Standpunkt Dressur: Rollkur-Debatte um Totilas
Totilas öffnet uns die Augen

Publikumswirksame Show statt Reiten als Kunst: Totilas siegt wieder. Wie der Rappe zur Räson gebracht wurde, hat nichts mit Reitkunst zu tun. Es ist eine Entgleisung. Ausbilder Fritz Stahlecker äußert seine Gedanken zum Dressur-Star Totilas.

CAV Standpunkt Totilas - Fritz Stahlecker
Foto: privat

Wunderpferd Totilas ist in aller Munde, selbst außerhalb der Dressurszene. Mit olympischem Gold im Visier wurde er zum Werbeträger. Seine Story bewegt die Gemüter.

Der Hengst verdient die Beachtung. Die Zucht hat ein Wunderpferd hervorgebracht, auf das sie stolz sein kann. Der Rummel hat sein Gutes: Totilas bringt uns zum Denken. Wir erkennen die naturwidrige Entgleisung der gehobenen Dressurszene. Hinter der Bewunderung steht ein immer größer werdendes Fragezeichen. Manche Außenstehende sind abgestoßen. Sie wollen das auf Abreiteplätzen Gebotene nicht länger mit ansehen.

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Ein Musiklehrer fragte mich, weshalb man ein Pferd vor der Prüfung verunstalten müsse. Er verlange von seinen Schülern ja auch keine Misstöne vor dem Auftritt und mutmaßte, dass auch beim Reiten für Weg und Ziel das Gleiche gilt. Wie recht hat er, genau da liegt der Hund begraben.

Mit Totilas wurde eine einst sehr umstrittene Methode in der Pferdeausbildung hoffähig. Die Einsprüche haben sich, beeindruckt durch die holländischen Erfolge, abgeschwächt. Hyperflexion wird links und rechts praktiziert. Sie ist das Kennzeichen der Entgleisung. Die Verunsicherung ist allgemein, Funktionäre und Richter eingeschlossen.

Ob der olympische Traum sich erfüllt? Dem fehlgeleiteten, aber sympathischen Reiter wäre es zu gönnen. Der guten Sache würde es jedoch ernsthaft schaden!

Der noble Hengst streikte gegen die ihm auferlegte Reitweise. Er wurde unter Anwendung der Rollkur wieder zurechtgebogen. Wenn er nicht wieder streikt und in London gewinnt, war die Rollkur die Rettung. Das naturwidrige Beispiel würde noch mehr Schule machen. Der Streik war für viele ein Signal. Sagte uns doch der prächtige Rappe ganz unmissverständlich: Nein, so nicht! Er lehrt uns, dass Reitkunst nur sein kann, was wir vom Pferd freiwillig erhalten.

Video: Dressurhengst Totilas unter Matthias Rath beim Abreiten in Hagen

Widersprüchlicher hätte das Comeback von Dressurhengst Totilas nicht sein können: Seine Leistungen im Viereck wurden mit Höchstnoten bedacht. Aber die Reitweise von Matthias Rath wurde scharf kritisiert – auch vom Bundestrainer. Schon während des Turniers "Horses & Dreams" in Hagen soll Dressur-Bundestrainer Jonny Hilberath das Abreiten von Matthias Rath scharf kritisiert haben. Das Video zeigt einen Ausschnitt der Abreitephase.

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Totilas im Zugzwang

Schon wegen der hässlichen Bilder, die uns die Rollkur bietet, ist diese als Vorbereitung der klassischen Lektionen abzulehnen. Totilas öffnet uns die Augen: Um zur Reitkunst zu kommen, darf man sie nicht zuvor mit Füßen treten. Es darf nicht sein, dass wir das Pferd zuerst zur geknechteten Karikatur erniedrigen, um es dann als Kunstwerk zu präsentieren! Das Pferd als Medium der Kunst gebietet es, dicht an der Natur zu bleiben. Es gilt, mehrere Komponenten der Bewegung zu einem stimmigen Ganzen zu vereinen. Die einseitige Hervorhebung und Steigerung nur einer Komponente führt in die Verfälschung.

Der große Gang macht ein Pferd nur dann ästhetisch schön, wenn alles, was dazu gehört, dabei ist. Es müssen alle Komponenten übereinstimmen. Dies gilt für alle Gangarten. Um zu verstehen, um was es geht, genügt die Betrachtung des starken Trabs. Zu diesem gehören als stimmige Kriterien die folgenden Komponenten:

• Die eindeutige, horizontale Streckung des Pferds – Rahmenerweiterung. Sie kann nicht genug betont sein.
• Das schwungvolle Vorwärts, der Raumgewinn.
• Die Leichtigkeit der Anlehnung.
• Beide Beinpaare geometrisch und rhythmisch im Einklang.

Totilas beeindruckt in der Trabverstärkung durch sein enormes Vermögen. Es fehlen aber alle oben aufgezählten Kriterien.

Bis heute boten seine Reiter publikumswirksame Show, aber nicht Reiten als Kunst.

Gegenseitiger Respekt stehe über allem. Hut ab vor der Leistung. Vor der des Ausbilders und des Reiters, der alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Beide – Ausbilder und Reiter – müssen sich aber sagen lassen, dass sie im Dienst echter Kunst ungleich mehr Gültigkeit erreicht hätten. Es fehlt das Wichtigste, es fehlt die Ausrichtung nach der Pferdenatur!

Video: Dressurhengst Totilas unter Matthias Rath beim Abreiten in Hagen

Widersprüchlicher hätte das Comeback von Dressurhengst Totilas nicht sein können: Seine Leistungen im Viereck wurden mit Höchstnoten bedacht. Aber die Reitweise von Matthias Rath wurde scharf kritisiert – auch vom Bundestrainer. Schon während des Turniers "Horses & Dreams" in Hagen soll Dressur-Bundestrainer Jonny Hilberath das Abreiten von Matthias Rath scharf kritisiert haben. Das Video zeigt einen Ausschnitt der Abreitephase.

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Totilas unter den Alten Meistern

Stellen wir uns Totilas unter Otto Lörke vor. Das Bild wäre anders. Der Hengst würde so gehen, wie ihn der Herrgott geschaffen hat. Otto Lörke passt als bestes Vorbild in unsere Situation. Bei Otto Lörke galt die Versammlung als Voraussetzung für den starken Trab. So wie es sein soll: Haltung und Bewegung im Einklang. Die Vertikale soll betont sein. Das Genick des Pferds bildet den höchsten Punkt. Die Stirnlinie vor der Senkrechten. Ich habe alle Bilder von Lörke, die mir zugänglich waren, durchgesehen. Einen engen Hals, ein überzäumtes Pferd gab es bei Lörke nicht entfernt.

Später entlädt sich die Versammlung fließend ins freie Vorwärts. Gang und Haltung des Pferds sagen das Gleiche, sie sind nach vorn ausgerichtet. Bei manchen der bekannten Lörke-Bilder hängen die Zügel dabei sichtbar durch. Auch so fühlt und versteht jedes fein ausgebildete Pferd die Hand seines Reiters.

Kavallerie-Offiziere haben Lörke die durchhängenden Zügel vorgeworfen. Er hat darüber nur gelächelt und blieb dabei. Zu recht. So ist Anlehnung kunst- und pferdegerecht! Ein straff“ gerade gezogener Zügel belastet die Zungenränder mit Kilogewichten. Lörke muss gefühlt haben, dass unsere Kandaren für viele Pferde zu scharf sind. Daher die vorsichtige Hand. Ich habe kein Lörke-Bild mit straffen Zügeln gefunden.

Es gibt noch eine andere Unterscheidung gegenüber Lörke. Sie ist für die Hyperflexion wesentlich. Deren Anhänger reiten mit extrem durchfallenden Kandaren. Sie wenden eine krasse Einstellung an, die es zuvor nicht gab. Die Kandare erhält dadurch eine andere Funktion.

Bezogen auf die Maulspalte beträgt der Winkel zwischen Kandarenunterbaum und Maulspalte bei Lörke etwa 45 Grad. Die Holländer haben ihn beträchtlich auf 60 bis 80 Grad vergrößert. Die Vorstellung, dass die dabei lang eingestellte Kinnkette die Kandare sanft mache, ist falsch. Die drastisch veränderte Geometrie bewirkt genau das Gegenteil. Sie macht die Kandare scharf.

Zwischen Laden und Stange werden die Zungenränder mit hohem Druck eingeklemmt. Die Kandare wird zum absoluten Machtmittel. Auch unsere Reiter folgen dem holländischen Beispiel und vergrößern den Winkel mehr und mehr – sicherlich ohne zu wissen, was dies im Pferdemaul bedeutet.

Ein in seiner Ausbildung noch nicht ganz ausgereiftes Pferd ist in seiner Haltung weniger erhaben, aber ganz und gar stimmig. So soll ein Pferd in einer Prüfung der Klasse L gehen. Der Leser frage sich, ob es solche Bilder heute gibt. Sie sind leider selten. So zu reiten, erfordert anderes Denken. In dieser Silhouette könnte das Pferd ohne Erschöpfung eine längere Strecke traben. Man fühlt es. Die Natur hat dem Pferd den Trab gegeben, um kräftesparend von einer Weide zur nächsten zu gelangen.

Otto Lörke ist ein gutes Vorbild. Es gibt bei uns zahlreiche Persönlichkeiten, die sich gegen die holländische Reitweise aussprechen und sich für klassisches Reiten einsetzen. Wir dürfen sie nicht allein lassen. Es gilt, sie in ihrer Überzeugungsarbeit zu unterstützen.

Video: Dressurhengst Totilas unter Matthias Rath beim Abreiten in Hagen

Widersprüchlicher hätte das Comeback von Dressurhengst Totilas nicht sein können: Seine Leistungen im Viereck wurden mit Höchstnoten bedacht. Aber die Reitweise von Matthias Rath wurde scharf kritisiert – auch vom Bundestrainer. Schon während des Turniers "Horses & Dreams" in Hagen soll Dressur-Bundestrainer Jonny Hilberath das Abreiten von Matthias Rath scharf kritisiert haben. Das Video zeigt einen Ausschnitt der Abreitephase.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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