Maulgerechte Gebisse
Alternativen zur Wassertrense

Manche Pferde würden sogar eine normale Wassertrense lieber wieder ausspucken. Welche Gebisse eine tolle Alternative sein können.

Alternativen zur Wassertrense
Foto: Lisa Rädlein

Gebisse gibt es wie Sand am Meer. Die Krux: Pferdebesitzer müssen herausfinden, welches Gebiss ihr Tier am liebsten im Maul trägt. Nicht immer ist eine grobe Reiterhand schuld daran, dass ein Pferd das Gebiss nicht mag. Oft sei sogar eine gewöhnliche Wassertrense unbequem, so Dr. Johanna Probst – wenn sie nicht richtig passt. Weil ihr bei Zahnbehandlungen häufig die Folgen von schlechtsitzenden Gebissen im Maul begegnen, berät sie als "Bitfitterin" Pferdebesitzer, die ihr Tier mit einem passenden Mundstück ausstatten möchten.

Welche Gründe gibt es für Probleme mit Gebissen?

Die häufigsten Probleme: Das Gebiss ist zu tief verschnallt oder stark abgenutzt. Ersteres können Pferdebesitzer lösen, indem sie die Backenriemen des Zaums ein oder zwei Löcher kürzer einstellen. "Viele meinen es gut, weil sie nicht möchten, dass das Gebiss die Maulwinkel nach oben zieht", weiß Dr. Probst. "Doch ein bis zwei Falten dürfen sich im Maulwinkel bilden." Vor allem bei Pferden mit kurzer Maulspalte hängt das Gebiss oft zu tief. So liegt es zu locker und falsch im Maul und stört das Pferd. Bei Wallachen besteht zudem die Gefahr, dass das Gebiss dann gegen die Hengstzähne schlägt. "Ich habe schon gesehen, dass diese Zähne dadurch regelrecht abgeschliffen wurden", berichtet sie.

Schleifspuren an den hinteren Backenzähnen (Prämolaren) entdeckten Wissenschaftler übrigens schon bei prähistorischen Pferden. Ein Beweis, dass wir Menschen ihnen bereits seit mindestens 6 000 Jahren Gebisse ins Maul legen.

Bei einem Zahnpatienten entdeckte Dr. Probst eine großflächige Narbe auf der Zungenmitte. Ursache: eine ausgeschlagene doppelt gebrochene Wassertrense. Die Gelenke, die das Mittelstück mit den Gebisshälften verbinden, waren ausgeschliffen, sodass scharfe Kanten entstanden.

Verletzungen durch Gebisse

Welche Verletzungen durch Gebisse entstehen, untersuchte ein finnisches Forscherteam. 2018/2019 schauten sie 208 Vielseitigkeitspferden nach der Geländestrecke ins Maul. Die meisten trugen einfach oder doppelt gebrochene Wassertrensen. Bei 109 Pferden entdeckten sie akute Verletzungen. Fast 40 Prozent davon waren im Innenbereich der Maulwinkel, häufiger Prellungen und Quetschungen als Wunden.

Der Schweregrad der Verletzungen war bei besonders dünnen (10 bis 13 mm) oder dicken (18 bis 22 mm) Gebissen höher als bei Gebissen mit 14 bis 17 Millimetern Stärke. Die Wissenschaftler folgern: Dünne Gebisse verursachen höheren Druck auf eine kleine Fläche. Dicke Gebisse hingegen sind in einigen Fällen zu groß für das Pferd.

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Probst
Ein zu tief verschnalltes Gebiss berührt die Hengstzähne.

Dass nicht nur schlechtes Reiten, sondern auch schlecht angepasste Gebisse zu Maulverletzungen führen, zeigte ebenso eine dänische Studie aus dem Jahr 2020. Die Forscher dokumentierten die Maulverletzungen bei 342 Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitspferden vor ihrer Teilnahme am Wettbewerb. Bei 95 Prozent der Tiere entdeckten sie Verletzungen im äußeren Bereich der Maulwinkel. 30 Prozent der Pferde hatten im inneren Maulwinkelbereich Depigmentierungen und Narben, die mutmaßlich durch Druck oder wiederkehrende Verletzungen durch das Gebiss entstanden sind. Diese stünden im engen Zusammenhang mit dem Sitz des Gebisses, so die Forscher.

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Probst
Bei diesem Pferd wurden die Zähne dadurch mit der Zeit hinten abgeschliffen.

Wenn Maulverletzungen entstehen, dann durch falsch eingestellte Zäume und Gebisse, sagt Karl Friedrich von Holleufer, der seit Jahren als herstellerunabhängiger Gebissberater tätig ist. Dahinter stecken meist Reiterfehler, denn "Gebisse sind nur so scharf, wie die Hand, die sie bedient", – oder häufig Unwissenheit.

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Probst
Ausgeschlagenes Gelenk einer Wassertrense ...

Dick, dünn, einfach oder mehrfach gebrochen: Gelten alte Regeln noch?

Generell gilt: Dicke Gebisse sind sanfter, weil sie den Zügeldruck großflächiger verteilen. Das sei korrekt, so Holleufer. "Doch für Pferde mit wenig Platz im Maul kann ein zu dickes Gebiss unbequem sein", meint Dr. Johanna Probst. Wassertrensen sind in der Regel zwischen 14 und 18 Millimeter dick. "Für manche Warmblüter sind 14 Millimeter schon zu viel", ergänzt sie. Dann bleibe die Möglichkeit, eine dünnere Unterlegtrense auszuprobieren, die für die Verwendung mit einem Kandarengebiss gedacht ist.

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Probst
... und die Spuren davon auf der Pferdezunge

Ebenso hartnäckig hält sich der Mythos, dass doppelt gebrochene Gebisse weicher seien als einfach gebrochene. Tatsächlich zeigte die finnische Studie, dass Verletzungen an den Laden häufiger bei doppelt gebrochenen (10 %) auftraten als bei einfach gebrochenen Trensen (5 %). Dr. Probst betont, dass es dabei auf die Vorliebe des Pferds ankomme. Manche seien mit einem einfach gebrochenen Gebiss zufriedener, andere andersherum.

Das doppelt gebrochene Gebiss übe mehr Druck auf die Zunge aus, sei aber im Maul beweglicher und könne so zum Kauen anregen. Wichtig sei eine maulfreundliche Bauart: "Die Gelenke dürfen nicht zu groß sein, da sie sonst punktuell zu stark auf die Zunge drücken."

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Lisa Rädlein
Das Baucher-Gebiss hat eine Hebelwirkung, wenn es falschherum im Maul liegt. Hier sitzt es richtig.

Pferde, die eine schlechtsitzende Wassertrense gewohnt waren, seien oft dankbar für eine Alternative, so die Expertin. Wir stellen Modelle vor, die weniger verbreitet sind oder zu Unrecht einen schlechten Ruf haben:

Das Myler-Bit

Es ist außerhalb der Westernreit-Szene eher unbekannt. Das Gebiss ist gleichmäßig dick und wird nicht wie viele andere zu den Maulwinkeln hin dicker. Das drehbare Mittelstück ist flach und liegt daher angenehm auf der Zunge. Zudem verhindert es, dass die Gebiss-Hälften nach unten klappen und die Zunge quetschen. Die Mundstückhälften können unabhängig voneinander bewegt werden und unterstützen so einseitige Zügelhilfen.

Vorsicht bei günstigeren Nachbauten: "Dabei ist häufig das Mittelstück zu dick", so Dr. Probst. Pferde, die ein zu dickes Gebiss hatten, seien mit dem dünnen, ruhig im Maul liegenden Myler-Bit meistens sehr zufrieden, so die Expertin. Für FN-Dressurprüfungen nicht zugelassen.

Das Baucher-Gebiss

Es wirkt auf den ersten Blick, als ob es Anzüge hätte und damit den Zügelzug durch Hebelwirkung verstärkt. Das passiert aber nur, wenn es falschherum verschnallt wird, erklärt Dr. Johanna Probst. Korrekt werden die Zügel an den größeren Ringen befestigt. Der Oberbaum des Gebisses wird mit den kleinen Ringen an die Backenriemen geschnallt. Bei Zügelanzug kippt das Gebiss nach vorne und hebt sich in Richtung Maulwinkel an.

Durch diese Bewegung werden die Backenriemen leicht angehoben: Das Genick wird entlastet. Das Baucher-Gebiss spricht mehr die Maulwinkel an und kann damit aufrichtend wirken. "Viele Pferde mögen dieses Gebiss, weil es ruhig und stabil im Maul liegt", so Dr. Probst. Es ist auch doppelt gebrochen und in geringer Stärke (unter 14 mm) erhältlich. Nicht für FN-Turniere zugelassen.

Das Stangengebiss

Es ist nur dann scharf, wenn der Reiter es grob einsetzt. Bei sanftem Einsatz haben Stangen einen Vorteil: Sie liegen gleichmäßig auf der Zunge und den Laden auf, was viele Pferde mögen. Dr. Johanna Probst empfiehlt dünne Stangen-Gebisse aus hochwertigem Kunststoff, die leicht biegsam sind (maximal 14 mm dick). Günstigere Kunststoff-Stangen seien oft zu dick (16 oder 18 mm). Nachteil: Keine seitliche Einwirkung, sodass Stellen und Biegen nur über Gewichts- und Schenkelhhilfen möglich sind. Nicht für FN-Dressurprüfungen zugelassen.

Die Schenkel- (Knebeltrense)

Sie bietet Pferden eine stabile Anlehnung und eine gute seitliche Einwirkung. Die Schenkel sorgen dafür, dass das Gebiss ruhig an den Maulwinkeln anliegt und verdeutlichen die richtungsweisenden Zügelhilfen. Daher besonders geeignet für junge Pferde und solche, die gerne über die Schulter ausbrechen. Einfach und doppelt gebrochen sowie sehr dünn (unter 14 mm) erhältlich, für FN-Turniere zugelassen.

Unsere Experten

Alternativen zur Wassertrense
Lisa Rädlein
Dr. Johanna Probst ist Pferdedentistin und Bitfitterin. Sie entdeckt im Pferdemaul häufig Verletzungen durch Gebisse. proross.de

Dr. Johanna Probst ist Pferdedentistin und Bitfitterin. Sie entdeckt im Pferdemaul häufig Verletzungen durch Gebisse. proross.de

Karl Friedrich von Holleufer ist Ausbilder A Fahren und hat sich auf die Gebiss-Lehre spezialisiert. Für Vorträge reist er durch ganz Deutschland. fahrerfreunde.de

Komentar

Dass eine "normale" Wassertrense zu dick sein kann, hat mir mein Pferd beigebracht. Bei meinem großen Warmblut-Wallach mit sehr kleinem Maul probierte ich mehrere Gebiss-Stärken aus. Zu meiner Überraschung nahm er eine 12 Millimeter dünne Unterlegtrense am liebsten ins Maul. Seine kurze Maulspalte verführte mich dazu, das Gebiss zunächst zu tief zu verschnallen: ein Fehler, den mein Pferd mit unruhigem Maul quittierte. Für mich ist daher wichtig: ausprobieren! Gerne auch mal etwas anderes als das übliche. Und wenn das Pferd sich mit einem sehr dünnen Gebiss oder einer Stange sichtlich wohlfühlt, müssen Sie auch kein schlechtes Gewissen haben: Ein Gebiss ist so scharf wie die Hand, die es führt.

Anlehnungsprobleme wegen einer harten Reiterhand lösen sich jedoch mit keinem Gebiss der Welt in Luft auf. In diesem Fall bin ich nicht für Experimente. Sondern für guten Reitunterricht.

Alternativen zur Wassertrense
Lisa Rädlein
Nadine Szymanski, CAVALLO-Redakteurin.

Nadine Szymanski CAVALLO-Redakteurin.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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