Das sagt die Futterexpertin zum Anweiden mit Grasschnitt
Die Praxis, Grasschnitt zu nutzen, um Pferde anzuweiden, kenne ich vor allem aus Großbetrieben oder von Ställen in Höhenlagen. Oft sind dort die Flächen zum Start in die Weidesaison noch nicht ausreichend trocken genug, um die Pferde aufs Grün zu lassen. Gegen Grasschnitt zum Anweiden ist auch nichts einzuwenden – wenn man das richtig macht. Dazu gehört vor allem, dass man das geschnittene Gras wirklich frisch und zeitnah verfüttert. Schon nach zwei Stunden fängt das Gras nämlich an, warm zu werden und zu gären – das kann zu Koliken führen. Zum Anweiden brauche ich zudem eine ausreichende Menge an Gras, damit sich der Pferdedarm daran gewöhnen kann. Literaturangaben gehen davon aus, dass ein 500 Kilo schweres Warmblut in 24 Stunden Weide rund 50 Kilo Gras frisst. Das heißt, es nimmt in der Stunde drei, vier Kilo Gras auf. Also sollte ich mit ein bis zwei Kilo Grasschnitt anfangen und die Menge nach und nach steigern; wie beim normalen Anweiden auch. Bei einer Menge von ungefähr vier Kilo pro Pferd ist der Vierbeiner auf eine Stunde angeweidet. Vermutlich lässt man die Pferde spätestens dann auf die Weide, weil man so viel Gras gar nicht mehr herbeischaffen kann, wie man brauchen würde. Klar ist auch: Das Gras sollte nicht zu kurz geschnitten sein. Rasenmäherschnitt geht gar nicht! In punkto Schnittzeitpunkt würde ich auch dazu raten, erst nach der Gräserblüte zu mähen, damit die Gräser aussamen können; sonst hat man nachher eine artenarme Wiese.

Constanze Röhm ist Pferdewissenschaftlerin und Futterberaterin. Über ihr Weiterbildungsinstitut TWI bietet sie unterschiedliche Kurse zur Pferdefütterung an. Mehr Infos unter twi.academy
Das sagt der Stallchef zum Füttern von frischem Grün
Wir haben bei uns im Stall insgesamt drei verschiedene Herden. Im Frühling, meist in der ersten Mai-Woche, weiden wir sie alle mit Grasschnitt an. Ich mähe das morgens immer ganz frisch; am Anfang sind es rund fünf Kubikmeter, die ich reinhole. Das reicht für die insgesamt rund 45 Pferde. Sie bekommen morgens zuerst Heu auf dem Futtertisch vorgelegt und am Anfang nur ein paar Gabeln Gras dazu. Die genaue Menge bemesse ich nach Gefühl. Nach und nach steigern wir die Grasportion; etwa nach zehn Tagen lassen wir die Pferde erstmals auf die Koppel. Je nach Aufwuchs sind die Pferde dann ein bis anderthalb Stunden draußen. Das Gras hole ich aber weiterhin morgens, für insgesamt sechs Wochen. Sobald die Koppelsaison eröffnet ist, bekommen die Pferde morgens nur noch Gras vorgelegt. Am Heu können sie sich weiter den ganzen Tag über bedienen; das ist über unsere Raufutterstationen gewährleistet. Auf diese Weise weiden wir seit Jahren an, weil auch nicht alle Pferdebesitzer täglich im Stall sind und wir so sicherstellen können, dass die Pferde wirklich ans Gras gewöhnt sind.

Andreas Schmid führt mit seiner Frau Sonja den Aktivstall Pferdevilla im baden-württembergischen Gechingen. Mehr Infos unter www.pferdevilla.de
Das sagt die Tierärztin zur Gras-Fütterung
Pferde mit Grasschnitt anweiden? Das kenne ich aus meiner Region hier zwischen Bremen und Hamburg nicht. Ich sehe bei diesem Vorgehen ehrlicherweise auch mehr Probleme als Nutzen. Das erste mögliche Problem ist die Schnitthöhe: Das Gras sollte mindestens 15, besser 20 Zentimeter hoch sein. Kürzere Halmlängen können zu einer Schlundverstopfung führen, weil die Pferde es schneller herunterschlingen als beim Grasen. Normalerweise weidet man Pferde aber im April und Mai an; da sind die Halme noch nicht so lang, wie sie für Grasschnitt sein sollten. Dazu kommt: Schnittgras kann nicht lange lagern, es gärt recht schnell; dann kann es zu Koliken oder Hufrehe führen. Die Belastung mit Keimen steigt ebenfalls, je länger das Gras liegt; das kennt man von gewässertem Heu, das auch zeitnah verfüttert werden muss. Außerdem wäre es besser, über den Tag verteilt mehrere Portionen zu geben. Das heißt, der Arbeitsaufwand ist relativ hoch. Dazu kommt, dass man ausreichend große Flächen haben muss, die man nicht für Weide oder Heugewinnung braucht. Ich tendiere daher eher dazu, Pferde für eine bestimmte Zeit auf eine abgesteckte Weide zu lassen; so mache ich das bei meinen Pferden auch.

Dr. Isabelle Martens ist Fachtierärztin für Pferde in der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Heeslingen und berät Pferdebesitzer zu Futterfragen. Mehr Infos unter www.tierarzt-heeslingen.de