Ein reines Gewissen wirkt an den Haaren herbeigezogen, wenn genau diese näher untersucht werden. Das merkte Fußballtrainer Christoph Daum vor 20 Jahren, als eine Haarprobe seinen Kokainkonsum nachwies.
Nun sind unsere Pferde nicht gerade als heimliche Drogenkonsumenten bekannt, trotzdem sollen ihre Schweif-, Mähnen- und Deckhaare einiges verraten: warum sie lahmen, ob sie ausreichend mit Mineralien versorgt sind, wie groß sie werden. Doch Stopp, bevor Sie zur Schere greifen: Sind solche Haar-Analysen wirklich fundiert – oder haarsträubender Unsinn?

DNA-Analysen: Was verrät der Code im Haar?
Pferdezüchter schicken die Haare ihrer Tiere häufiger ins Labor. Denn einige Zuchtverbände wie der Paint Horse Club Germany verlangen heutzutage ein sogenanntes DNA-Profil zur Registrierung oder Zuchtanmeldung. Alles, was man für so einen genetischen Fingerabdruck des Pferds braucht, ist eine Blutprobe oder zirka 20 Mähnen- oder Schweifhaare mit Haarwurzeln. Kosten: rund 40 Euro.
"In den Haarwurzeln befindet sich DNA", sagt Bärbel Gunreben vom Labor Laboklin (www.laboklin.com). Die DNA wird isoliert und daraus eine individuelle Zahlenformel erstellt – der genetische Fingerabdruck des Pferds. "So eine Analyse kann auch bei einer unsicheren Vaterschaft herangezogen werden", sagt Bärbel Gunreben. "Elternteile können bestätigt oder ausgeschlossen werden."
Aus der Haarwurzel-DNA lassen sich noch weitere wertvolle Informationen gewinnen: "Bereits vor der Paarung können wir anhand der DNA von Hengst und Stute die erblich bedingte Fellfarbe des Fohlens vorhersagen", sagt Bärbel Gunreben. Solche Tests sind vor allem bei Liebhabern von besonderen Fellfarben wie Champagner sehr begehrt. Die Kosten für solch einen Test liegen bei Laboklin bei knapp 60 Euro.
Auch Talent für Gangarten ist aus der DNA herauszulesen: Die Haare von Hengst und Stute können verraten, ob der Nachkomme den Traum-Tölt der Mutter haben wird. "Pferde mit dem DMRT3-Gen koordinieren ihre Beine etwas anders als Tiere, die ‚nur‘ Schritt, Trab und Galopp beherrschen. Sie können auch tölten und Rennpass gehen”, berichtet Dr. Melissa Cox, wissenschaftliche Leiterin der Generatio GmbH (www.centerforanimalgenetics.com).
Solch ein patentierter DNA-Test kostet bei Generatio rund 350 Euro. Die Gene prägen auch die Größe des Pferds. "Anhand der Haare von Hengst und Stute können wir zu 70 Prozent das Endstockmaß der Nachkommen vorhersagen", so Melissa Cox. Diesen Test gibt es für Warm- und Vollblüter. Kosten: rund 40 Euro.
Gen-Tests: Erbfehler frühzeitig erkennen
Neurologische Ausfallserscheinungen, lebensunfähige Fohlen und Muskelsteifheit können durch Erbkrankheiten wie cerebelläre Abiotrophie, WFFS oder PSSM ausgelöst werden. Träger von solchen Erbfehlern können dank haariger Gentests noch vor der Paarung identifiziert werden (ab 40 Euro bei Laboklin oder Generatio).
Mineral-Analyse: Hat das Pferd einen Mangel?
Eine Haarmineral-Analyse soll die Versorgung des Pferds mit Mineralien sowie Vergiftungen und Schadstoffbelastungen aufdecken. Die Preise reichen je nach Anbieter von rund 30 bis über 180 Euro.
Für 35 Euro können etwa Marstall-Kunden, die Futtermittel der Supreme-Linie kaufen, die Konzentration von Kupfer, Zink, Mangan und Selen im Deckhaar messen lassen. Marstall bezuschusst diese Untersuchung der Landwirtschaftlichen Kommunikations- und Servicegesellschaft (LKS) in Niederwiesa/Sachsen mit vier Euro.
Das Labor rät, Haare außerhalb der Fellwechselzeit analysieren zu lassen, da das nahezu abgestorbene Fell den Versorgungsstatus nicht mehr optimal abbildet.

"Die Haare werden zunächst gewaschen und entfettet. Dabei werden auch Rückstände von Glanzspray und Shampoo entfernt", erklärt Raina Wein, wissenschaftlich-technische Leiterin bei der LKS. "Dann wird die Probe mit Salpetersäure versetzt und anschließend die Konzentration der Spurenelemente mit einer sogenannten optischen Emmissionsspektrometrie bestimmt."
Das Ergebnis beurteilt Dr. Cornelia Rückert, Fachtierärztin für Tierernährung und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der LKS. Sie erstellt für den Pferdebesitzer einen Bericht mit Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise.
Infos über Versorgung mit Mineralien
Und was sagt das Ergebnis aus? "Mit der Analyse bekommen wir einen Eindruck über die längerfristige Versorgung des Pferds mit Mineralstoffen", sagt Sophia Riegger von Marstall. "Das ist beispielsweise nach einem Pferdekauf hilfreich, wo man nicht genau weiß, wie das Pferd zuvor gefüttert wurde."
Dem stimmt Prof. Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung an der Freien Universität in Berlin zu. "Für bestimmte Fragestellungen wie die längerfristige Versorgung mit Mineralien mag so eine Analyse interessant sein. Auch Vergiftungen mit Schwermetallen wie Arsen sowie Selen lassen sich damit nachweisen. Darüber hinaus ist die Aussagekraft von Haar-Analysen jedoch begrenzt."
In der Forschung gibt es noch Unsicherheiten etwa hinsichtlich des Mineraliengehalts unterschiedlicher Haarabschnitte. Auch fehlen einheitliche Normalwerte. "Referenzwerte für essenzielle Mineralstoffe wie Mangan oder Zink gibt es nicht. Und diese ergeben auch keinen Sinn, da sich die Einlagerung von Mineralstoffen im Haar mit Ausnahme einer Selenüberversorgung nicht mit der Fütterung deckt.
Hierzu haben wir eine Untersuchung gemacht und werden demnächst eine Studie veröffentlichen", berichtet Prof. Ingrid Vervuert vom Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig.
Darüber hinaus kommen unterschiedliche Labore auf unterschiedliche Werte, wie ein Test in CAVALLO 10/1998 zeigte. Noch dazu wurden bei Proben desselben Pferds im selben Labor unterschiedliche Werte gemessen. Diese Beobachtung bestätigt auch Prof. Ingrid Vervuert.
Bioresonanz: Ist das Pferd gesund?
Haarproben werden auch für Bioresonanz-Analysen verwendet. Die Pferdehaare sollen dem Bioresonanzgerät verraten, ob im Pferdekörper Störungen, Blockaden oder Ungleichgewichte vorliegen. Die Methode gehört zu den Naturheilverfahren und ist schulmedizinisch nicht anerkannt. Wissenschaftliche Belege dafür fehlen.
Therapeuten, die die Methode anbieten, benötigen zwischen zehn und vierzig Mähnen- oder Schweifhaare, die nah am Körper abgeschnitten werden. Manche verlangen dazu noch einen Bericht über Haltung oder Vorerkrankungen, andere Anbieter beziehen auch Futtermittelproben in ihre Analyse mit ein; je nach Anbieter variiert der Preis (Angebote ungefähr ab 110,- Euro).
Tierheilpraktikerin Julia Melanie Hahlweg aus Ditzingen (www.tierheilpraxis-fuer-pferde.de) ist grundsätzlich von der Bioresonanz-Analyse mit Pferdehaaren angetan. "Ich finde die Methode gut, biete sie aber nicht an, weil ich auf andere Diagnoseverfahren spezialisiert bin", sagt Hahlweg. "Wenn ein Kunde jedoch eine Bioresonanz bei einem guten Therapeuten gemacht hat, schaue ich gerne aufs Ergebnis. Hier stelle ich oft fest, dass meine Diagnose und das Ergebnis der Bioresonanz sehr ähnlich sind."
In mehreren CAVALLO-Tests konnte die naturheilkundliche Ferndiagnose allerdings nicht überzeugen. So unter anderem in Heft 7/2001: Damals ließ CAVALLO nicht nur die Haare eines Pferds analysieren, sondern auch die Haare von "Don" – einem Rosshaar-Besen. Das Ergebnis war haarsträubend: Obwohl zwei Haarproben vom selben Pferd stammten, kamen die Analysen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Und der Besen namens Don? Der litt unter "vielfältigen Störungen".
Fazit: Welchem Test kann man trauen?
Haarscharfe Analysen liefern auf jeden Fall Gen-Tests, die dafür Erbmaterial aus Pferdehaaren verwenden. Die Analysen werden nach standardisierten Verfahren vorgenommen. Darüber hinaus nehmen Labore wie Laboklin und Generatio an externen Leistungstests teil, um die Qualität ihrer Messergebnisse zu sichern.
Die Haarmineral-Analyse ist nach Meinung verschiedener Wissenschaftler hingegen noch nicht ausreichend erforscht. Hier fehlen sichere Standards; daher kann diese Methode momentan nur als Ergänzung zu bewährten Verfahren wie der Futteranalyse empfohlen werden. Das sieht auch Sophia Riegger von Marstall so: "An einer Begutachtung des Pferds, die wir auch per Video anbieten, und einer Fütterungsberatung mit Rationsberechnung führt nichts vorbei."
Und die Bioresonanz? Einige Fallbeispiele zeigen erstaunliche Ergebnisse. Doch Wissenschaftler raufen sich angesichts fehlender Belege die Haare.
Was Sie selbst analysieren können
Glänzt das Fell? Das Pferd braucht fürs Fell unter anderem Spurenelemente wie Kupfer und Zink, Fettsäuren sowie Proteine. "Sind diese Stoffe ausreichend vorhanden, glänzt das Fell – auch im Winter", sagt Futterberaterin Conny Röhm (futterberatung-roehm.de).
Welche Farbe hat das Fell? Fehlen Kupfer und Zink, wird das Fell heller. Ein Kupfermangel kann ebenso zu unpigmentierten Hautstellen führen.
Wie riechen die Haare? "Sie sollten angenehm beziehungsweise nach nichts riechen", erklärt Röhm.
Wie fühlt sich das Fell an? "Ein leichter Fettfilm ist ganz normal", sagt die Expertin. Ist das Fell ölig, besteht möglicherweise eine Nährstoffüberversorgung.
Gibt es kahle Stellen? "Im Fellwechsel sind kleine kahle Stellen meist normal", sagt Conny Röhm. Fällt das Haar büschelweise aus, kann das an Pilzen, Haarlingen oder Milben liegen. Bei einer Vergiftung mit Selen werfen manche Pferde Mähne oder Schweif sogar ganz ab.