Der CAVALLO-Reitschultest
Drei Reitschulen auf der schwäbischen Alb im Test

Bei sommerlichen Temperaturen schwitzte Miriam Kreutzer mit Tropic, dann ging es auf einem Tinker bunt zu. Und schließlich saß sie mit Bändele auf einem ehemaligen Durchgänger.

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Foto: CAVALLO

Reitschule 1: Hof Plenkitten im Test

Es ist ein heißer Sommertag, an dem ich zur Reitstunde auf den Hof Plenkitten fahre. Obwohl man sagt, dass es auf der Schwäbischen Alb immer „einen Kittelkälterist“, brennt der Planet bei über 30 Grad. Schon deshalb haben wir uns für den Unterricht am Abend verabredet.

„Da ist der Reitplatz größtenteils im Schatten“, sagt Hof-Chefin Annette Tschmarke. Ihr Reitsport-Angebot ist groß und umfasst Reiterferien, Ausritte, Geländetraining und Wellness-Reitstunden für Erwachsene. Ich habe heute eine Dressurstunde gebucht und bin gespannt, ob bei dem breiten Angebot auch guter Unterricht stattfindet.

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Der Großteil der Pferde steht in einem der Offenställe.

Doch bevor es richtig losgeht, informiert sich Annette Tschmarke, Trainerin C, genau über meine Vorkenntnisse. Dabei stellt sie mir jedes der fünf Schulpferde mit seinem Charakter und Können vor. „Tropic könnte passen“, sagt sie und holt den 22-jährigen Warmblut-Wallach aus der Box.

Während die Reitlehrerin von Tropic erzählt, darf ich ihn schon mal putzen. „Er hat wegen einer Arthrose eine gewisse Einlaufzeit, ist dann aber toll zu reiten“, sagt Annette Tschmarke. „Leider hat er auf der linken Seite sein Augenlicht verloren.“ Tropic hatte eine Augenentzündung und die Ärzte konnten das Auge nicht retten, erzählt sie. Es beeinträchtige ihn kaum. „Wenn man von der linken Seite kommt, sollte man ihn kurz ansprechen und sich bemerkbar machen.“

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Tropic wohnt in einer Innenbox mit Außenfenster.

Tropic ist im Umgang ein Schatz: Er genießt das Putzen mit halb geschlossenen Augen und hebt brav alle Hufe zum Auskratzen. Seine Barhufe sind gepflegt. Leider hat er einen leichten Sattelzwang und droht, als ich ihn sattle. Dann geht es zum Reitplatz, der etwas größer als Standardmaß ist. Eine Reithalle gibt es auf dem ehemaligen Bauernhof nicht.

Aufrechte Schultern: Ich soll ihn auf großen Zirkel und in Schlangenlinien reiten. Runde um Runde bekomme ich eine weichere Anlehnung in der Hand. „Dein Sitz gefällt mir gut, allein der Oberkörper und die Schultern dürften aufrechter sein“, lobt die Reitlehrerin, die mich hiermit als typischen Schreibtischtäter entlarvt hat. „Aufrichten und dabei lächeln“, lautet ihr Tipp. Ich merke, wie ich größer werde.

Dann darf ich angaloppieren. Tropic hat einen wunderbaren Schaukelgalopp, der sich leicht sitzen lässt. Ich mag gar nicht mehr durchparieren, so gut fühlt sich das an … Doch Trab-Galopp-Übergänge sind jetzt unser Thema. Tropic hebt sich heraus und springt auf meine Hilfen erst verzögert an. Aber von Mal zu Mal gelingt es mir besser, ihn punktgenau anzugaloppieren. Nach 45 Minuten endet meine Stunde, die 25 Euro kostete. Ich darf noch um den Hof trockenreiten.

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Soweit das Auge reicht: Zum Hof gehören 25 Hektar Weiden.

Keine Frage: Annette Tschmarke hat heute alle vier Hufeisen verdient. Sie passte den Unterricht meinem Können an und forderte mich, ohne mich zu überfordern. Tropic bekommt leichten Abzug, weil er beim Satteln droht: Drei Hufeisen für den Wallach.

Tropic lebt wie die anderen vier Schulpferde in einer Innenbox mit Außenfenster. Die meisten Pferde, etwa 30, leben draußen im Offenstall. Weil es so heiß ist, sind die Pferde tagsüber im Stall und nachts draußen, sonst ist es umgekehrt. Tropic ist gut genährt, sein Sattelzeug passt gut und ich gebe drei Hufeisen für Pflege und Haltung.

Nach der langen Trockenheit staubt der Sandplatz und müsste gewässert werden. Eine Reithalle gibt es nicht. Ich gebe dem Betrieb drei Hufeisen. Tropic darf nach einer Abkühlung am Waschplatz auf die Weide. Auf eine Dusche freue ich mich jetzt auch.

Kontakt:

Hof Plenkitten
Kapellenstr. 2
89601 Schelklingen-Ingstetten
Telefon: 07384 / 9 51 23
www.hof-plenkitten.de

Bewertung:

Schulpferd: drei von vier Hufeisen
Reitlehrer: vier von vier Hufeisen
Reitbetrieb: drei von vier Hufeisen
Pflege & Haltung: drei von vier Hufeisen

Reitschule 2: Little Cowhorse im Test

Rocky schrubbt sich genüsslich seinen Bauch und Po an den Kratzbürsten des Offenstalls. Seine Oberlippe zieht er dabei vor lauter Genuss ganz lang. Man sieht: Das tut ihm gut und das hat er sich auch wirklich verdient. Nach unserer Reitstunde auf der Little Cowhorse Ranch können wir beide zufrieden sein. Ich wollte herausfinden, wie gut Haltung und Unterricht auf dem Hof sind, der noch voll im Umbau steckt. Aber der Reihe nach:

Rocky lebt zusammen mit zwei anderen Tinkern im Offenstall, ein weiterer Tinker ist Berittpferd und wohnt in einem abgetrennten Bereich. „Wenn unser Umbau fertig ist, werden noch Pensionspferde einziehen können“, erzählt Sandra Schilling, die den ehemaligen Bauernhof erst vor rund einem Jahr zusammen mit ihrem Mann gekauft hat. I

hr Betrieb und der Unterricht laufen im Moment nebenberuflich, sie arbeitet Vollzeit als Kauffrau in einem Büro. Sandra Schilling, die sich nur mit Sandy vorstellt, kommt vom Westernreiten, landete aber nicht bei den Quarter Horses, sondern bei den Tinkern. „Die sind irgendwie robuster“, findet sie.

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Wellness nach dem Reiten: Rocky schrubbt sich genüsslich den Hintern.

Die irischen Ponys mit den Puschelfüßen sind in vielen Reitschulen beliebt. Rocky, der heute mein Schulpferd sein wird, ist ein schwerer Vertreter seiner Rasse. Bevor ich aufsteigen darf, soll ich ihn ein paar Runden führen.

Die Trainerin C lässt mich viel selbst machen. Ich soll Zirkel reiten und schauen, wie gut die Lenkung funktioniert. Rocky folgt meinem Gewicht und ist gemütlich unterwegs. Er legt aber zu, wenn ich ihn treibe. „Deine Hände sind zu unruhig“, kritisiert Sandra Schilling und erklärt, wie sie im Westernreiten die Nachgiebigkeit prüft: „Beide Hände stehen lassen, bis er nachgibt, dann ebenfalls nachgeben.“ Das klappt gut. „Sonst machst du nichts mit der Hand“, sagt sie.

Scheune statt Reithalle: Der Reitunterricht findet in einer ehemaligen Scheune statt, die ich auf 10 x 20 Meter schätze, einen Reitplatz gibt es nicht. Was mir etwas Angst macht, sind Pfeiler aus Metall, die an mehreren Stellen bis auf den Hufschlag ragen. Kommt ein Pferd zu weit nach außen, könnte der Reiter schmerzhaft hängenbleiben. „Bisher ist nichts passiert“, sagt Sandra Schilling, als ich sie darauf anspreche. Mir wäre es indes wohler, wenn sie dick abgepolstert wären.

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Als Reithalle dient eine ehemalige Scheune.

Ich darf antraben und weiter mit Rocky zirkeln und ganze Bahn reiten. „Ruhig an der langen Seite mal zulegen“, schlägt die Reitlehrerin vor. Sie verbessert nicht viel an meinem Sitz oder den Hilfen. Rocky reagiert fein, er ist gut ausgebildet. Zudem punktet der 14-Jährige mit seinem hohen Sitzkomfort. I

ch darf sogar einen Galopp probieren: Rocky springt zuverlässig an und gibt sich viel Mühe, auf dem engen Raum kostet der Galopp ohne Frage viel Kraft. Da ich mich als Umsteigerin vorgestellt hatte, die früher vor allem im Klassiksattel saß, hätte ich mir nochmal ausführlicher die Erklärung der Hilfen gewünscht, denn manchmal machen die Westernreiter doch Kleinigkeiten anders.

Sandra Schillings Reitunterricht ist solide, mir fehlten aber etwas tiefer gehende Hintergründe und Erklärungen während der 45-minütigen Reitstunde, die 35 Euro kostete. Da sie ihr Pferd selbst sehr gut ausgebildet hat, wäre da sicher mehr drin. Sandra Schilling hat sich bei Thomas Günther in Horsemanship und Freiheitsdressur weitergebildet sowie Kurse zu Equikinetic bei Michael Geitner absolviert. Ich gebe ihr zwei Hufeisen.

Rocky darf sich über die volle Hufeisenzahl freuen. Er ist nicht nur super zu reiten, sondern auch im Umgang ein richtiger Schatz. Er ist gelassen und zappelt nicht. Rocky hat passendes Sattelzeug. Seine Hufe sind am Testtag ausgefranst. „Morgen früh kommt der Schmied“, sagt Sandra Schilling.

Rocky wohnt mit den anderen Tinkern in einem Offenstall. Der hat nicht nur einen Unterstand, sondern auch den ehemaligen Kuhstall als Wetterschutz. Hier soll in Zukunft ein Paddocktrail für mehrere Pferde entstehen. Die Pferde haben rund um die Uhr Heu aus einer Raufe. Auch etwas Weideland gehört zum Hof dazu. Ich gebe drei Hufeisen für Pflege und Haltung.

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Die vier Pferde im Offenstall haben rund um die Uhr Heu.

Die Reitschule mit den gescheckten Pferden soll bewusst so klein und familiär bleiben, erzählt man mir. Mehr als die drei eigenen sollen es aber nicht werden. „Ich möchte mich mehr auf den Beritt konzentrieren“, erzählt Sandra Schilling. Der ehemalige Bauernhof ist eine Baustelle und dadurch wirkt es an vielen Ecken etwas unaufgeräumt. Die unfallträchtigen Pfeilerin der Reithalle mindern die Reitfreude, ebenso fehlt noch ein Reitplatz mit etwas größeren Maßen als die Reithalle. Der Betrieb bekommt zwei Hufeisen und es wäre sicher interessant, hier mal in ein, zwei Jahren wieder reinzuschauen.

Kontakt:

Little Cowhorse
Am Klaude 2
72525 Münsingen
Telefon: 0172 / 7 68 20 76
www.little-cowhorse.com

Bewertung:

Schulpferd: vier von vier Hufeisen
Reitlehrer: zwei von vier Hufeisen
Reitbetrieb: zwei von vier Hufeisen
Pflege & Haltung: drei von vier Hufeisen

Reitschule 3: Rai-Reiten Tulpenhof im Test

Diamond war früher ein gefährlicher Durchgänger. Der Traber, ein ehemaliges Rennpferd, schaltete beim Ausritt stets auf Fluchtmodus. Iris und Klaus Fink hatten damals, Mitte der 90er-Jahre, noch wenig Ahnung von Pferden und wollten vor allem gemütlich ausreiten.

Dann sahen sie eine Vorführung von Fred Rai, der in jener Zeit mit dem Rai-Reiten, einer eigenen, gebisslosen Impuls-Reitweise, bekannt wurde. Sie waren fasziniert, besuchten Kurse, später ließen sie sich als Rai-Trainerausbilden. Auf dem Tulpenhof unterrichten sie diese Art zu reiten. Ich möchte wissen, wie das genau funktioniert.

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Schulpferd Diamond ist 28 Jahre alt und war früher ein Durchgänger.

Diamond lebt immer noch auf dem Tulpenhof, geht nicht mehr durch und ist mittlerweile stolze 28 Jahre alt. Heute ist er mein Schulpferd und ich bin gespannt, wie groß die Umstellung vom klassischen Reiten zum Rai-Reiten ist. Bei dieser Methode geht es nicht nur ums Reiten, erfahre ich, sondern auch darum, im Umgang und am Boden zum Leittier fürs Pferd zu werden. „Bevor wir aufsitzen, soll das Pferd seitlich nachgeben, das unterbindet den Fluchtreflex“, erklärt Klaus Fink.

Mich erinnert das ein wenig an Horsemanship-Philosophien. Das Pferd lernt nachzugeben und wird zusätzlich auf das Kommando „Hohoooo“ konditioniert. Nach jedem „Hohoooo“ gibt es ein Leckerli, damit das Wort positiv besetzt ist. „In einer brenzligen Situation kann man es nutzen, um das Pferd zu beruhigen“, sagt Iris Fink.

Diamond wirkt entspannt und ich darf ihn für die Reitstunde putzen und satteln. Iris Fink, die heute unterrichtet, begleitet mich dabei. Sie ist schlecht zu Fuß und bewegt sich mit einem Gehwagen fort. „Der Rücken und die Knie wollen nicht mehr“, sagt sie.

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Extra für die Stunde gewässert: Die Reitscheune ist etwa 10 x 20 Meter groß.

Bändle statt Zaumzeug: Eine weitere Besonderheit beim Rai-Reiten ist das „Bändele“, ein gebissloser Zaum an einem Stück aus Nylon, das ähnlich wie ein Bosal auf die Nase wirkt. „Wir reiten quasi nur über Gewicht und Schenkel“, erklärt Iris Fink. Ich bin gespannt, wie sich der ehemalige Durchgänger damit reiten lässt.

Da es am Testtag sehr heiß ist, bleiben wir in der etwa 10 mal 20 Meter engen, aber kühlen Reithalle. Dort darf ich das Lenken à la Rai üben: Erstmal nur den Körper drehen, nur wenn nötig die Schenkel einsetzen. Hilfen darf ich nur impulsartig geben. Zum Anreiten soll ich die Beine kurz nach hinten nehmen, zum Anhalten das Gewicht aus den Bügeln nehmen, zum Rückwärts etwas nach vorne lehnen.

Diamond reagiert zuverlässig und ich kann ihn leicht durch die Halle lenken. Wie manche Traber geht er Pass. Das fühlt sich für mich sehr ungewohnt an. Ich bin etwas skeptisch, ob man die Pferde mit so losem Zügel ohne Kontakt gymnastizieren kann und hake nach. „Durch die vielen Volten, die wir reiten, gymnastizieren wir die Pferde schon“, sagt Iris Fink.

Das darf ich dann selbst ausprobieren. Diamond lässt sich ohne Probleme in Volten reiten, eine korrekte Biegung nach klassischer Auffassung kann ich aber nicht erkennen. Entweder bricht er im Hals ab oder geht in Außenstellung. Auch im Trab geht er nach klassischen Grundsätzen zu wenig über den Rücken. Trotzdem ist Diamond für sein Alter erstaunlich fit.

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Der Reitplatz ist größer als die Halle. Dahinter liegt eine der Weiden.

Iris Fink vermittelt die Rai-Philosophie gut und ich kann alles umsetzen, was sie fordert. Für ihre gute Reitstunde, die 30 Minuten dauerte, habe ich 20 Euro bezahlt. Ich gebe ihr drei Hufeisen. Eine Zehnerkarte gibt es für 170 Euro. Drei Hufeisen verdient sich Diamond, der mir ein guter Lehrer war. Da er in Sachen Gymnastik Defizite hat, ziehe ich ein Hufeisen ab.

Diamond wohnt in einer sehr großen Box mit Paddock. Einige der 20 Pferde, von denen etwa acht Schulpferde sind, sind in Innenboxen oder in einem Offenstall untergebracht. „Wenn die Genehmigung durch ist, sollen alle Pferde Paddocks bekommen“, sagt Iris Fink. Am Testtag ist es bereits Mittag und noch keine Box gemistet. „Weil es so heiß ist, können die Pferde nicht raus“, sagt Iris Fink. Diamond hat gepflegte, beschlagene Hufe und passendes Sattelzeug. Ich gebe zweieinhalb Hufeisen für Pflege und Haltung.

Der Betrieb hat neben der kleinen Scheunen-Reithalle einen Reitplatz mit Standardmaßen, der am Testtag etwas staubt. Neben den Reitstunden finden geführte Ausritte, Geländekurse oder Seminare für ängstliche Reiter statt. Wer hier regelmäßig reiten möchte, muss Mitglied in der Bundesvereinigung für Rai-Reiten werden. Ich gebe dem Betrieb zwei Hufeisen.

Mein Fazit: Für Diamond, den Durchgänger, war die Rai-Methode wohl wirklich ein guter Weg.

Kontakt:

Rai-Reiten Tulpenhof
Tulpenweg 6
72813 St. Johann-Upfingen
Telefon: 07122 / 82 02 62
www.rai-reiten-tulpenhof.de

Bewertung:

Schulpferd: drei von vier Hufeisen
Reitlehrer: drei von vier Hufeisen
Reitbetrieb: zwei von vier Hufeisen
Pflege & Haltung: zweieinhalb von vier Hufeisen

Die aktuelle Ausgabe
4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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