wien.

Saskia Gunzer ist für alle Facetten der Reiterei offen. "Letztlich wollen alle Reiter das Gleiche: vom Pferd verstanden werden und locker über den Rücken arbeiten." Auch eine Sportreiterin, die auf der gleichen Reitanlage wie Saskia Gunzer trainiert und bei Turnieren bis Intermediaire startet, liefert ihr immer wieder neuen Input. "Der Austausch zwischen allen Reitweisen ist sehr wichtig, denn es gibt neue oder andere Ansätze, die bei Problemen weiterhelfen." Saskia Gunzer pflegte diese Einstellung schon immer.

CAV Saskia Gunzer Dressur Langzügel
Rädlein

Pferde mit dem Langen Zügel motivieren

Saskia Gunzer hatte bis auf eine kurze Auszeit ihr ganzes Leben mit Pferden zu tun. "Pferd" gehörte zu den ersten Worten, die sie sprechen konnte. Die Verwandschaft des Vaters hatte Pferde, der Onkel war in der klassischen Reitszene unterwegs und hatte Verbindungen nach Wien. Im Alter von 10 Jahren bekam sie ihr erstes eigenes Pony. Das spannte sie vor den Schlitten oder spielte Cowboy und Indianer. Ihre Tante schenkte ihr später ein selbstgezogenes Hannoveraner-Fohlen, das Gunzer einritt.

Mit der Ausbildung als Flugbegleiterin rückte der Beruf fünf Jahre lang in den Fokus, sie trennte sich von ihrem Pferd. Gunzer flog Kurz- und Mittelstrecken, ihre Dienstpläne waren mit dem Reitsport schwer vereinbar. Doch sie stieg wieder in den Sattel. Zuerst kam Dimitri und einige Jahre später folgte Mescalino. Der Reitpony-Hengst war eine noch härtere Nuss als Dimitri. "Er startete jahrelang unter verschiedenen Reitern im Dressursport und war müde", sagt Saskia Gunzer.

"Seine Motivation war komplett weg." Der damals 13-Jährige lief keinen Schritt mehr vorwärts. Er wirkte abwesend, seine Augen waren leer, und er konnte nichts mit Lob anfangen. Koppelgang kannte er nicht. "Er stand gelangweilt rum und wusste nichts mit seiner Freiheit anzufangen", erzählt Gunzer. Kein Pferd zuvor stellte die Ausbilderin auf eine so harte Probe. "Ich suchte für ihn eine Box mit Paddock, damit er viele Reize bekam", sagt Saskia Gunzer.

Und sie überlegte, wie sie ihm Lob erklären könne, um überhaupt mit ihm zu kommunzieren. Mescalino reagierte einfach auf gar nichts. Gunzer arbeitete letztlich mit Futter. "Darüber bekommt man leichter einen Zugang zu sehr introvertierten Tieren." Es dauerte Wochen, bis der Hengst das Loben verstand. Dann brachte Saskia Gunzer ihm Zirkuslektionen bei. Zwischendurch dachte sie nicht nur ein Mal darüber nach, Mescalino aufzugeben. Doch sie gab ihm wieder und wieder eine Chance.

"Man muss bei solchen Problemen die Anforderungen komplett runterschrauben", sagt Gunzer. Jeden kleinen Blitz in seinen Augen sah sie als Fortschritt. Heute, drei Jahre später, kann sie stolz sein, was sie mit dem Reitpony erreicht hat. Mescalino schaut wieder schelmisch und interessiert in die Welt und hat Spaß an Zirkuslektionen gefunden. Nach und nach arbeitet er auch an der Hand, am Langen Zügel und unterm Sattel mit. Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Starten Sie doch auch die ersten Schritte hinter Ihrem Pferd am Langen Zügel. Vermutlich sind auch Sie und Ihr Pferd bald süchtig danach.

CAV Saskia Gunzer Dressur Langzügel
Rädlein