Beziehungspflege
Welche Berührungen Pferde wirklich genießen

Feinste Berührungen festigen die Beziehung zu unseren Pferden. Wie Sie sanft auf Tuchfühlung gehen – und was die Tiere dabei genießen.

TSP Berührungen
Foto: Thomas Hartig

Unter Pferden geht es handfest zu, könnte man meinen. Hier schaben Zähne geräuschvoll kratzend über den Widerrist, dort landen Hufe dumpf vor der Brust, hier kräftige Kniffe in den Vorderbeinen. Doch halt: Vielleicht sind die meisten Berührungen einfach nur so fein, dass wir sie kaum mit unseren Augen wahrnehmen? Die Pferde aber spüren sie mit ihrer hochsensiblen Haut ganz genau. Etwa, wenn sich beim Dösen nebeneinander ganz leicht die Bäuche zweier Pferde berühren – oder ein Pferd den Kopf hauchzart an den Körper des anderen lehnt. "Pferde kreieren Beziehung über Berührung", sagt auch Ingrid Wild, Tellington TTouch Practitioner Level 3.

Wild unterscheidet zwischen Fell- und Beziehungspflege: Die Berührungen, die zu Letzerer gehören, seien viel sanfter und feiner. "Sie sind meist sehr leicht, sehr langsam und beginnen an bestimmten Stellen wie Bauch oder Schulter. Oft stehen die Pferde auch erstmal nur nebeneinander", beobachtet Wild. Besonders intim sei dabei der Kopf – hier ende eine langsame Annäherung nicht immer, aber manchmal. "Dass zwei Pferde ihre Köpfe aneinander reiben oder sich ausgiebig mit den Nasen berühren, sieht man bei sich nahestehenden Pferden, am ehesten zwischen Mutterstute und Fohlen oder bei Hengst und Stute, wenn klar ist, dass sie sich paaren wollen."

Berührungen vertiefen unsere Beziehungen

Menschen nehmen sich also ordentlich etwas heraus, wenn sie Pferden direkt ins Gesicht fassen. "Aus Pferdesicht ist das eine Respektlosigkeit", so Wild. Doch wie können wir es besser machen? Berührungen gehören schließlich zum sogenannten "Handling" von Pferden dazu – und sind unverzichtbar, um die Beziehung zu vertiefen. "Wenn ich eine Beziehung zu meinem Pferd haben möchte, komme ich um gute, sanfte Berührung nicht herum", ist für Ingrid Wild klar. Angenehme Berührungen lassen den Körper das Bindungshormon Oxytocin ausschütten – auf beiden Seiten, bei Pferd und Mensch.

Pferde haben einen feinen Tastsinn: Sie spüren genau, wo auf ihrem Körper gerade eine Fliege gelandet ist. Die Haut wird stimuliert, weil die Fliege die Haare berührt. Ganz automatisch zucken dann die in der untersten Hautschicht liegenden Muskeln, um die Fliege zu vertreiben. Leiseste Berührung nehmen Pferde also wahr.

Welche Intensität ein Pferd angenehm findet, ist Typsache. Und auch wie viel Körperkontakt es überhaupt mag, ist völlig verschieden. Wie wir Menschen können auch Pferde unterschiedlich sensibel in ihrer Wahrnehmung sein. Pferdeverhaltenstrainerin Dr. Sandra Ruzicka fällt bei diesem Thema die Bauernweisheit ein, dass Füchse angeblich eine empfindlichere Haut haben sollen als Pferde anderer Fellfarben.

Fest steht jedenfalls: Je blütiger ein Pferd ist, desto empfindlicher ist es oft – auch der Muskeltonus spielt eine Rolle für die Berührungsempfindlichkeit von Pferden. Muskeltonus und das Wesen des Pferds bedingen sich wechselseitig: Nervöse Typen haben meist einen höheren Muskeltonus als entspannte Kandidaten, und Pferde mit von Natur aus hohem Muskeltonus sind oft auch im Wesen elektrischer.

Innerhalb einer Rasse können alle Typen vorhanden sein. Unter Arabern sind Pferde mit hohem Muskeltonus aufgrund der Zuchtziele aber zum Beispiel häufiger vertreten als niedrigtonige Kandidaten. Hochtonige Typen reagieren oft unwillig und eher angespannt auf Berührungen. Haut und Fasziengewebe fühlen sich bei ihnen fest an und lassen sich mit den flach aufgelegten Händen kaum zusammenschieben oder bewegen.

Wenn sich Hautkontakt elektrisch anfühlt

Ingrid Wild, die bereits sehr viele Pferde unter den Händen hatte, ist in ihrem Leben zweimal extrem berührungsempfindlichen Pferden begegnet. "Für sie schienen sich Berührungen anzufühlen, als würden sie einen elektrischen Schlag bekommen", erinnert sich Wild. "Beide hatten diese starke Sensitivität von Natur aus, nicht durch schlechte Erfahrungen."

Gemeinsam mit ihrer Mentorin Linda Tellington-Jones konnte Wild bei diesen Pferden einen Fellhandschuh einsetzen, der den Berührungsreiz für sie angenehmer machte. Auch Wilds eigene Stute ist sehr berührungs- sowie kälteempfindlich. "Sie wird schnell fest im Körper und spannt sich an." Oft fährt Wild bei ihr nur mit dem Handrücken über den Körper – oder sie nutzt Wärmepads, mit denen sie die Stute berührt. "Damit habe ich bei ihr sehr schöne Reaktionen auslösen können."

Wild hat sich auch in der Masterson-Methode fortgebildet, die mit feinen Berührungen in unterschiedlichen Intensitäten arbeitet. Bei einer der definierten Druckstärken bleibt dabei sogar ein Zwischenraum zwischen Hand und Pferdekörper. Das zeigt, wie sensibel Pferde bereits auf die bloße Energie und Wärme unseres Körpers reagieren.

Vom bloßen Erdulden zum echten Genießen

Ob ein Pferd sich berühren lässt, ist auch eine Frage der Gewöhnung. Dr. Sandra Ruzicka etwa kaufte ein halbwildes Connemara-Pony, das sie zunächst ganz klassisch mittels Habituation an Berührungen gewöhnte. Dabei legte sie eine Hand aufs Pferd und ließ sie dort, solange es sich bewegte; stand es still, nahm sie die Hand weg. Das Pony war dabei nicht angebunden, und die Idee des Anhaltens kam von ihm selbst.

"Das ist viel effektiver, als den Stopp zu verlangen", so Ruzicka. So lernt das Pferd die gewünschte Reaktion, nämlich Berührung nicht auszuweichen. "Mit gutem Timing kann ich einem Pferd so sehr schnell beibringen, dass es stillstehen soll." Als Ziel der Gewöhnungen sollte man allerdings nicht nur das Stillstehen verstehen. "Daraus resultiert oft einfach nur ein Erdulden", weiß Ruzicka. "Da Emotionen immer mitverknüpft werden, sollte man bis zur Entspannung – dem mentalen Loslassen – üben. Das dauert mitunter sehr viel länger!"

Wenn das Pferd Berührungen nicht nur ertragen, sondern genießen soll, geht es nicht ohne Gefühl und Achtsamkeit, so die Verhaltensexpertin. Eine große Rolle spielt dabei die eigene Einstellung. "50 Prozent der Aufmerksamkeit dürfen bei der Berührung ruhig bei mir selbst liegen", findet Dr. Sandra Ruzicka. "Wie viel Stress ist in mir selbst? Bin ich achtsam? Wie viel Liebe ist in meinen Händen?"

Gedanken verändern die Wirkung von Berührung

Was für manche esoterisch klingen mag, hat wissenschaftlich bewiesene Auswirkungen: Eine Studie zeigte etwa, dass Pferde deutlich entspannter reagierten, wenn sie von Personen gestreichelt wurden, die sich als Tierfreunde einstuften. Strichen dagegen Menschen in gleicher Manier übers Fell, die Tiere nicht mochten, war ihre Herzfrequenz höher. Das könnte mit einer Synchronisation der Herzfrequenz zwischen Mensch und Pferd zusammenhängen, die später weitere Studien belegen konnten.

Unsere Einstellungen und Gefühle wirken also bis in die Fingerspitzen. Warum daher nicht groß denken? Ingrid Wild schlägt bei Berührungen Gedanken wie "ich liebe dich", "ich freue mich, wenn ich dich sehe" oder "du hast einen wunderschönen Körper" vor. Mit solchen Gedanken steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd eine Berührung genießen wird. Um bloße Duldung und Genuss zu unterscheiden, muss man allerdings genau hinschauen: "Viele Pferde ertragen meiner Meinung nach nur", so Sandra Ruzicka.

Abwehrreaktionen sind oft sehr subtil

Während extrovertierte Typen eher mit offensichtlicherer Abwehr reagierten, würden introvertierte oder Pferde in der erlernten Hilflosigkeit häufig verkannt. Letztere haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Abwehr nichts bewirkt, oft gar nicht bemerkt wird. Diese Pferde zeigen wenig Gestik und Mimik , kaum Ohrenspiel und wirken zusammengesunken und klein.

Doch nicht nur solche Pferde setzen lediglich subtile Zeichen. Auch Abwehrreaktionen wie leichtes Ausweichen, Wegdrehen oder Weggehen werden oft übersehen. "Hat das Pferd Gurt- oder Sattelzwang oder ist kitzelig beim Putzen, kann das auf Hautschmerzen hindeuten", erklärt Pferdephysiotherapeutin Dr. Sandra Ruzicka: "Pferde, die bei Berührung immer wieder ein Hautzucken zeigen, können eine Blockade der Wirbelsäule haben. Die Nerven, die zwischen den Wirbeln herauskommen, versorgen bestimmte Hautareale. Reaktionen dieser Bereiche lassen wiederum Rückschlüsse auf Blockaden in den einzelnen Abschnitten der Wirbelsäule zu. Wenn nicht gerade Fliegenplage herrscht, ist das Zucken wahrscheinlich ein Anzeichen, dass etwas nicht stimmt."

Auch Ingrid Wild unterscheidet zwischen bloßer Akzeptanz einer Berührung und Genuss, der Pferd und Mensch enger verbinden kann. "Das Okay eines Pferds habe ich, wenn es unangebunden auf meine Berührung hin nicht weggeht", sagt sie. "Ich wünsche mir aber, dass es durchatmet, vielleicht die Augen etwas mehr schließt oder ein leichtes Zittern durch Ober- oder Unterlippe geht. Dann fängt im Gehirn etwas an zu passieren, das Pferd kommt in einen Entspannungsmodus."

Dieser ist für Wild dabei nur ein netter Nebeneffekt. Ihr eigentliches Ziel beim "Tellington TrustTouch" (TTouch), den berühmten kreisenden Berührungen: eine Beziehung aufbauen, das Körpergefühl verbessern, das Nervensystem stimulieren.

Kontaktaufnahme vom Pferd ruhig mal zulassen

Doch nicht immer ist es das Pferd, das unsere Berührung genießt oder duldet. Es gibt auch Typen, die selbst den Kontakt initiieren und uns anstupsen. "Das wird häufig fälschlicherweise als dominante Geste gedeutet, weil das Pferd den menschlichen Raum scheinbar missachtet", erklärt Dr. Sandra Ruzicka. "Es könnte allerdings auch eine Spielaufforderung oder eine Kontaktaufnahme sein."

Ruzicka rät daher, sich den Gesamtkontext anschauen. "Kann ich meinen Raum freimachen, wenn ich das möchte, und ist das Pferd nicht aufdringlich bei der Berührung, dann lasse ich diese zu. Bei scheuen Pferden begrüße ich sie sogar!" Sollte das Pferd allerdings aufdringlich werden, vielleicht sogar eine gewisse Aggressivität zeigen und ungefragt knibbeln oder sich schubbern wollen, unterbindet die Expertin die Berührungen. Wenn’s gerade juckt, spricht aus ihrer Sicht aber nichts dagegen, dem Pferd stattdessen die eigenen Finger zum Kratzen anzubieten – "solange ich das initiiere und auch wieder beenden kann".

Ingrid Wild sieht das ähnlich und setzt ihre Berührungen bewusst. "Gerade männliche Pferde können es als Spielaufforderung verstehen, wenn sie am Maul angefasst werden." Pferde zu berühren erfordert eben Fingerspitzengefühl. Dann aber entsteht echte Verbindung.

Die Expertinnen

TSP Berührungen
Lisa Rädlein
Ingrid Wild ist Tellington TTouch Practitioner Level 3 und arbeitet auch nach der Masterson-Methode. Das Thema Berührung ist ihr Spezialgebiet. www.wild-pferd.com

Ingrid Wild ist Tellington TTouch Practitioner Level 3 und arbeitet auch nach der Masterson-Methode. Das Thema Berührung ist ihr Spezialgebiet. www.wild-pferd.com

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privat
Dr. Sandra Ruzicka ist Verhaltenstrainerin, Dozentin am Institut für Verhalten und Kommunikation (IVK) undPferdephysiotherapeutin. www.aus-pferdesicht.com

Dr. Sandra Ruzicka ist Verhaltenstrainerin, Dozentin am Institut für Verhalten und Kommunikation (IVK) undPferdephysiotherapeutin. www.aus-pferdesicht.com

Mit den Händen übers Fell streichen

"Der TTouch Noahs Marsch ist sehr einfach auszuführen. Gleichzeitig ist dieser TTouch besonders wertvoll, um ein Pferd und seine Berührungsbedürfnisse kennenzulernen. Am besten steht das Pferd unangebunden, etwa auf dem Reitplatz. Streichen Sie mit beiden Händen über den Pferdekörper, eine Hand folgt dabei der anderen. Legen Sie die Hände flach und mit lockerem Handgelenk auf. Wandern Sie über den ganzen Pferdekörper.

TSP Berührungen
Thomas Hartig
Eine Hand folgt beim TTouch Noahs Marsch nach Linda Tellington-Jones der anderen. Er kommt ohne die typische Kreisbewegung aus.

Gibt es Stellen, die weicher oder härter sind? Heißer oder kälter? So bekommen Sie eine Idee vom Körper Ihres Pferds. Achten Sie auf seine Reaktion, passen Sie Tempo und Intensität der Berührung an. Entspannt das Pferd eher, wenn Sie Ihre Hand noch flächiger auflegen? Ist es kitzelig bei zu wenig Druck? Oder so sensibel gegenüber Berührung, dass es erstmal Ihren Handrücken bevorzugt?

TSP Berührungen
Thomas Hartig
Wenn das Pferd sehr empfindlich auf Berührungen reagiert, können Sie zunächst nur Ihren Handrücken nutzen.

Ist auch das zu viel, können Sie Ihre Hand anfangs über dem Pferdekörper schweben lassen, ohne wirklich zu berühren." Ingrid Wild

Sanft schaukeln für Durchlässigkeit

"Ich lege gerne meine Hand oben auf den Widerrist und schaukele das Pferd ganz langsam mit seinem Körpergewicht vom linken auf das rechte Vorderbein. Erkennbar ist dies am besten am Grad der Durchfederung der Fessel. Solche minimalen Berührungen können durch den ganzen Körper wirken, wenn das Pferd dabei locker und daher durchlässig ist.

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Thomas Hartig
Eine Hand liegt beim Schaukeln auf dem Widerrist und bewegt das Pferd sanft hin und her.

Der Druck muss so sanft sein, dass das Pferd seine Muskulatur nicht verspannt, um in Balance zu bleiben oder dagegen zu drücken. Die Übung schult das Körperbewusstsein des Pferds und erhöht das Vertrauen in Berührungen durch den Menschen. Das Pferd nimmt wahr, dass es sich dem Kontakt hingeben kann und nicht dagegen anzugehen braucht.

TSP Berührungen
Thomas Hartig
Wenn Sie nach unten auf die Fesseln schauen, können Sie erkennen, ob das Pferd sein Gewicht verlagert. Hier ist die vom Pferd aus gesehen rechte Fessel stärker durchgefedert.

Außerdem liegt vor dem Widerrist ein Beruhigungspunkt, der sich positiv auf Blutdruck und Puls auswirkt." Dr. Sandra Ruzicka

Sich spiegeln für mehr Nähe

"Bevor Pferde unsere Berührungen genießen können, müssen sie erstmal überhaupt unsere körperliche Nähe akzeptieren. Pferden, die diese nur schwer ertragen können, hilft oft das Spiegeln. Dabei imitieren Sie die Körpersprache des Pferds. Nehmen Sie zum Beispiel eine entspannte Haltung an und senken den Kopf, wenn das Pferd frisst, oder entlasten einen Fuß, wenn es das beim Dösen tut. Sie können auch in dieselbe Richtung schauen oder Anspannung spiegeln. So verbinden Sie sich energetisch mit dem Pferd und es lernt nach und nach, Sie in seiner Nähe besser zu akzeptieren.

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Thomas Hartig
Die Vorderbeine leicht auseinandergestellt, den Kopf leicht nach links gedreht und mit ruhigem Ohrenspiel nimmt Wallach Grando gelassen seine Umgebung wahr. Besitzerin Maren spiegelt seine Körpersprache.

Sie können dann langsam näher zu ihm kommen und seinen "Energiekreis" betreten. Wichtig dabei: Verlassen Sie ihn anfangs auch bald wieder, solange das Pferd entspannt bleibt. Die Vergrößerung des Abstandes wirkt wie eine Belohnung, da das Pferd einen Drucknachlass spürt." Dr. Sandra Ruzicka

Vertrauen in die Anlehnung aufbauen

"Die Anlehnung beim Reiten verstehe ich als eine Art der Berührung – im Pferdemaul, der Zügel ist dabei der verlängerte Arm des Reiters. Viele Pferde haben aber kein Vertrauen mehr in diese Berührung, weil die Reiterhand unruhig ist oder nicht sanft genug. Sie gehen gegen die Zügel an. Als Neustart empfehle ich folgende Übung:

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Thomas Hartig
Das Pferd nimmt Biegung zur Bande ein. Die zur Bande gewandte Hand könnte hier noch stabiler aufliegen.

Reiten Sie an der Bande entlang und greifen die Zügel über dem Mähnenkamm mit der inneren Hand. Die äußere Hand lassen Sie ein Stück am äußeren Zügel entlanggleiten, bis Sie am Widerrist ankommen. Dort greifen Sie den Zügel und legen die Hand seitlich ab. Die Hand ist auf diese Weise ruhiggestellt. Gleichzeit legen Sie nun die äußere Wade sanft an den Pferdebauch an und massieren im Schrittrhythmus, spannen die Wade abwechselnd an und ab. Das Pferd nimmt so zwei taktile Reize wahr. Den Druck des festgestellten Zügels in der Nickbewegung kann es selbst lindern, indem es in der Hals- und Nackenmuskulatur loslässt und eine leichte Stellung und Biegung zur Bande einnimmt. Eventuell schmiegt es sich bereits in der Rumpfmuskulatur um den Schenkel und kommt in Dehnungshaltung. Reagiert es, geben Sie sofort mit der Hand nach und werden im Bein passiv.

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Thomas Hartig
Auf der linken Hand geritten liegt die linke Hand am Widerrist auf.

Die Berührung am Widerrist hilft bei der Entspannung, denn der Körper schüttet bei Berührung Endorphine aus – es gibt hier also zusätzlich eine positive biochemische Reaktion. Es fällt dem Pferd leichter, aus dem Misstrauen wieder ins Vertrauen zur Reiterhand zu finden. Reiten Sie diese Übung etwa 10 bis 15 Meter lang und wiederholen bei Bedarf." Peter Kreinberg

Berührung in Bewegung

"Vielen Pferden, die ungern angefasst werden und zusätzlich auch noch Schwierigkeiten haben stillzustehen, fällt es in Bewegung leichter, eine Berührung zu akzeptieren. Beispielsweise gewöhne ich an Berührung und generiere gleichzeitig Abstand und eine Biegung um mich herum, indem ich erst nur leicht – aber nicht kitzelnd – meine Fingerspitzen am unteren Teil des Halses oder weiter hinten an der Schulter auflege und zunächst nur das Pferd begleite. Akzeptiert es die Berührung, schwinge ich anschließend sanft im Takt der natürlichen Bewegung die Schulter nach außen. Das Pferd wird nicht genötigt stillzustehen und fühlt sich so nicht bedrängt oder festgehalten.

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Thomas Hartig
Eine Berührung an der Schulter beim Führen kann das Pferd mit Kontakt vertraut machen. Sie können so auch sanft eine Biegung abfragen.

Außerdem definiere ich meinen Raum, was meine Souveränität als Leitfigur unterstreicht und wiederum dem Pferd Sicherheit geben kann. Je besser die Beziehung wird, desto eher ist es in der Lage stillzustehen und wird sich auch im Stand berühren lassen." Dr. Sandra Ruzicka

"Die gesamte reiterliche Hilfengebung beruht auf Berührungen"

Peter Kreinberg erklärt im Interview, was feine Hilfengebung mit dem Touchscreen eines Smartphones zu tun hat und warum auch Zügelhilfen Berührungen sind.

TSP Berührungen
Thomas Hartig
Peter Kreinberg ist Ausbilder für Horsemanship und Reiten. Besonders wichtig ist ihm, seinen Schülern eine feine Hilfengebung zu vermitteln.

Peter Kreinberg ist Ausbilder für Horsemanship und Reiten. Besonders wichtig ist ihm, seinen Schülern eine feine Hilfengebung zu vermitteln.

CAVALLO: Herr Kreinberg, Sie haben Ihr Ausbildungssystem "The Gentle Touch" getauft, zu Deutsch "Die sanfte Berührung". Warum das?

Peter Kreinberg: Die gesamte reiterliche Hilfengebung beruht auf Berührungen. Dabei gibt es verschiedene Abstufungen: Manche Berührungen nimmt das Pferd nur feinsensorisch an derHautoberfläche wahr, andere gehen tiefer in die Muskulatur. Oft lösen letztere aus, dass sich die Muskulatur verfestigt. Wir kennen das von uns selbst, wenn uns jemand in die Rippen tippt.

Ihr Ziel sind also die feinen Hilfen an der Hautoberfläche? Genau. Ich vergleiche das gerne mit der Bedienung eines Smartphones. Man muss nur behutsam mit der Fingerkuppe streichen oder tippen – schon wird die Software aktiv. Beim Pferd ist das ähnlich: Reaktionen auf Hilfen sind erlerntes Verhalten. Das Pferdegehirn interpretiert feinsensorische Reize und löst dann eine Bewegungsabfolge aus. Welche Art von Berührung an welcher Stelle was bedeutet, müssen wir dem Pferd beibringen, beispielsweise wo der Schenkel seitwärts treibt. In der Dressur können wir diese Signale dann bewegungsverbessernd einsetzen.

Wie sieht es mit den Zügelhilfen aus? Hier findet ja keine direkte Berührung statt. Keine direkte, aber dennoch ist es eine Berührung im Maul des Pferds. Ich spreche auch lieber von Mundstückhilfen, um das zu verdeutlichen. Das Gebiss ruht im Pferdemaul auf der Zunge und den Lefzen. Ich möchte dabei auf die weichen Lefzen und die Zungenränder einwirken – übrigens nicht auf die Lade, denn die ist meiner Meinung nach viel zu empfindlich. Macht der Reiter zu viel Druck, kann das Pferd mit dem mittleren Teil der Zunge Gegendruck aufbauen. Es wird so relativ unempfindlich. Bleibe ich dagegen auch im Maul im feinsensorischen Bereich, kann ich durch leichte Berührungsvariationen einwirken. In der Légèreté etwa wirkt man vorsichtig mehr aufwärts auf den Maulwinkel. Das Gebiss kann auch leicht rotieren, sich hoch, runter oder nach vorne bewegen – all das spürt das Pferd sehr differenziert.

Kann man denn komplett in diesem feinsensorischen Bereich bleiben beim Reiten? Wichtig ist ein Bewusstsein dafür, dass das Pferd ganz unterschiedlich reagieren wird, je nach dem ob ich auf der Hautoberfläche einwirke oder auf die Muskulatur. Noch dazu haben Pferde auch feine Antennen für Energie, mit der wir eine Hilfe geben. Die gleiche Berührung wird beim Pferd je nach meinem eigenen Energielevel ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen. Feinste Kommunikation ist mit jedem Pferd möglich, wenn wir es nicht abstumpfen.

"Das Pferd wird unterschiedlich reagieren, ob ich auf die Haut einwirke oder auf die Muskulatur."

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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