Jedes Pferd, das ich aus Marokko hole, ist eine gerettete Seele", sagt Dr. Susanne Geipert, 35. Seit gut acht Jahren züchtet sie im hessischen Laubach Araber-Berber und benannte ihr Gestüt nach dem berühmten Berber-Krieger Azzayani. Während der für die Freiheit Marokkos kämpfte, streitet Geipert für eine erstklassige Araber-Berber-Zucht in Deutschland, in der die Klasse beider Rassen verschmelzen soll. 30 der rund 120 bundes-deutschen Araber-Berber stehen auf ihrem Gestüt, darunter die fünf einzigen gekörten Hengste.
"Alles Originalimporte", sagt Geipert und beobachtet kritisch ihre neueste gerettete Seele, die zugleich gekört ist: Rapphengst Houssam Ait Azzayani, 5, lebt seit Juli 2002 in Deutschland und war mal wieder ein Zufallstreffer. "Die besten Pferde finde ich in Marokko immer zufällig", erzählt Geipert. Sie ist Agraringenieurin, arbeitete zehn Jahre in nordafrikanischen Entwicklungsprojekten, spricht fließend Arabisch und kennt Land und Leute. Trotzdem kämpft auch sie auf jeder Marokkoreise mit schlechten Straßen, sturen Bauern und lahmer Bürokratie.
"Viele denken, ich fahr’ da runter, lad’ die tollsten Pferde auf und fahr’ wieder nach Hause", sagt Geipert. "Das ist aber ganz anders. Ich fahre Tausende von Kilometern für eine Handvoll guter Pferde." Nur wenige der 160 000 marokkanischen Araber-Berber entsprechen nämlich Geiperts Qualitätsanforderungen: guter Charakter, korrektes Exterieur, richtiger Typ.
"Houssam war ein Tip von einem LKW-Fahrer. Der fragte, ob wir schwarze Pferde suchen." Also fuhr Geipert zum Züchterstall, guckte in die landestypische Steinbox und war entzückt. "In so einem Moment gilt es, nicht zu viel zu grinsen, sonst wird’s immer teurer."
Zuchthengst aus Marokko

"Solange wir auf die Ausreisegenehmigung für die Pferde warten, kriegen die Tiere ein Basistraining", erzählt Geipert. Sie lernen stillstehen, aufsitzen lassen, Schritt, Trab und Galopp. Außerdem gewöhnt man sie an typisch deutsche Dinge wie Elektrozäune und Selbsttränken, damit die Pferde in Europa keinen Kultur-schock bekommen.
"Die Pferde kennen keine E-Zäune, haben keinen Respekt davor und würden einfach durchrennen", sagt Geipert. "In Nordafrika sind Pferde in erster Linie Nutztiere, die zum Überleben dienen", erzählt Geipert. Natürlich schätzen die Züchter ihre Pferde, doch deutsche Maß-stäbe für Selektion, Haltung und Ausbildung sind ihnen fremd.
Viele Pferde stehen irgendwo in Hinterhöfen; manche sind im Freien mit einem Strick um die Fessel angebunden. Einige Importpferde haben daher Narben an den Beinen, die laut Geipert keinen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit haben. "Bei kleineren Züchtern lernen die Pferde für die traditionellen Reiterspiele, die Fantasias, nur drei Gangarten: mittellangsam, mittelschnell und ganz schnell", sagt Birga Röhr, Bereiterin auf dem Gestüt Azzayani. Werden sie nicht für die Fantasias eingesetzt, verdienen sich Araber-Berber, zahlenstärkste marokkanische Pferderasse, ihr Futter bei Galopprennen oder vor dem Pflug.
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber
Zuchtziel der Araber-Berber

Der deutsche Verband der Freunde und Züchter des Berberpferds (VFZB), der auch die Araber-Berber betreut, verfolgt ein anderes Ziel. Er will ein Pferd, dessen Bau eher an den Berber als an den Araber erinnert – mit rundem, harmonischem Körper, kurzem Rücken und einem schmalen, ausdrucksvollen Kopf, der ein leichtes Ramsprofil haben darf. Das Ideal ist ein "arabisch parfümierter Berber", wie Christin Krischke, Gründungsmitglied des VFZB, griffig formuliert. Sie ist eine von nur drei Richtern für Berber und Araber-Berber in Deutschland. "Wir wollen einen veredelten Berber, mit schöneren Gängen und einem hübscheren Köpfchen", sagt Krischke.
Neben Körperbau und Ausdruck ist ihr vor allem das Verhalten der Hengste unterm Sattel wichtig, wenn sie gemeinsam im Viereck vorgestellt werden. "Ich will keine Taktfehler sehen, nur weil auf dem zweiten Hufschlag einer entgegen kommt", sagt Krischke. Mit Kehrtvolten und Hinterhandswendungen provoziert sie die Begegnungen und stellt die Hengste auf eine harte Probe. "Wer sich der Kontrolle des Reiters entzieht, besteht die Prüfung nicht – egal, wie gut sein Exterieur bewertet wurde."
Die offizielle Geschichte des Erfolgs-Mixes begann 1870, als die Franzosen Berber nach Europa holten. Um sie als Kavalleriepferde einzusetzen, veredelte man sie mit arabischen Vollblütern und legte Zuchtbücher an, die eine neue Rasse dokumentierten. Weil es schon damals Araber-Berber-Kreuzungen gab, schätzten die Franzosen die Rasse-Anteile bei der Eintragung ins Zuchtbuch einfach.
Aus diesen Schätzungen ergeben sich heute die Prozentangaben für die Zucht, die bis auf die zweite Kommastelle genau definieren, viel Araber und wieviel Berber in einem Pferd stecken.
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber
Ursprung der Rasse

Das birgt freilich Risiken. "Das ist, als ob man Claudia Schiffer mit Albert Einstein kreuzt", verdeutlicht Krischke. "Da kann man auch nicht davon ausgehen, daß von ihr die Schönheit und von ihm die Intelligenz vererbt wird."
"In Nordafrika unterschied man im Pferdehandel nicht zwischen Araber, Araber-Berber oder Berber", erklärt Geipert. "Da gab es nur ein gutes oder ein schlechtes Pferd, mit oder ohne Papiere."
Ein gutes Pferd ist ein gesundes Pferd, das mit wenig Futter hart arbeitet und stets leistungsbereit bleibt. "Da wird nur vermehrt, was eine Kolik ohne Tierarzt überlebt", beschreibt Geipert, die ebenfalls von der Selektion auf Gesundheit profitiert. "Wenn ich auf meinem Gestüt mit 30 Pferden zweimal im Jahr einen Tierarzt brauche, ist das schon viel."
Außerdem müssen sich die Tiere in Marokko benehmen, gehorsam, ausdauernd und unerschrocken sein. Genau diese Eigenschaften schätzen deutsche Araber-Berber-Fans, die nervenstarke Leistungspferde suchen. Einer von ihnen, der 14jährige Azil, verhalf dem Hattinger Friedrich Lohmann (53) in neun Jahren zu einer musterhaften Distanzkarriere: Die beiden siegten bei 28 von 44 Ritten. "Dieses Pferd ist noch ehrgeiziger als ich", erzählt Lohmann, amtierender Deutscher Vize-Meister im Distanzreiten. "Der kämpft." Und zwar unerschrocken. Komme was da wolle, der Braune marschiert mit Lohmann überall durch. "Ich reite sogar mit ihm durchs Wasser", sagt sein Reiter stolz. Das ist in diesem Fall ausnahmsweise ein Vertrauensbeweis zum Pferd – Lohmann kann nämlich nicht
schwimmen.
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber
Araber-Berber mögen Menschen

Immerhin sind die Orientalen der Familie Urban vom Meisenheimer Gestüt El Asis so anhänglich, daß sie kaum ohne eine bekannte Person vom Hof gehen. "Die fremdeln richtig, wenn sie jemanden nicht kennen", sagt Züchterin Iris Urban, die seit zwei Jahren züchtet, ihre Pferde am Haus hält und hemmungslos schwärmt: "Unsere Araber-Berber haben soviel Seele, daß man immer meint, die fangen gleich an zu reden."
Solche Mythen und Legenden heizen die Nachfrage nach den Exoten an. Wer sich für Araber-Berber interessiert, hört unweigerlich Sprüche wie den vom "einzigen Hund mit vier Hufen" oder "das einzige Pferd, das lieber im Vorgarten steht als drinnen im Stall".
Das klingt beim ersten Hören herzig, führt aber viele in die Irre. Da gibt es die Pferdeneulinge, die bar jeder Erfahrung bei Geipert anrufen und fragen, "ob sie auch einen Araber-Berber kaufen können, wenn sie keinen Vorgarten haben", erzählt Geipert.
Die flotten Sprüche bergen eine weitere Gefahr: Sie stilisieren die Pferde zu Wundertieren, die sie nicht sind. Geiperts Pferde, die tags auf der Koppel und nachts in dunklen Boxen leben, benehmen sich wie andere Pferde auch. Keine Spur von auffälliger Anhänglichkeit beim Versuch, die Stuten und Fohlen an den Zaun zu locken.
Drei junge Hengste benehmen sich wie junge Flegel aller Rassen, als sie über die Wiese toben: Der eine wölbt den Hals, der andere schielt nach den Stuten, und der dritte bockt übermütig, ehe der Trupp die nächste Runde dreht.
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber
Vielseitig einsetzbare Rasse

Viele Araber-Berber haben Talent zum Tölt. Ihre handliche Größe um 1,50 Meter, dazu die flachen, ökonomischen Gänge ohne viel Schub und Schwung sorgen dafür, daß Araber-Berber relativ leicht zu sitzen sind. Vor allem Warmblut-reiter, die zum ersten Mal auf einem Marokkaner sitzen, sind verblüfft: Da bewegt sich nicht viel unterm Sattel. Der von Araber-Berber-Züchtern gelobte Raumgriff ist vielleicht von unten zu sehen, aber von oben kaum zu spüren.
"Viele würden gerne auf einem Warmblut springen, können es aber nur auf Berbern", sagt Krischke und meint damit, daß sich die Bewegungen der Araber-Berber besser sitzen lassen als die gewaltigen Bewegungen eines Sportpferds.
Ob raumgreifende Bewegungskünstler oder bequeme Flachtreter – unstrittig ist die Nervenstärke der Araber-Berber. Zum Beweis lassen Geipert und Röhr ihre spektakuläre Show auf der Equitana 2001 noch einmal Revue passieren.
Dabei zirkelten die beiden Frauen mit zwei Hengsten eine marokkanische Fantasia in den Essener Sand. "Wir sind in gestrecktem Galopp in die dunkle Halle reingebrettert, die dann mit einem Schlag beleuchtet wurde", erzählt Röhr und grinst.
Schüsse krachten, Musik dröhnte, die Fantasia-Imitation war perfekt. Die Hengste blieben völlig gelassen, obwohl sie die Nummer nie geübt hatten. "Aber die Leute sind vor Schreck fast vom Sitz gefallen."
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber
Araber-Berber
Größe: 1,50 bis 1,60 Meter Stockmaß.
Farben: 90 Prozent Schimmel; einige Rappen, Füchse, Braune, Falben und Isabellen.
Namen: nach dem Alphabet. Dieses Jahr fangen alle Namen mit B an, nächstes Jahr mit C.
Brände: keine. Pferde, die im deutschen Araber-Berber-Zuchtbuch eingetragen sind, bekommen einen Chip auf der linken Halsseite.
Einsatz: in Marokko Renn- und Arbeitspferde. In Europa Wander-, Distanz- und Westernreiten, klassische Dressur und Fahren. Viele Araber-Berber haben Springtalent. Kein Pferd für den Spitzensport, lernt aber jede Disziplin, egal in welcher Reitweise.
Preise: Fohlen ab 5000 Euro, angerittene Jungpferde ab 7500 Euro. Weil die Rasse so selten ist, sind die Preise relativ hoch.
Zuchtgebiet: Nordafrika, Frankreich, wenige Gestüte in Deutschland.
Verein der Freunde und Züchter des Berberpferdes, Heike Schirmböck, 1. Vorsitzende, Heideweg 24, 67133 Maxdorf, Tel. (06237) 3364.
Das CAVALLO-Rasseporträt – Araber-Berber