Pferdekenner Frédéric Pignon und Magali Delgado
Kuscheln und feine Reitkunst

Die Pferdekenner Frédéric Pignon und Magali Delgado verbinden Reitkunst und Kuscheln zur Mega-Show. Wie das geht, erfahren Sie hier.

CAV CAV Frédéric Pignon Magali Delgado
Foto: Rädlein

Gerade piafferten sie noch, jetzt liegen zwei Falbhengste und ihre Reiter entspannt im Reitbahnsand. Es sind die Lusitanos Mandarin und Nacarado sowie Magali Delgado und Frédéric Pignon. Die bekannten Showreiter stehen für besonders einfühlsamen und feinen Umgang mit ihren Pferden. Sie wechseln blitzschnell zwischen Kunst und Kuscheln, von schwerer Dressur zu entspanntem Spiel.

Und das überall, wo sie gerade sind – auf dem heimischen Reitplatz in Südfrankreich ebenso wie in den Show-Arenen der ganzen Welt. Das für bewegende Freiheitsdressur und feine klassische Reitkunst bekannte Paar lebt mit Sohn Noah und etwa 30 Pferden auf einem Hof in der Nähe von Avignon. Hier gewährte es CAVALLO im Sommer 2012 exklusive Einblicke in neue Showprojekte und die Arbeit mit Showreiter-Nachwuchs. Bevor Pignon und Delgado sich ihrem Besuch widmen können, müssen sie erst einmal Mandarin wieder einfangen. Der Falbe hat einen unbeobachteten Moment genutzt, um sich vom Reitplatz auf die benachbarte Wiese zu mogeln. Dort saust er fröhlich mit dem Kopf schlenkernd ein paar Mal im Kreis, bevor er zu grasen beginnt.

Unsere Highlights

Der Hengst lässt sich an der Mähne führen Seine Besitzer nehmen die Eskapade des Hengstes locker, obwohl auf der Wiese, nur durch ein dünnes Band abgetrennt, noch zwei andere Hengste grasen. Die schauen zwar interessiert, was ihr Kollege so treibt, lassen sich aber von dem Frechdachs nicht aus der Ruhe bringen. Gelassen sammelt eine Pflegerin den Hengst ein und führt ihn an der Mähne in seine Box.

Die Stimmung bleibt locker. Wie bei allem, was Pignon und Delgado mit ihren Pferden machen, fällt kein lautes Wort. Harte Gesten und böse Gesichter gibt es nie. Dafür streicheln, tätscheln, kraulen und kuscheln Pignong und Delgado, was das Zeug hält. leisen Worte „C‘est bien, mon cheval!“ („Das ist gut, mein Pferd!“) erklingen zigfach den ganzen Tag lang. „Pferdetraining hat nichts mit Unterordnung zu tun“, sagt Frédéric Pignon. „Wir haben unsere Pferde, weil wir sie lieben. Sie sollen sich bei uns wohl fühlen und so frei sein, wie es eben geht.“

Die Pferde danken es ihm und spielen begeistert mit, wenn Pignon sie in die Bahn holt. Rennt er, rennen sie mit. Wenn er stoppt, bremsen und steigen sie. Und wenn er sie mit kleinen Gesten holt und dirigiert, gehen sie rückwärts oder seitwärts, verbeugen sich oder legen sich hin. Das richtige Maß an Freiheit findet Pignon dabei nicht mit Regeln und Formeln. Er beobachtet den Charakter der Pferde und die Qualität ihrer Beziehung.

„Niemand kann vorher sagen, wann es perfekt sein wird, auch ich nicht“, gibt er zu. Der wichtigste Indikator ist die Kontrolle übers Pferd: „Verliere ich die, muss ich dem Tier etwas engere Grenzen setzen.“ Zum Beispiel Friese Phoebus: „Er fängt an, mich zu schubsen, wenn ich ihn lasse. Passiert das, schicke ich ihn mit erhobenem Finger und mahnender Stimme etwas weg. Das erinnert ihn daran, meinen individuellen Abstand von etwa 50 Zentimetern zu respektieren. Er darf näher kommen und mich berühren, aber nur, wenn ich ihn durch Gesten dazu einlade.“

Der Vorteil der maximalen Freiheit: Sie macht Kontrolle unwichtig. „Pferde, die ständig gegängelt werden, nutzen jede Lücke, um zu entkommen“, sagt Pignon. „Unsere Pferde hauen nicht ab. Sie sind gerne bei uns.“ So wie Mandarin, der nach seinem kleinen Ausflug ganz ohne Strafe willig folgt.

Piaffen ohne Gebiss und mit feinen Hilfen

Freie Pferde strengen sich gerne für ihre Menschen an. Das demonstriert Magali Delgado mit Lusitano Galito. Ohne Gebiss, nur an einem einfachen Reithalfter mit Zügeln, dirigiert sie den achtjährigen Hengst durch anspruchsvolle Dressurlektionen. Spanischer Schritt, Pia¢ e, Passage, Pirouetten, Kompliment und Verneigung, aber auch immer wieder rasanten Galopp zeigt der prächtige Schimmel auf kaum sichtbare Signale.

Seine Mähne fliegt, die Ohren spielen lebhaft, die Augen blitzen fröhlich. Für ihn ist das Training nichts anderes als ein Spiel. Delgado achtet darauf, dass er nicht müde wird oder die Lust an einer Lektion verliert. „Wir arbeiten nicht mit den Pferden, wir verfeinern die Beziehung“, beschreibt Pignon ihre Philosophie.

Es geht nicht um Leistung, sondern um die Freundschaft zwischen Pferd und Mensch. Sie ist der Grund, warum Pignon und Delgado seit über zehn Jahren auf ihrem kleinen Hof leben und dort auch bleiben wollen. „Es ist zwar recht eng, aber hier sind wir dicht bei unseren Pferden und können in ihrem Rhythmus leben“, sagt Pignon. „Erfolg mit Pferden erfordert viel Geduld. Wer versucht, etwas zu beschleunigen, verliert sofort die Leichtigkeit.“

CAV Frédéric Pignon Magali Delgado
Rädlein
Spaß muss sein!

Stundenlang schauen und schmusen

CAV CAV Frédéric Pignon Magali Delgado
Rädlein
Vertrauen zwischen Mensch und Pferd.

Der Ausbilder verbringt deshalb viele Stunden damit, den Tieren auf der Weide nur zuzuschauen oder mit ihnen zu schmusen. „Das ist auf einer großen Anlage mit vielen Leuten nur schwer möglich, aber die absolute Voraussetzung für harmonische Beziehungen, wie wir sie uns wünschen.“ Selbstverständlich ist diese Harmonie nicht nur für daheim reserviert. Auch bei Showauftritten soll die enge Verbindung zwischen Pferd und Mensch erhalten bleiben – und sichtbar werden. „Dabei hilft es enorm, wenn im Training entspanntes Ferien-Feeling herrscht.

Aber auch die Shows selbst müssen Reitern und Pferden vor allem Spaß machen“, sagt Frédéric Pignon. Dafür verzichten Magali Delgado und Frédéric Pignon auf ein großes Haus und exklusive Autos. Denn Shows sind teuer. Ihr neues Projekt, ein abendfüllendes Programm, das noch in diesem Jahr Premiere haben soll, verschlingt schon vorab eine Menge Geld, zum Beispiel für den Kauf neuer Pferde. „Natürlich könnten wir uns dafür einen Produzenten suchen, der die Investitionen schultert“, sagt Pignon. „Doch das wollen wir nicht. Wir möchten unabhängig bleiben.“

Wer große Summen investiert, will mitbestimmen. „Für hohe Erträge werden dann auf Tourneen sieben bis acht Auftritte pro Woche gefordert“, sagt Pignon. Doch das schadet den Akteuren. „Mehr als fünf Shows verderben allen schnell den Spaß.“ Auch um den Show-Nachwuchs kümmert sich das Trainer-Paar selbst. „Als wir von 2003 bis 2008 mit der Show Cavalia weltweit auf Tour waren, haben wir gemerkt, wie schwierig es war, Ersatz für ausgefallene Reiter zu finden.“

Es wuchs die Idee, selbst eine Schule für angehende Reit-Künstler zu gründen. 2011 wurde der Traum dann wahr. In der „Cité du Cheval“ von Tarascon/Provence können Show-Aspiranten nun das Handwerkszeug für den Bühnenerfolg lernen. Die Nachwuchspferde stammen überwiegend aus der Familie. „Meistens kommen sie aus der Lusitano-Zucht meiner Eltern“, sagt Magali Delgado. „Wir kennen ihre Vorfahren und können oft gut einschätzen, wie ein Pferd sich verhalten und entwickeln wird. Und wir können durch unsere Erfahrungen auch die Zuchtauswahl beeinflussen.“

Jungpferde ausbilden

Trotzdem ist nicht jedes talentierte Jungpferd für die Bühne geboren. „Ins Showteam kommen nur Pferde, die Auftritte, Applaus und das Publikum lieben“, sagt Pignon. „Haben Tiere keinen Spaß daran, etwa weil sie sich auch nach längerem Training in der Arena fürchten, suchen wir ihnen einen anderen Job und vermitteln sie gelegentlich auch an neue Besitzer.“ Dabei achten Pignon und Delgado darauf, dass die Pferde wirklich glücklich werden.

„Wir suchen die Käufer sehr sorgfältig aus“, sagt Pignon. „Niemand bekommt bei uns einfach so ein Pferd.“ Den Tieren soll es nicht schlechter gehen als ihnen selbst. Frédéric Pignon und Magali Delgado sind schon seit über 20 Jahren miteinander glücklich. Die beiden 45 Jahre alten Pferdeprofis lernten sich Anfang der 1990er-Jahre in einer südfranzösischen Reitschule kennen. Sie hatten schon in ihrer Kindheit von den Eltern gelernt, Pferde respektvoll und sanft zu behandeln. Und sie schufen beide schon als Kinder mit den Geschwistern kleine Shownummern und hatten das Trick- und Schaureiten gelernt.

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Spaß bei den höchsten Lektionen.

Zwei Showtalente ergänzen sich perfekt

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Magali Delgado sitzt seit ihrer Kindheit im Sattel.

Ihre Interessen ergänzten sich perfekt. Pignon hatte sich vor allem mit der Kommunikation und dem natürlichen Verhalten von Pferden beschäftigt. Delgado kannte sich in der klassischen Dressur bestens aus und war in Dressuren bis Grand Prix erfolgreich. Gemeinsam entwickelten sie sich weiter, wurden international berühmt. 2013 kann sich jeder von den beiden und ihren fröhlichen Pferde inspirieren lassen. Der Wu Wei-Verlag bringt ein neues Buch der zwei mit Fotos von Gabriele Boiselle heraus und veranstaltet einen Kurs. Und CAVALLO präsentiert das Paar bei der Pferdemesse Equitana.

Fühlt Euch frei

Freie Pferde in einer Show – das klingt wie ein unauflöslicher Widerspruch. „Pferde sind am schönsten, wenn sie frei auf der Weide spielen“, sagt Frédéric Pignon. „Das möchte ich auch in die Manege bringen.“

Natürlich sind Pferde in einer Show-Arena nicht frei. Doch gezielte Vorbereitung hilft ihnen, so zu tun, als wären sie es. Sechs Araberfüchse, zwischen vier und sechs Jahre alt, haben bei Pignon künftig den Job, einen Hauch von echtem Herdenleben in die Kunstwelt der Pferdeshows zu bringen. "Sie sollen in der Arena so spielen und toben, wie sie es auch auf der Weide tun“, wünscht sich Pignon.

Er will nur wenig eingreifen, das Vergnügen eher moderieren als steuern. Die sechs Hauptfiguren der Nummer sind nicht nur auf der Bühne zusammen. „Für ein echtes Spiel müssen sich die Tiere gut kennen. Deshalb leben sie alle in einer Herde“, sagt Pignon. Damit sie sich einzeln lenken lassen, ist sorgfältige Beziehungsarbeit nötig. „Zuerst baue ich zu jedem Pferd einzeln ein enges Verhältnis auf. Dann arbeite ich mit Zweierteams aus befreundeten Pferden. Diese Freunde orientieren sich auch in der großen Gruppe aneinander“, sagt Pignon.

Wenn alle zusammen sind, behält der Trainer auf drei Wegen die Kontrolle: Per Namen, Blickkontakt oder gezielt gewählter Lautstärke kann er jedes Pferd ansprechen und dirigieren. Die Araber-Wallache treffen sich nicht nur im Training, sie leben auch zusammen. Frédéric Pignon kann jedes Pferd einzeln ansprechen und die Truppe so ordnen. Echte Kumpel: Die Füchse sind eine Herde, Pignon gehört auch dazu.

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Freiheit als höchstes Gut.

Die Show-Schule

Seit 2011 fördern Magali Delgado und Frédéric Pignon den Künstler-Nachwuchs im Sattel. In Tarascon bei Arles/Südfrankreich gründeten sie eine Schule für Showreiter. Um die zehn Studenten pro Jahrgang lernen dort zehn Monate lang neben dem richtigen Umgang mit Pferden auch Tanzen, Singen, Englisch und vieles mehr, was ihrer Karriere nützt.

Frédéric Pignon und Magali Delgado unterrichten Reiten, Bodenarbeit und das Fach „Inszenierung“. Externe Profis helfen den Studenten in den anderen Disziplinen. Und 22 vierbeinige Showprofis
sowie acht Nachwuchspferde aus dem Besitz von Pignon und Delgado vermitteln das nötige Pferde-Know-how.

Menschen und Pferde leben auf dem Gelände der „Cité du Cheval“. Die „Stadt des Pferds“ ist eine ehemalige Kavallerie-Reitschule. Heute ist hier ein Ausbildungszentrum für Berufe rund ums Pferd untergebracht, wo auch künftige Reitlehrer ihr Handwerk lernen. Der nächste Show-Kurs beginnt im
April 2013. Er ist offen für Reiter, die alle Grundgangarten sicher reiten können und daneben eine künstlerische Disziplin beherrschen, etwa Gesang, Tanz, Malerei oder Akrobatik. Unterrichtssprache
ist Französisch.

Bewerber schicken einen Lebenslauf sowie ein Video. Ausgewählt werden die Studenten in Castings, die noch bis März 2013 stattfinden. Die Ausbildung kostet 7500 Euro pro Jahr, dazu kommen Lebenshaltung und Miete. Weitere Infos finden Sie hier: www.equestre.arles.cci.fr

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Vor dem Auftritt gibt es ein Briefing und auf dem Abreiteplatz letzte Reit-Tipps für die Studenten.
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Erscheinungsdatum 17.05.2023