Nadine und Nelly satteln um! Ausnahmsweise. Für ein spannendes Experiment sitzen sie heute auf zwei fremden Pferden: Black Beauty, ein großer, dressurveranlagter Wallach mit viel Bewegung, und Lady, eine vielseitige, springbegabte Stute mit flacheren Gängen. Die beiden schwarzen Rösser gehen perfekt geradegerichtet und zuverlässig buckelfrei – die Reitsimulatoren gehören Sitz-Expertin Anja Schade, die mit deren Hilfe Sitzanalysen und – schulungen für Reiter anbietet.
Wir wollen herausfinden: Wie verändert sich der Sitz auf einem Reitpad? Wer ohne Sattel reiten möchte, nutzt meistens ein Reitkissen oder -pad – nicht nur um seinen eigenen Po zu polstern, sondern vor allem, um den Pferderücken vor spitzen Sitzbeinhöckern zu schonen. Reitpads sollen vor allem den Druck des Reiter-Popos besser abpuffern, aber auch einen ausbalancierten Sitz schulen. Wie gut das gelingt, beurteilen im Normalfall Reiter und Trainer. Die Messungen der Reitsimulatoren sollen diese subjektiven Eindrücke ergänzen – und liefern bei unseren Proberitten weitere spannende Fakten.
Die Sitzanalysen starten im gewohnten Sattel
Die Testreiterinnen: CAVALLO-Redakteurin Nadine Szymanski und CAVALLO-Praktikantin Nelly Leitenberger haben jeweils ein eigenes Pferd und reiten regelmäßig mehrmals in der Woche. Die Testpferde: Reitsimulatoren "Black Beauty” (Schwerpunkt Dressur, mit Dressursattel) und "Lady Ladina" (Schwerpunkt Vielseitigkeit, mit Springsattel), hergestellt von der britischen Firma Racewood. Sie bewegen sich wie reale Pferde und können sämtliche Gangarten und verschiedene Tempi nachahmen.

"Der Reitsimulator ist ein tolles Instrument, um Sitzschwächen und dadurch resultierende falsche oder ungenaue Einwirkung unverfälscht zu erkennen", erklärt Sporttherapeutin Anja Schade, die das Reitsimulator-Zentrum in Langenselbold bei Frankfurt betreibt. "Auf dem echten Pferd wirken doch immer andere Faktoren mit ein, die den Reiter beeinflussen können."
Zudem zeigen die Messdaten der Simulatoren, ob ein Reiter im Schwerpunkt sitzt – Informationen, die Trainer von außen nicht unbedingt sehen oder erahnen können.

Für das Experiment haben wir zwei Reitpads gewählt, die jeweils für eine Gruppe von Produkten stehen, die im Handel erhältlich sind. Das sind zum einen Reitkissen, die das Reitergesäß weich polstern und keine formgebenden Elemente haben, die den Reitersitz unterstützen. Zum anderen gibt es stabilere Reitpads mit Schaumstoff-Einlagen, die sowohl die Wirbelsäule des Pferds entlasten als auch den Reitersitz durch ihre anatomische Form unterstützen sollen. In unserem Test haben wir, stellvertretend für die weichen Reitkissen, das Loesdau "Bareback Pad Mesh" verwendet, sowie, stellvertretend für die stabileren Reitpads, das Modell "Inglesa" von La Bona.

Die Reiterinnen absolvieren pro Reitsimulator drei identische Durchläufe in allen Gangarten, davon je einmal mit Sattel, einmal mit dem Reitkissen und einmal mit dem Reitpad. Mess-Sensoren übertragen die Daten im Anschluss der "Ritte" auf den Monitor. Die Sitzanalysen erhalten die Reiterinnen erst nach den Messungen, damit sie unbeeinflusst bleiben.

Zunächst sollen die Reitsimulatoren den Ist-Zustand messen, also aufzeichnen, wie die Reiterinnen im gewohnten Sattel sitzen. Für Nadine Szymanski ist Reitsimulator Black Beauty wegen seiner größeren Bewegungen nicht ganz so bequem. Auch mit dem Dressursattel kann sie sich nicht anfreunden. "Ich fühle mich darin eingeengt und kann nicht locker sitzen", urteilt sie.
Die Mess-Ergebnisse spiegeln ihr Gefühl wider. Die Messung im Springsattel zeigt, dass sie in allen Gangarten zentriert sitzt, auch wenn sie im Becken viel Bewegung zulässt. Im Dressursattel dagegen ist ihr Schwerpunkt mehr nach vorne verlagert und auch mal öfter daneben. "Die größeren Bewegungen des Reitsimulators Black Beauty haben Nadine viel mehr aus deiner Stabilität gebracht", deutet Anja Schade die Analyse. "Es ist erkennbar, dass dieser Sattel ungeeigneter für die Reiterin ist, da er ihren Sitz beeinflusst und ihre Neutralstellung des Beckens weniger zulässt. Ich bin gespannt, wie sich ihr Sitz auf den Reitpads verändern wird."

Nelly Leitenberger sitzt in beiden Sätteln tendenziell nach links, im Schritt mehr hinten, im Trab mehr vorne. Im Galopp ist sie deutlich zentrierter, aber auch mit Linkstendenz. Sie fühlt sich im Dressur- und im Springsattel gleichmaßen wohl.
Die Reitpads sorgen für Überraschungen
Lady und Black Beauty werden umgesattelt. In den weiteren Durchläufen probieren die Reiterinnen jedes Pad auf jedem Reitsimulator einmal aus.
Black Beauty trägt zuerst das Pad von La Bona, Lady wird das Reitkissen von Loesdau umgeschnallt. Nadine sitzt auf dem für sie so unbequemen Black Beauty mit dem Reitpad von La Bona – und atmet auf. "Das fühlt sich viel besser an!" Als Anja Schade nach dem Messdurchlauf die Ergebnisse anschaut, ist sie überrascht. "Du sitzt viel zentrierter." Weder im Schritt, Trab noch im Galopp sind Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Die Reiterin bestätigt, dass sie das Gefühl hatte, frei beweglich und völlig entspannt im Gleichgewicht sitzen zu können.

Mit dem Reitkissen von Loesdau auf Lady erlebt Nelly zunächst genau das Gegenteil. Die Sitzexpertin staunt: "Die Analyse zeigt deutlich, wie sehr du aus der Stabilität geworfen wurdest. Du sitzt komplett links – so extrem habe ich das noch nie gesehen." Ihr erstes Urteil: Ein solches Modell wäre für die Reiterin und ihr Pferd keine gute Wahl.
Nadine hat auf dem weichen Reitkissen das Gefühl, dass sie ihre Beine nicht so gut ans Pferd bekommt. Es fühlt sich kaum fester an als eine dicke Schabracke. Die Messungen der Reitsimulatoren mit diesem Reitkissen zeigen bei beiden Reiterinnen im ersten Durchlauf ein ziemliches Sitz-Durcheinander: Mal sitzen sie zu weit rechts, mal zu weit links, mal mehr hinten und malvorlastig. Nadine spürt, dass das Kissen verrutscht und muss sich zurechtrücken, um im Gleichgewicht zu sitzen – das ist auch auf dem Messbild deutlich erkennbar. Doch im zweiten Durchlauf können beide sich auf dem Reitkissen etwas ausbalancierter positionieren.

Die Sitzposition beim La Bona-Pad ist durch die Polstereinlagen höher, sodass die Beine besser aus der Hüfte heraus herunterfallen und nicht so stark abgespreizt werden. "Oh, das ist bequem", ist hier auch Nellys erstes Urteil. Das bestätigt die Sitzanalyse. Nelly sitzt viel zentrierter – und diesmal sogar nicht linkslastig, sondern eher mehr rechts. "Das Pad stabilisiert die Reiterin mehr als der Sattel", meint Anja Schade.
Bewegungsmuster verändern sich nicht
"Es war bei den Reiterinnen spannend zu sehen, wie sehr die Sättel ihren Sitz beeinflusst, ja sogar behindert haben", resümiert die Sporttherapeutin. Denn beide waren nach mehreren Durchläufen in der Lage, auf beiden Pads eine zentriertere Position einzunehmen als in den Sätteln.

Dennoch sei bei Nadine und Nelly ein Grund-Bewegungsmuster erkennbar, das auch beim Umstieg auf die Reitpads immer wieder durchgeschlagen sei. Während Nadine dazu neigt, sich im Becken zu stark bewegen zu lassen, verlagert Nelly ihr Gewicht deutlich mehr auf die linke Körperseite.
Das weiche Reitkissen habe beide Reiterinnen beim ersten Ritt aus der Balance gebracht und Sitzschwächen verstärkt, urteilt Anja Schade. Es sei aber erkennbar gewesen, dass sie in der Lage waren, sich darauf im Laufe der weiteren Durchgänge wieder mehr zu stabilisieren. Dagegen habe das stabile, formgebende Reitpad den Reiterinnen von Anfang an mehr Festigkeit gegeben und sie unterstützt, sich mittig im Schwerpunkt zu positionieren. "Die Form dieses Pads bringt die Reiter sofort in eine gute Position", sagt Schade.

Fazit der Proberitte: Reitpads verändern den Sitz tatsächlich. Auf dem weichen Reitkissen verstärken sich die Sitzfehler zunächst. Unter Anleitung sind die Reiterinnen jedoch in der Lage, sich selbst gut zu korrigieren. Das festere Reitpad gibt beiden eine stabile Grundlage. Darin können sie auf Anhieb im Gleichgewicht sitzen. Interessant: Die Sättel geben zwar mehr Stabilität, fördern aber nicht das natürliche Gleichgewicht. Auf den Reitpads sitzen beide Reiterinnen zentrierter und ruhiger.
Was misst der Simulator?
Der Reitsimulator kann die Bewegungen der Grundgangarten naturgetreu nachahmen. Vier Sensoren messen die Gewichtseinwirkung des Reiters. Sie zeigen, ob der Reiter zentriert sitzt oder sein Gewicht mehr nach vorne, hinten, links oder rechts verlagert. Je ein Zügelsensor auf der linken und der rechten Seite misst, wie gleichmäßig die Verbindung zum Pferdemaul ist. Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite gibt es jeweils drei Schenkelsensoren, die die Schenkellage und Schenkelhilfen des Reiters erfassen.

Alle Messungen im Überblick
Die Sitzanalysen beider Reiterinnen in den Sätteln und auf den Reitpads: Was die Reitsimulatoren gemessen haben und was die Sitzexpertin erkannt hat.


Die Testreiter

Nadine Szymanski, CAVALLO-Redakteurin, reitet mehrmals in der Woche ihren eigenen Hannoveraner-Wallach Callando.

Nelly Leitenberger, CAVALLO-Praktikantin, sitzt nicht nur im Sattel ihrer Warmblutstute Sternschnuppe, sondern ist auch im Voltigieren aktiv.