Gamaschen für Pferde im Test
Defizite beim Gamaschen-Test

Gamaschen für Pferde sollen luftig sein, perfekt sitzen und sich leicht anlegen lassen. Das versprechen die Hersteller. Im CAVALLO-Test mit acht Modellen zeigten sich Schwachstellen.

CAV Gamaschen Test 1
Foto: Lisa Rädlein

Pferde sind Laufsportler. Das perfekte Equipment fürs Bein muss deshalb speziellen Anforderungen gerecht werden. Genau wie gute Funktionswäsche für den Menschen sollte die Gamasche aus luftdurchlässigem Material gefertigt sein; ein Hitzestau am Pferdebein kann nämlich böse Folgen haben. "Die Pferdesehne ist wie ein elastisches Gummiband", erklärt der britische Tierarzt und Wissenschaftler Dr. David Marlin. "Sobald sich das Pferd bewegt, dehnt und entspannt sich die Sehne – das erzeugt Wärme." Deshalb muss die Luft unter der Gamasche zirkulieren können, sonst nehmen die hitzeempfindlichen Zellen in den Sehnen Schaden.

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Schweiß soll die Haut kühlen, kann unter der Gamasche aber problematisch werden: "Durchnässte, feuchtwarme Haut ist um ein Vielfaches anfälliger für eine Infektion mit Bakterien und Pilzen", warnt Dr. Marlin. Optimal wäre darum eine Gamasche, unter der das Pferd dank ausreichender Belüftung erst gar nicht ins Schwitzen kommt. Zumindest muss Feuchtigkeit nach außen abdampfen können, damit die Haut unter der Gamasche nicht im eigenen Saft schmort.

Sportler brauchen aber nicht nur ein gutes Klima auf der Haut. Die Ausrüstung muss auch gut sitzen und darf nirgendwo drücken oder reiben. Das bedeutet für Gamaschen: Eine optimale Verschnallung, die sich präzise ans Pferdebein anpassen lässt. Sonst kann die Trainingseinheit schnell zur Qual werden: "Versuchen Sie mal, mit einer festsitzenden Bandage an Ihrem Fesselgelenk und der Achillessehne eine Runde Joggen zu gehen. Sie werden bei jedem Schritt Schmerzen im Bereich der Achillessehne spüren und nicht mehr unbeschwert laufen können", beschreibt Dr. Marlin. "Hinterher kann es dort, wo Sie das Bein bandagiert haben, zu Schwellungen kommen und vielleicht zieht der Schmerz sogar in die Knie und in die Hüfte." Genauso würde es dem Pferd mit einer zu eng sitzenden Gamasche gehen, wie der Wissenschaftler betont.

Wenn Pferde Gamaschen brauchen, muss der Beinschutz also einiges leisten. Und da lassen sich die Hersteller immer wieder etwas Neues einfallen. Manche Modelle versprechen etwa besondere Luftigkeit. Andere fallen durch innovative Verschlüsse auf – für leichtes Handling und sicheren Halt. Doch halten die Gamaschen auch, was sie versprechen? Wir haben acht Modelle in der Praxis getestet – beim Reiten, vor der Kutsche, an der Longe und sogar beim Wälzen.

Die Test-Gamaschen haben wir jeweils mit einem etwas unterschiedlichen Fokus betrachtet: Bei vier Modellen, die besonders luftig sein sollen, lag der Testschwerpunkt natürlich auf der Luftigkeit; bei vier weiteren Modellen schauten wir vor allem, wie die innovativen Verschlüsse zu handhaben sind. Vorab sei verraten: Einige Test-Gamaschen zeigten Schwächen und hielten den Erwartungen nicht stand.

Gamaschen im CAVALLO-Test

"MESH TEC DAILY" VON GERA

Das zeigte der Test: Das Material auf der Innenseite (Non-Slip-Schaum) soll laut Hersteller atmungsaktiv sein. Im Praxistest schwitzten die Beine der Testpferde allerdings stark unter den Gamaschen. Das Testmodell saugte sich mit Schweiß voll und trocknete schlecht.

Fazit: Besondere Luftigkeit bestätigte sich im Test nicht. Rund 60 Euro, www.geragamaschen.de

CAV Gamaschen Test Mesh Tec Daily
Lisa Rädlein
Gamaschen

"AIRFLOW" VON FELIX BÜHLER

CAV Gamaschen Test Airflow
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: Kaum Schweißbildung unter der Gamasche (Außenschale aus TPU-Kunststoff, Innenfutter aus Chloropren-Kautschuk). Allerdings erwärmten sich die Pferdebeine nach Meinung der Tester auch nicht weniger als unterm gewohnten Beinschutz, der keine besondere Luftigkeit verspricht. Die Fesselköpfe erwärmten sich sogar stärker als sonst. Mögliche Erklärung: Die Elastikbänder der Schließen sind sehr kurz, so dass die Gamasche trotz eigentlich passender Größe womöglich zu eng anliegt.

Fazit: Besondere Luftigkeit bestätigte sich nicht. Rund 55 Euro, www.kraemerpferdesport.de

"PRO MESH" VON BR

CAV Gamaschen Test Pro Mesh
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: Die Tester stellten unter diesem Modell (außen atmungsaktives Pro Mesh BASF TPU, innen perforierte Schaumeinlage) nur eine leichte Schweißbildung fest; das Bein erwärmte sich weniger als unter den gewohnten Gamaschen. Das Testmodell beurteilten sie als robust und solide verarbeitet. Die Gamasche saß etwas starr am Bein; die raue Außenseite ist schwer sauber zu halten.

Fazit: Wenig Schweißbildung, ordentliche Luftigkeit. Rund 55 Euro, www.br.nl

"CARBONE” VON NORTON

CAV Gamaschen Test Carbone
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: So gut wie keine Schweißbildung. Die Beine erwärmten sich unter diesen Gamaschen weniger als unterm herkömmlichen Beinschutz. Das Modell (Innenseite aus Neopren, beschichtet mit Jersey u. Futter aus Mesh-Gewebe) scheint wie versprochen Feuchtigkeit über die Lüftungslöcher abzutransportieren. Nachteile: Passen trotz Größe L nicht auf stämmigere Warmblutbeine. Die vergleichsweise schmalen Gummibänder der Gamasche könnten bei längerem Tragen einschnüren.

Fazit: Die Gamasche sorgt für luftigeres Klima auf der Haut. Ab rund 57 Euro, www.ekkia.de

Innovative Verschlüsse

"CARBON GEL VENTO" VON VEREDUS

Das zeigte der Test: Der Verschluss aus flexiblem Plastik ließ sich im Test tatsächlich leicht öffnen und schließen. Die Gamaschen boten perfekten Halt am Pferdebein auch bei starker Beanspruchung. Das breite Gummiband der Schließen dürfte ein Einschnüren verhindern. Für kräftige Beine aber etwas knapp. Unter den Gamaschen (außen: Carbon mit Nitrex-Gel; innen: mikrogelochtes Neopren mit Mesh-Gewebe) kam zudem keines der Testpferde stark ins Schwitzen.

Fazit: Gamasche mit gutem Verschluss sowie guter Passform, die beim Handling hält, was sie verspricht. Rund 165 Euro, www.veredus.com

CAV Gamaschen Test Carbon Gel Vento
Lisa Rädlein
Gamaschen

"FLEXISOFT AIR EASY" VON ESKADRON

CAV Gamaschen Test Flexisoft Air Easy
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: Der innovative Spannverschluss – ähnlich wie bei einem Ski-Schuh – ließ sich mit etwas Übung präzise einstellen sowie leicht öffnen und schließen. Guter Sitz am Pferdebein. Unter den Testgamaschen (Außenschale aus TPE, mit Luftkanälen; innen atmungsaktives gelochtes Neopren) schwitzten die Testpferde kaum.

Fazit: Praktischer Verschluss, guter Sitz. Rund 90 Euro, www.pikeur.de

"PERFECT PROTECTION" VON FELIX BÜHLER

CAV Gamaschen Test Perfect Protection
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: Vier Schließen sorgten für sicheren Halt, selbst beim Wälzen. Zudem kam kein Sand durch, was Scheuern vorbeugt. Beim Handling überzeugten die Verschlüsse nicht, sie waren knifflig zu bedienen. Wärme unterm Testmodell (TPU-Außenschale, innen Chloropren-Kautschuk) wie unter den gewohnten Gamaschen.

Fazit: Super Halt, Handling verbessungswürdig. Rund 50 Euro, www.kraemerpferdesport.de

"OPERA" VON ACAVALLO

CAV Gamaschen Test Opera
Lisa Rädlein
Gamaschen

Das zeigte der Test: Die Tester konnten den Verschluss bequem und schnell an der Außenseite einhaken. Die Gamasche saß mit einem Griff und ging genauso gut wieder ab – sogar mit dicken Handschuhen. Dank des breiten Elastikbands ließ sich die Gamasche individuell ans Pferdebein anpassen. Bei schmaleren Röhren war der Halt nicht optimal. Die Belüftung des Modells (innen Neopren mit Gel-Futter) kam im Test unterschiedlich gut an.

Fazit: Toller Verschluss! Halt & Luftigkeit teils nicht optimal. Rund 130 Euro, www.acavallo.com

Braucht mein Pferd Gamaschen ?

1. Hohes Verletzungsrisiko:

Röhrbein und Fesselgelenk sind anfällig für Verletzungen, weil hier Bindegewebe und eine polsternde Muskelschicht fehlen. Die schützen den übrigen Pferdekörper recht gut vor Stößen und ähnlichen Einwirkungen von außen. Grundsätzlich sollten deshalb Pferde, die im Sport einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind, Gamaschen tragen. Das betrifft vor allem Spring- und Vielseitigkeitspferde. Aber auch wenn Pferde nur freizeitmäßig ab und an kleine Hindernisse springen, sind Gamaschen sinnvoll. Auf Ausritten oder -fahrten in sehr unwegsamem oder steinigem Gelände schützen Gamaschen das Pferdebein vor Abschürfungen. Dabei gilt: Je mehr das Pferd in Bewegung ist, umso luftiger sollte die Gamasche sein.

2. Individuelle Gründe:

Manche Pferde können auch im "Normalbetrieb" einen Beinschutz vertragen. Tiere, die zeheneng oder fassbeinig stehen oder mit den Hinterbeinen sehr weit untertreten, neigen dazu, sich mit den eigenen Eisen zu streifen. Gleiches gilt bei sehr schreckhaften oder jungen Pferden, die oft Schwierigkeiten haben, ihre Bewegungen zu koordinieren. Hier soll die Gamasche Abschürfungen und leichten Prellungen vorbeugen.

Und so manches Pferd trägt den Beinschutz, weil er besonders ausgelassen auf der Weide tobt. Hier brauchen Sie ein Modell mit besonders gutem Sitz: Die Gamasche darf selbst nach mehreren Bocksprüngen nicht ins Rutschen kommen, gleichzeitig aber auch nicht einengen.

Generell gilt: Gamaschen sollten nie über längere Zeit ohne Aufsicht getragen werden, auch nicht beim Weiden auf der Koppel.

CAV Gamaschen Test 1
Lisa Rädlein
Beim Sprung über kleine Hindernisse ist Ihr Pferd mit Gamaschen sicherer unterwegs.
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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023