Alte Wunden - neue Leiden: Narben gehen Pferden unter die Haut
Wenn aus Narben Störfelder werden

Jede Wunde und jede Operation hinterlässt Narben, die Pferde krank oder unreitbar machen können. Lassen sich selbst alte Einschnitte kurieren? CAVALLO hat Tierärzte dazu befragt.

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Foto: Stappenbeck

Wenige kleine Stiche warfen Wallach Caspar aus der Bahn. Obwohl die Kastration schon Jahre zurück lag, zwackte die alte Naht so sehr, dass er lahmte und buckelte. Caspar ist kein Einzelfall. Viele Pferde leiden unerkannt unter vermeintlichen Schönheitsfehlern, die unter die Haut gehen. "Selbst die kleinste, älteste Narbe kann ein Pferd derart beeinträchtigen, dass es erkrankt oder nicht mehr reitbar ist", sagt der Wiener Tierarzt Dr. Robert Stodulka. Doch wie erkennt man solche Störfelder? Und wie behandelt man sie, damit sie künftig keinen Ärger mehr machen?

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Giftstoffe und Erreger jagen durch den Körper

Störfelder sind meist chronische, örtlich begrenzte Entzündungsherde, die von der körpereigenen Abwehr des Pferds oder einer  ärztlichen Therapie nicht geheilt werden konnten. Sie können Giftstoffe und Krankheitserreger durch den Körper jagen und neue Erkrankungen hervorrufen. Oder das vegetative Nervensystem beeinträchtigen, so dass wichtige Körperfunktionen wie die Atmung aus dem Takt kommen.

Giftstoffe und Erreger sorgen für Entzündungen

Wann sich Narben zu Störfeldern entwickeln, weiß Tierarzt Dr. Uwe Petermann aus dem niedersächsischen Melle: "Narben sind immer dann gefährlich, wenn sie aus einer schlecht verheilten Wunde entstanden sind und sich im Gewebe kleine Mikroabszesse gebildet haben." Da sich die eigentlichen Entzündungsherde abkapseln und örtlich begrenzt bleiben, verursachen sie zunächst keine nennenswerten Beschwerden. Die Folge ist, dass sie leicht übersehen werden – und in Vergessenheit geraten. Wenn das Pferd später kränkelt, denken Reiter und Tierarzt oft nicht mehr an die alte Wunde. "Die eigentliche Verletzung kann schon Jahre zurückliegen", bestätigt Robert Stodulka.

Umso wichtiger ist, dass man eine Narbe möglichst von Anfang an genau beobachtet. Denn das Aussehen einer Wunde kann wichtige Hinweise geben, ob sie das Pferd stören wird. Heilt eine Verletzung problemlos, entwickeln sich daraus in der Regel optisch unauffällige (physiologische) Narben. Sie sind weich und flach. Krankhafte (pathologische) Narben sind dagegen kaum zu übersehen. Die häufigsten Formen sind hypertrophe Narben und Keloide. Hypertrophe Narben entstehen kurz nach der Wundheilung oder noch in deren Verlauf. Ursache ist eine Überproduktion von Bindegewebsfasern. Die Narbe neigt zur Wulstbildung und erhebt sich über das sie umgebende Hautniveau, bleibt jedoch auf das ursprüngliche Verletzungsgebiet beschränkt.

Solche Narben bilden sich häufig, wenn die Wunde nicht ruhiggestellt wird oder sich zusätzlich infizierte. Als Keloide bezeichnet man überschüssiges Narbengewebe (Wildes Fleisch), das über die Wunde hinauswuchern kann. Keloide wachsen oft erst nach Monaten und haben zudem einen genetischen Hintergrund. "Sie treten häufig bei Füchsen auf, deren Haut bläulich oder grünlich durch weiße Stellen schimmert", so Robert Stodulka. "Solche Pferde neigen auch zu Pigmentstörungen und Sonnenbrand." Weiße Haare, die manche Pferde nach einer Verletzung entwickeln, sind ebenfalls Signal für ein Störfeld.

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Wundheilung und Narbe muss der Pferdebesitzer im Blick behalten.

Narben: Laserlicht lässt Wulste schrumpfen

Selbst ältere Einschnitte lassen sich aber noch kurieren. Tierarzt Uwe Petermann behandelt Narben mit lokaler Lasertherapie oder Laserakupunktur. "Beides hat eine optimale entzündungshemmende und gewebsheilende Wirkung. Die Narbenstruktur wird umgebaut, weil sich das krankhafte Gewebe, welches die Störung hervorgerufen hat, au£ öst", sagt Petermann. Wulste werden flach, geschmeidig und schrumpfen.

Bei der Neuraltherapie wird ein Lokalanästhetikum (meist Procain) so in das Störfeld injiziert, dass dieses vorübergehend vom vegetativen Nervensystem abgekoppelt wird. Das stoppt chronische Reizzustände. Manche Therapeuten schwören auf Farblicht. Je nach Farbwahl soll es den Blutstrom aus kalten Narben anregen oder aus warmen ableiten. "Gute Durchblutungshelfer sind Blutegel, die man am Störfeld ansetzt", erklärt Dr. Ina Gösmeier.

Blutegel verdünnen mit ihrem Speichel das Blut und regen den Körper an, mehr Blut in die kranke Region zu schicken. Durchblutungshilfe kommt auch aus der Steckdose: Elektrischer Strom erzeugt heilende Strahlen, Wellen oder Magnetfelder. Hilfreich sind zudem Tapes. "Sie lockern Verklebungen, normalisieren den Muskeltonus und verbessern die Durchblutung", sagt Dr. Ina Gösmeier. "Da Tapes Bewegungsabläufe verändern können, sollten Sie Ihr Pferd genau beobachten. Und denken Sie an alte Wunden, wenn Ihr Pferd plötzlich buckelt, lahmt oder hustet.

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Nicht schön: Narben von der Serreta.

Schenkelbrand kann Lahmheiten auslösen

Besonders aktiv sind Störfelder, wenn sie Akupunkturmeridiane durchkreuzen. Das sind 12 Energieleitbahnen, die den Körper des Pferds wie ein Netzwerk überziehen. Punkte auf diesen Bahnen haben eine erhöhte elektrische Leit‘fähigkeit. "Funktionsstörungen, die sich an inneren Organen sowie in Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Lahmheiten oder in Widersetzlichkeiten gegen den Reiter äußern, kann man an Energiestauungen innerhalb des Meridiansystems erkennen", erklärt Tierärztin Dr. Ina Gösmeier aus Marl in Westfalen.

Welche Auswirkungen eine Narbe auf den Pferdekörper hat, hängt von dem betrffenen Meridian ab. "Narben auf dem Lungenmeridian haben beispielsweise häufig Störungen der Lungenfunktion zur Folge, Narben auf dem Herzmeridian Störungen des Herzens", erklärt Dr. Uwe Petermann. Zu den prominentesten Störfeldern gehört der Schenkelbrand. Er befindet sich oft im Verlauf des Gallenmeridians und kann zu Koordinationsproblemen führen.

Beschäftigt sich ein Tierarzt mit diesen Funktionskreisen, kann er bei einer geplanten Operation wie einer Kastration vorbeugen. "Ich achte darauf, dass ich möglichst keine Meridiane durchtrenne, sondern parallel zu ihnen schneide", sagt Dr. Robert Stodulka. Danach gilt: "Je besser die Nahttechnik, desto eher kann eine Wunde heilen – und umso weniger stört sie später." Um ein bereits vorhandenes Störfeld zu entschärfen, schwören Therapeuten auf unterschiedliche Methoden. Am besten behandelt man eine Narbe von Anfang an. "Sofern keine Komplikation wie eine Infektion vorliegt, kann man frisches Narbengewebe nach zwei bis drei Wochen mehrmals täglich unter mäßigem Druck nach Anweisung des Tierarztes massieren", rät Robert Stodulka.

Dabei unterstützen milde Hautcremes oder Narbengele die Massagewirkung. Spezielle energieleitende Salben sollen den Zellstoffwechsel und die Heilung anregen.

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Der Schenkelbrand verläuft meist über dem Gallenmeridian.

Störfelder: Gewisse Zonen stehen unter Spannung

Wie eine Wunde verheilt, hat auch mit ihrer Lage am Pferdekörper zu tun. "Verletzungen heilen da schlecht, wo die Haut unter massiver Spannung steht", erklärt Stodulka. "Wie an Schulter-, Hüft oder Kniegelenk." Die Pferdebeine sind ebenfalls heikel. Hier neigen Wunden zur Bildung von Wildem Fleisch, da sie schwerer auf natürlichem Wege schrumpfen und zusammenwachsen.

Um von einer Narbe auf ein Störfeld schließen zu können, braucht man ein wenig Fingerspitzengefühl. Den auch kleinere, unauffällige Narben können stören. "Die Einstiche einer Operationsnaht sind so ein Beispiel", erklärt Robert Stodulka. Beobachten Sie Ihr Pferd und prüfen, wie es reagiert, wenn Sie seine Narbe berühren. Druckempfindliche, schmerzhafte und juckende Narben sind immer ein Störfeld. Das gilt auch für Narben, die taub sind und bei deren Berührung das Tier überhaupt nicht reagiert.

Meistens fühlt sich das Narbengewebe hart und unelastisch an. Die Narbe ist wie festgeklebt und lässt sich nicht in der Haut hin und her schieben. Die verklebten Gewebsschichten sind meist schlecht durchblutet, so dass die Mikrozirkulation im Narbengewebe und seiner Umgebung gestört wird. Das behindert den An- und Abtransport von Nähr- und Abfallstoffen über das Blut.

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Ein verheilter Satteldruck kann lange schmerzen.
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Erscheinungsdatum 17.05.2023