Die 14-jährige Friesenstute kam wegen chronischwiederkehrenden Koliken in die Pferdeklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Die Stute hatte seit ein paar Tagen Schmerzen und war dehydriert. Die typischen Kolikuntersuchungen waren relativ unauffällig.
Die Tierärzte ertasteten dann im Unterhautfettgewebe an seitlicher Brust- und Bauchwand sowie an der Hinterhand bis zu zehn Zentimeter große, feste Knoten; sie vermuteten eine Entzündung des Unterhautfettgewebes (Pannikulitis). Diese kann wiederum durch eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) hervorgerufen werden.
Eine Gewebeprobe (Biopsie) sicherte die Diagnose. Weil sich das Befinden der Stute trotz Medikamenten nicht besserte, musste sie eingeschläfert werden. Bei der Obduktion des Pferds fanden die Tierärzte tatsächlich neben einer chronischen Darmentzündung auch eine entzündete Bauchspeicheldrüse.
Wissenswertes zur Anatomie
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gliedert sich in drei Teile: den Pankreaskörper (Corpus pancreatis), den längeren linken Lappen (Lobus pancreatis sinister) und den kurzen rechten Lappen (Lobus pancreatis dexter). Die Drüse liegt ungefähr auf Höhe des 17./18. Brustwirbels und wiegt rund 350 Gramm. Sie ist über drei Kanäle (Ductus pancreaticus, Ductus pancreaticus accessorius sowie dem Gallengang Ductus choledochus) mit einem Teil des Dünndarms (Duodenum) verbunden.
Die Bauchspeicheldrüse spielt gleich auf zweierlei Art eine wichtige Rolle für die Verdauung. Im äußeren (exokrinen) Teil des Gewebes wird der Pankreassaft produziert, der für die Verdauung des Pferds essenziell ist. Der Saft enthält Enzyme, die die Hauptnährstoffe im Futter aufspalten: Eiweiße (aufgespalten durch Proteasen), Fette (aufgespalten durch Esterasen wie Lipase) und Kohlenhydrate (aufgespalten durch Carbohydrasen wie Amylase). Er wird direkt in den Dünndarm abgegeben.
Pro Tag produziert ein Pferd zwischen 30 und 35 Liter Pankreassaft. Je nachdem wie viel und was das Pferd frisst, ändert sich die Menge und die Zusammensetzung des abgegebenen Saftes. Ist das Futter eiweißreich, werden etwa vermehrt eiweißspaltende Enzyme produziert.
Im inneren (endokrinen) Teil des Pankreasgewebes liegen bis zu zwei Millionen Epithelzellhaufen, die Pankreasinseln (Langerhansschen Inseln). Sie produzieren die Hormone Glukagon und Insulin, die den Blutzuckerspiegel des Pferds regeln. Der Pankreas gibt die Hormone über feine Blutgefäße (Kapillaren) direkt ins Blut ab.
Entzündet sich die Bauchspeicheldrüse, kann sich das auf den gesamten Pferdekörper auswirken.
Was verursacht eine Bauchspeicheldrüsenentzündung beim Pferd?
Die Enzyme, die der Pankreas an den Dünndarm abgibt, werden größtenteils erst dort aktiviert. Das schützt die Bauchspeicheldrüse vor einer Selbstverdauung (Autodigestion). Verschiedene Einflüsse können jedoch zu einer solchen Selbstverdauung führen; dann entzündet sich das Gewebe der Drüse. Tierärzte unterscheiden bei Kleintieren zwischen einer akuten und einer chronischen Verlaufsform.
Die Ursachen für eine akute Pankreatitis sind nicht geklärt und beim Pferd noch sehr wenig untersucht. Vermutet werden aber bakterielle oder virale Infektionen, eine Wanderung von Parasiten, ein geschädigtes Immunsystem oder Entzündungsprozesse im Gallen- oder Pankreasgang. Beim Menschen ist bekannt, dass bestimmte Medikamente mit Bestandteilen wie Tetrazyklinen oder Östrogen zu einer akuten Entzündung führen können; das wird auch bei Pferden vermutet. Eine Störung des Fettstoffwechsels (Hypertriglyzeridämie) gilt ebenso als möglicher Auslöser wie eine vermehrte Getreidefütterung.

Im Fall einer akuten Pankreatitis wird in der Drüse dann Trypsinogen, die Vorstufe des Enzyms Trypsin, in seine aktive Form umgewandelt. Das Enzym zerstört so Zellen im Pankreas (Nekrosen); die dabei freigesetzten Enzyme können wiederum zu Nekrosen im Fettgewebe (Pannikulitis) oder Dünndarm führen.

Bei der chronischen Form wird das Gewebe (Pankreasparenchym) ebenfalls zerstört. Die Zellen im exokrinen Teil schwinden, das Gewebe vernarbt und wird teils durch Bindegewebe ersetzt. Die Bauchspeicheldrüse kann sich so vergrößern. Als Ursache gelten Parasitenlarven (wie etwa Strongylus equinus) sowie bakterielle Infektionen, die aus dem Dünndarm über die Pankreasgänge aufsteigen.
Wie macht sich eine Pankreatitis beim Pferd bemerkbar?
Eine akute Pankreatitis kann mit Kolik einhergehen, "vor allem einer Dünndarmkolik", sagt Dr. Anna May von der Pferdeklinik der LMU München. Auch Schweißausbrüche, Fieber und ein erhöhter Herzschlag gelten als Symptome, sind beim Pferd aber bisher wenig bekannt.
Bei chronischen Entzündungen sind diese unspezifischer: Die Leistung des Pferds fällt ab, es wird lethargisch und das Fell stumpf. Das Tier hat Schmerzen im Bereich des Abdomens, kann wiederkehrend koliken und abmagern. Auch Fieber tritt gelegentlich auf.
Wie stellt der Tierarzt die Diagnose?
"Eine Pankreatitis klar zu diagnostizieren, ist schwierig", betont Fachtierärztin Dr. Anna May. Zum einen sei die Pankreatitis noch nicht gut erforscht: Ob die entzündete Bauchspeicheldrüse die Ursache für Symptome wie Koliken sei oder sich aufgrund einer Kolik sekundär entzünde, sei oft unklar, so die Tierärztin. Ihre Einschätzung ist, dass eine Pankreatitis eher die Folge einer Kolik als deren Ursache sei.

Zum anderen sind die Diagnosemöglichkeiten begrenzt. Der Pankreas lässt sich aufgrund seiner Lage im Körperinneren mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall nicht darstellen. Ob die Drüse vergrößert ist oder ob es Anzeichen für eine tumoröse Veränderung gibt, können Tierärzte nur im Falle einer Operation sehen.
Die wichtigsten Marker sind die Werte von Amylase und Lipase im Blut. Diese Enzyme können im Fall einer Pankreatitis erhöht sein. Normal sind Werte von 3 bis 8 U/l (Amylase) bzw. 7 bis 16 U/l (Lipase). Das Problem: Koliken und Stress können die Werte ebenfalls erhöhen; fürs Pferd gibt es zudem keine eigenen Referenzwerte. Das will Dr. Anna May jedoch ändern: Gemeinsam mit Kollegen arbeitet sie derzeit an einer Studie, um Referenzwerte fürs Pferd festlegen zu können.
Diagnostizierte Fälle einer Pankreatitis beim Pferd sind selten. In den vergangenen 15 Jahren gab es lediglich fünf solcher Fälle an der Klinik der LMU, sagt Dr. May, ergänzt aber: "Aufgrund ihrer schwierigen Diagnostik ist die Krankheit vermutlich sehr unterdiagnostiziert und geht bei einer Kolik leicht unter."

So behandeln Tierärzte die Bauchspeicheldrüsenentzündung bei Pferden
Die Pankreatitis zählt für Dr. Anna May zum Kolik-Komplex und wird wie eine solche behandelt. Die Bauchspeicheldrüsenentzündung wird nicht isoliert diagnostiziert oder therapiert. Das Pferd bekommt Entzündungshemmer, um die entzündlichen Prozesse im Körper einzudämmen. Antibiotika bekämpfen Bakterien, die eine Pankreatitis auslösen können. Infusionen verhindern eine Austrocknung (Dehydration).
Wie lässt sich vorbeugen?
Einer Pankreatitis lässt sich ebenso vorbeugen wie einer Kolik – also kaum. Doch der Pferdebesitzer könne durch eine artgerechte Fütterung zumindest ein Stück weit das Risiko verringern, sagt Dr. Anna May. Heißt: "Mindestens 1,5 bis 2 Kilo Heu pro 100 Kilo Körpergewicht an Raufutter (Heu), und die Fütterung mit wenig Fresspausen über den ganzen Tag verteilen", so die Tierärztin.
Hohe Mengen an Getreidefütterungen würden dagegen das Risiko für Darmerkrankungen – und sekundär damit eventuell auch für eine Pankreatitis – erhöhen. Die zielgerichtete Entwurmung ist ebenfalls von Bedeutung.
Die Expertin

Dr. Anna May ist Fachtierärztin für Innere Medizin des Pferds und Diplomate European College of Equine Internal Medicine (ECEIM) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst als Assistenztierärztin in einer Privatpraxis, ehe sie wieder an die Chirurgische Abteilung der LMU zurückkehrte. www.vetmed.uni-muenchen.de