Der Fall: Wie üblich befand sich eine Herde mit vierzehn Pferden tagsüber auf einem unbeobachteten, eingezäunten Sand- und Grasplatz. Als Stallbesitzer und Helfer die Tiere abends zur Fütterung in den Stall führten, fiel auf, dass die Stute Z-Felicitas lahmte. Ihre Besitzerin entdeckte kurz darauf eine kleine, blutige Wunde am rechten Hinterbein. Sie versorgte die Verletzung vorerst. Da das Bein über Nacht stark anschwoll, zog sie am nächsten Tag einen Tierarzt hinzu. Dieser stellte eine erhebliche Schlagverletzung fest.
Ein Tritt als Verletzungsursache
Nach Ansicht der Besitzerin hatte eine andere Stute Z-Felicitas verletzt. Sie verklagte deren Besitzerin am Landgericht Kiel auf Schadensersatz für die entstandenen Tierarztkosten (4 118,23 Euro) sowie Wertminderung ihres Pferds (7 000,00 Euro). Laut Klage wurden die Pferde an diesem Tag später als gewöhnlich in den Stall geholt. Die Tiere hätten bereits zusammengedrängt im Torbereich des Paddocks gewartet. In dieser Unruhe habe die Stute der Angeklagten ausgeschlagen und Z-Felicitas am Hinterbein getroffen.
Nicht nachvollziehbar
Das Landgericht Kiel wies die Klage ab (11 O 271/15). Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte dies (17 U 52/16). Laut 17. Zivilsenat sei der Unfallhergang anhand der Parteischilderungen nicht nachvollziehbar. Für eine Haftung der Pferdebesitzerin hätte bewiesen werden müssen, dass sich im Verhalten ihrer Stute eine spezifische Tiergefahr nach §833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verwirklicht hatte, sprich: dass ein unvorhersehbares tierisches Verhalten wie das Ausschlagen der Stute eine Gefahrensituation entstehen ließ. Dies konnten die Unfallschilderungen nicht zweifelsfrei bestätigen, ebenso wie die Frage, ob die Stute tatsächlich Z-Felicitas getreten hatte.
Offene Schuldfrage
Laut Oberlandesgericht sei es auch denkbar, dass ein anderes Pferd Z-Felicitas getreten hatte. "Lässt sich der Unfallhergang nicht ermitteln oder waren mehrere Pferde ursächlich an dem Unfall beteiligt, haften alle Pferdehalter für ihre Tiere als sogenannte Gesamtschuldner gemeinschaftlich gemäß § 830 BGB", erklärt Pferderechtsexperte Andreas Ackenheil. Die Norm stellt sicher, dass ein Schadenersatzanspruch des Geschädigten nicht daran scheitert, dass sich ein Unfallhergang nicht mehr ermitteln lässt und ein Schadensverusacher nicht festgestellt werden kann – wie im vorliegenden Fall. Für eine Gesamtschuldnerhaftung nach § 830 BGB hätte während der Unruhe von allen dreizehn Pferden eine spezifische Tiergefahr ausgehen müssen. Das konnte der 17. Zivilsenat nicht nachvollziehen.
Abgewiesen
Der Bundesgerichtshof wies die Revision ab (VI ZR 25/17). Eine Haftung der Angeklagten würde bereits an den Grundsätzen des "Handelns auf eigene Gefahr" scheitern. Demnach müssten Besitzer davon ausgehen, dass es zu Schäden kommen kann, wenn Pferde unbeobachtet mit anderen zusammenstehen. "Die Ermittlung des Schadensverursachers oder des genauen Unfallhergangs stellt ein grundlegendes Problem dar, wenn sich Pferde unbeaufsichtigt verletzen", betont unser Experte. Überwachungskameras, die die Pferdehaltung aufzeichnen, könnten eine Lösung sein. Der Einsatz sollte allerdings mit betroffenen Einstellern abgesprochen und mit Schildern gekennzeichnet werden, so Ackenheil.
Der Experte

Andreas Ackenheil ist Pferderechtsexperte. Seine Kanzlei ist bundesweit tätig. www.tierrechtanwalt.de
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