Augenentzündung beim Pferd: Diagnose & Therapie

Was tun bei Periodischer Augenentzündung?
Wiederkehrende Augenentzündung bei Pferden

Zuletzt aktualisiert am 08.06.2022
Medizin-Kompendium periodisch wiederkehrende Augenentzündung
Foto: Lisa Rädlein

Die Sehfähigkeit auf seinem linken Auge verlor Lucky, als er 17 Jahre alt war. Behandlungen und eine Operation halfen nicht. Ein Jahr später kam das rechte Auge hinzu; der Wallach erblindete vollständig. Wie gut sich Lucky im Alltag mit seinem Handicap zurecht findet, zeigt seine Besitzerin Deborah auf ihrem Instagram-Account "blindtrust_horses". Hinter Luckys verlorenem Sehvermögen steckt die Periodisch Wiederkehrende Augenentzündung.

Wissenswertes zur Krankheit

Die Periodische Augenentzündung ist eine wiederkehrend (rezidivierend) auftretende Entzündung des inneren Auges (Equine rezidivierende Uveitis, ERU). Entzünden kann sich die Aderhaut (Uvea), aber auch Hornhaut, Linse, Glaskörper oder Netzhaut. Weil die Krankheit in Intervallen auftritt, ähnlich dem Rhythmus des Mondes, entstand der Begriff "Mondblindheit" – auch, weil Pferde häufig in Folge der Erkrankung erblinden. Bekannt ist die Periodische Augenentzündung bereits seit über 2 000 Jahren.

Was verursacht die Augenentzündung?

Früher herrschte die Meinung vor, dass die ERU auf eine Infektion mit Leptospiren zurückzuführen ist, einer Bakterienart, die vor allem von Mäusen und Ratten mit dem Harn ausgeschieden wird und über die Schleimhäute in den Blutkreislauf von Pferden gelangen kann. Diese Annahme geht zurück auf Forschungen in den 1950er-Jahren: Damals entdeckten Tierärzte eher zufällig in erkrankten Augen einen höheren Antikörpertiter gegen Leptospiren als im Serum des Blutes. Dieser Befund wurde durch weitere Untersuchungen untermauert.

Mittlerweile hat sich der Forschungsstand jedoch geändert: "Man geht aktuell davon aus, dass die Ursache für die Equine rezidivierende Uveitis eine Autoimmunerkrankung ist", erklärt Pferdefachtierärztin und Augenspezialistin Dr. Silvia Stadler. Dabei greift das Immunsystem des Pferds körpereigene Strukturen an. Ausgelöst werden kann diese Überreaktion, wenn das Pferd beispielsweise mit Leptospiren, aber auch anderen Erregern wie Adeno-, Herpes-, Grippeviren oder Borrelien in Kontakt kommt. "Die Leptospiren gelten dabei weiterhin als Hauptauslöser der Autoimmunerkrankung, aber eben nicht mehr als Ursache", so Dr. Stadler.

Unterschieden werden drei Formen: Die "klassische" Form tritt am häufigsten auf. Typisch für sie sind wiederkehrende Entzündungsschübe. Seltener tritt die Form der hinteren Uveitis auf; sie läuft meist symptomlos im hinteren Teil des Auges ab und wird erst bemerkt, wenn es starke Trübungen im Glaskörper gibt oder sich die Netzhaut abgelöst hat. Die dritte Verlaufsform ist die Tigerschecken-Uveitis (siehe Abschnitt "Risikopatienten"). Hier trübt sich die Linse nach und nach ein.

Wie macht sich die Krankheit bemerkbar?

Symptome zeigt das Pferd meist nur in der klassischen Verlaufsform. Hier hat das Pferd im akuten Stadium Schmerzen, die sich etwa im Zusammenkneifen der Lider äußern. Das Auge tränt, das obere Lid kann geschwollen sein und sich wärmer anfühlen als auf der anderen Seite. Auch Binde- und Hornhaut können geschwollen sein, die Bindehaut ist zusätzlich gerötet. Die Pupille ist mitunter schlitzförmig verengt.

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Schuschkleb

"Bei systemischen Erkrankungen wie Borreliose oder Grippe können Fieber und Apathie möglich sein", so Dr. Stadler.

Ein Schub dauert mindestens zwei bis vier Wochen. "Der Höhepunkt liegt meist vor, wenn die Besitzer die Symptome erkennen" – meist später als früher. Bis zum nächsten Schub können Wochen, Monate oder Jahre vergehen. Zwischen den Schüben kann das Auge völlig normal aussehen; mitunter ist es von Schlieren getrübt. Die Pupille reagiert zudem langsamer auf Licht und Dunkelheit als bei gesunden Tieren. Bei Tigerschecken muss man von beidseitigen (bilateralen) Schüben ausgehen, aber das gilt nicht für jeden ERU-Patienten.

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Stadler

Durch die Entzündungen können sich Hornhaut (kalkige Degeneration), Linse (Katarakt) oder Glaskörper trüben. Iris oder Traubenkörner können mit der Linse verkleben (Synechien), in der Netzhaut entstehen Narben. Auch ein Glaukom kann sich entwickeln; mitunter schrumpft das Auge (Phthisis). Je nachdem, wie schwer und wie häufig die Schübe verlaufen, erblindet das Pferd mittel- bis langfristig an den Folgen.

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Stadler

Wie stellt der Tierarzt die Diagnose?

Um die Krankheit festzustellen, erfragt der Tierarzt die Krankengeschichte des Pferds (Anamnese) und untersucht das innere Auge. "Streng genommen kann man beim ersten Auftreten nur eine Entzündung des inneren Auges feststellen", erklärt Dr. Stadler. Von ERU könne man erst sprechen, wenn sich die Entzündung wiederhole. "In der Praxis geht man aber davon aus, dass es sich um eine Uveitis handelt, solange man nicht das Gegenteil bewiesen hat."

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Lisa Rädlein

Um festzustellen, ob eine Infektion mit Leptospiren vorliegt, wird dem Pferd unter Sedation und lokaler Anästhesie in der Klinik etwas Kammerwasser entnommen und im Labor auf Antikörper bzw. Antigene untersucht. Möglich ist auch ein Schnelltest, der der Tierarzt im Stall durchführen kann (Snap-Lepto). Im Rahmen einer Doktorarbeit wurde die Aussagefähigkeit des Schnelltests mit etablierten Untersuchungen verglichen. Ergebnis: Der Schnelltest ist mitunter zuverlässiger als andere Verfahren.

So behandeln Tierärzte die Augenentzündung

Beim ersten Auftreten der ERU gibt der Tierarzt Atropin-Augenmedikamente, um die Pupille weitzustellen. Bei Bedarf müssen diese mehrmals täglich verabreicht werden, ebenso wie entzündungshemmende Augensalben. Zusätzlich können entzündungs- und schmerzhemmende Medikamente nötig sein. Treten erneute Schübe auf, reicht diese Behandlung nicht mehr.

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"Wie man dann vorgeht, hängt von der Form der ERU ab", sagt Dr. Stadler. Sind Leptospiren involviert, ist eine Vitrektomie nötig. Dabei wird unter Vollnarkose der Glaskörper zerschnitten und die Flüssigkeit abgesaugt; so werden die Bakterien entfernt. Verschiedenen Studien zufolge trat in 82 bis 96 Prozent der behandelten Augen nach der Vitrektomie kein Rückfall mehr auf.

Während dieser OP könnte der Einsatz von Bemer-Decken positive Effekte haben. Zu diesem Schluss kam eine Untersuchung von Tierarzt Dr. Olivier Brandenberger an der Hanseklinik Sittensen. Dabei wurden Pferde während der Behandlung auf eine Therapiedecke gelegt, eine zweite über ihnen ausgebreitet. Der Erholungswert soll bei diesen Pferden signifikant höher sein als bei Tieren der Placebo-Gruppe.

Gibt es zwar Leptospiren, aber nur wenige Veränderungen im Auge, rät Dr. Stadler zu einer intravitrealen Gentamicin-Injektion. "Das ist eine alte Technik. Dabei wird das Antibiotikum in den Glaskörper injiziert; das kann die Leptospiren eliminieren." Bei Lepto-negativen Patienten ist ein Cyclosporin-Implantat sinnvoll. Das Implantat wird unter die Lederhaut eingesetzt, wo es meist über drei Jahre hinweg Medikamente abgibt, die Entzündungsschübe eindämmen.

In den USA forscht eine Gruppe von Tierärzten zudem gerade am Einsatz von Augentropfen auf Basis eines sogenannten SOCS-Peptids. Dieses intrazelluläre Protein limitiert die Aktivierung der Januskinase (Jak2), die wiederum für entzündliche Prozesse im Rahmen der ERU verantwortlich ist. In ersten Tests zeigte sich bereits, dass die Tropfen wirken. Forscher Dr. Joseph Larkin, Dr. Caryn Plummer und ihr Team untersuchten dies nun in einer Pilotstudie mit zehn Pferden genauer.

Alle Tiere zeigten nach einer sechswöchigen Behandlung eine deutliche Reduktion von Hyperämie (verstärkte Durchblutung eines Gewebes, bedingt durch eine Entzündung). Schmerzanzeichen gingen im selben Zeitraum nahezu komplett zurück. "Das wurde noch nicht publiziert, wir haben daher noch zu wenig Einblick in die Forschungsdaten", sagt Dr. Stadler. Aber: "Das ist auf jeden Fall ein Mittel für die Zukunft, die Behandlungsmethode hat Potenzial. Wir Tierärzte sind dankbar für Therapie-Optionen. Aber wir wissen auch, dass in vielen Fällen ein Medikament alleine nicht ausreicht, weil die Ursachen der ERU multifaktoriell sind."

Wie lässt sich vorbeugen?

Der Erkrankung lässt sich kaum vorbeugen, auch aufgrund des genetischen Hintergrunds (siehe Abschnitt "Risikopatienten"). Bekämpfen Sie Nagetiere im Stall, minimiert sich das Risiko, dass sich Pferde mit Leptospiren infizieren. Bei Auffälligkeiten am Auge sollten Sie immer den Tierarzt hinzuziehen.

Risikopatienten

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Zu den Risikokandidaten zählen vor allem Tigerschecken wie Appaloosas, Knabstrupper und andere Rassen mit entsprechender Fellzeichnung. "Das hat genetische Ursachen", erklärt Dr. Silvia Stadler, den sogenannten Leopard-Komplex. Labore wie Laboklin bieten entsprechende Untersuchungen darauf an: Damit lässt sich ermitteln, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das Pferd erkranken wird. Auch beim Warmblut gibt es genetische Faktoren für die Erkrankung, die allerdings noch inkomplett erforscht sind.

Die Expertin

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privat

Dr. Silvia Stadler ist Fachtierärztin für Pferde und Diplomate of American College of Veterinary Ophthalmology (DACVO). Von 2007 bis 2013 arbeitete sie an der Pferdeklinik Tillysburg, danach vier Jahre lang als Assistentin im Bereich Ophthalmologie an der Vetsuisse Zürich. 2017 bis 2021 war sie selbstständige Ophthalmologin in der Schweiz. 2022 gründete sie als neue Partnerin der Pferdeklinik Tillysburg eine Augenambulanz für Pferde und Kleintiere. www.equine-eye.vet