Pferderasse: Treue Traber im Test
CAVALLO testet Traber

Vom Rennpferd zum gelassenen, vielseitigen Reitpferd: Mit etwas Geduld lassen sich Traber umschulen. Auf Traber Yorin erlebt CAVALLO-Redakteurin Regina Kühr den schnellsten Galopp ihres Lebens.

CAV Traber Rassetest Gelände
Foto: Rädlein

Hand vor, etwas tiefer in den Sattel hineinsetzen, schmatzen“, ruft Dina Uhland. Gesagt, getan. Und dann geht‘s ab. Traber-Wallach Yorin spurtet los, wird flach und rennt. Mir bleibt einen Moment lang die Luft weg: Noch nie bin ich ein Pferd geritten, das binnen Zehntelsekunden aus dem Stand derart schnell wird. Doch ich brauche keine Angst zu haben. Yorin lässt sich ähnlich bequem sitzen wie im schönsten Schaukelgalopp.

Seine Ohren sind aufmerksam nach vorne gerichtet und liegen nicht etwa flach am Kopf, wie das bei einem Durchgänger der
Fall sein dürfte. Ich lasse ihn sausen. Leider werden wir schon bald gestoppt: Am Ende der Wiese ist ein Spazierweg, auf
dem etwa 20 Störche herumstaksen. Bevor wir für Federsalat sorgen, probiere ich ein zaghaftes „Whoa“. Damit soll ich den Traber aus jedem Tempo stoppen können, verriet mir Yorins Besitzerin Dina Uhland zuvor. Die Bereiterin und Trainerin C ist früher auf S-Niveau Spring- und M-Dressurturniere geritten.

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Heute führt sie mit ihrem Lebensgefährten Peter Seipp einen beim CAVALLOReitschultest empfohlenen Wanderreitstall in Ludwigshafen. Der neunjährige Yorin dreht seine Ohren in meine Richtung, bremst balanciert zum Schritt, dann steht er. Wieder bleibt mir die Luft weg – diesmal vor Begeisterung. Kann es sein, dass ich soeben auf einem ehemaligen Trabrennpferd den schönsten Galopp meines Lebens hingelegt habe? „Kann es“, sagt Dina Uhland, die auf Traber Fitou hinterher galoppierte. „Sie hätten ihn auch langsamer galoppieren können, er reagiert brav auf Zügel und Stimme.“

Traber sind schnell aber leicht zu zügeln

Überschwänglich lobe ich den 1,62 Meter großen Yorin, der sich dankbar zu mir umdreht. „Traber sind extrem menschenbezogen
und lieben Lob“, erklärt Dina Uhland. Yorin blickt mich aus großen, sanften Augen an. Kaum zu glauben, dass wir beide kurz zuvor noch im Full-Speed unterwegs waren. Der durchtrainierte Wallach pumpt weder noch hat er sich im Galopp aufgespult.

Und das, obwohl er eigentlich keine Fremdreiter kennt. „Die sind alle so cool“, sagt Dina Uhland, die ihre Traber für Preise zwischen 1000 und 2000 Euro direkt von der Rennbahn oder Zwischenhändlern holt und in Ruhe zu rittigen Verlasspferden umschult. Manche verkauft sie, andere bleiben als vielseitige Reitpferde in der Reitschule.

Die Leistungsbereitschaft von Yorin und Co. ist kein Zufall. Als eineinhalb- bis zweijährige Pferdekinder werden Trabrennpferde bereits ausgebildet und vor den Sulky gespannt. „Die Tiere müssen von Anfang an klar im Kopf sein, weil die Jungspunde sonst den Karren zusammentreten würden“, erklärt Uhland.

Als Traber bezeichnet man ursprünglich mehrere Pferderassen, die im Trabrennsport eingesetzt wurden. Der moderne Traber wird allerdings ausschließlich für die Rennbahn gezüchtet und ist ein hübscher Blüter. Durch den Einfluss des American Standardbreds besitzen viele Tiere zusätzlich zu Schritt, Trab und Galopp eine genetische Anlage zu Tölt und Pass. Die meisten sind braun und zwischen 1,45 und 1,70 Metern groß.

Wie unterschiedlich Traber vom Typ her sein können, sieht man an den drei Kandidaten von Dina Uhland und Peter Seipp. Während Yorin eher im Warmbluttyp steht, erinnert der zehnjährige Fitou an ein Vollblut. Der 17-jährige Reado Loh dagegen ist optisch eine Mischung aus Vollblut und Cob. Und das Hasenherz der Stallgemeinschaft.

„Loh ist immer gehfreudig“, sgt Dina Uhland. „Wie alle unsere Traber hat er noch nie gebuckelt, nicht mal auf der Koppel. Er ist jedoch manchmal etwas schreckhaft, ohne dass es für den Reiter gefährlich wird. In der Gruppe ist er völlig unkompliziert.“ Reado Loh hat in seiner ehemaligen Rennkarriere offenbar einiges auf den Deckel bekommen: Beide Flanken und Knie sind mit Narben übersäht, hinzu kommen weiße Flecken im braunen Fell, die für ehemalige Verletzungen sprechen. 148 Starts, 12 Siege und 63 Platzierungen gehen auf sein Konto. Stallkamerad Yorin befand sich im Jahr 2010 sogar auf dem Weg zum Traber des Jahres, flitzte 22 mal über die Rennbahn mit 10 Siegen und 6 Platzierungen.

Traber im Distanzsport und am Sprung

Erstaunlicherweise hat der frühkindliche Leistungssport den Trabern trotz Lohs Narben weder gesundheitlich noch charakterlich geschadet. Alle drei sind sehr ausgeglichen, Sehnen und Gelenke sind klar. Wie kommt‘s? „Im Gegensatz zu Vollblütern werden Traber als Jungpferde ja nicht eritten“,
erklärt Uhland. „Der Trabrennsport ist sicher nicht immer pferdefreundlich, Rücken und Beine kommen jedoch selten zu Schaden.“

Damit Traber die auf der Rennbahn geforderten Geschwindigkeiten von 45 bis 50 km/h erreichen, besitzen sie eine sehr gut bemuskelte Hinterhand, die manchmal leicht überbaut ist. Die Fesseln sind meist mittellang, weshalb Traber so bequem zu sitzen sind. Die Beine sind trocken, die Hufe groß und hart. „Ein großer Vorteil fürs Gelände“, sagt Dina Uhland. „Traber sind draußen viel trittsicherer als Vollblüter mit ihren kleinen Hufen.“

Umgeschulte Traber springen und gewinnen Distanzrennen Als Reitpferde sind Traber sehr vielseitig. Fitou springt, liebt Trailhindernisse und läuft auch mit Knotenhalfter fein am Schnürchen. Yorin ist mittlerweile ein erfolgreiches Distanzpferd. Demnächst wird er 110 Kilometer bei der Landesmeisterschaft Rheinland-Pfalz mitgehen und bei Erfolg 120 Kilometer in Baden-Württemberg.

Auch Yorin springt auf dem Platz und im Gelände, alle drei Traber sind außerdem regelrechte Wasserratten. Nicht selbstverständlich, denn „Traber kennen vom Rennsport her kein Wasser und sind von Hause aus wasserscheu“, so Uhland. Doch weil die Tiere so menschenbezogen und arbeitswillig sind, war es bei keinem problematisch, sie an Wasserhindernisse zu gewöhnen.

Yorin plantscht so gerne wie ein Seehund und läuft zielstrebig in jedes Gewässer, bis er beinahe ganz unter Wasser ist. Wie fein der hübsche Traber bei Dina Uhland dressurmäßig ausgebildet wurde, davon darf ich mich selbst überzeugen. Zunächst soll ich Yorin am langen Zügel einfach traben lassen, damit ich den originalen Trab eines Trabers kennenlerne. „Traber laufen dann hinten ganz breit“, erfahre ich. Ich spüre deutlich, dass Yorin irgendwie anders trabt als die Reitpferde, die ich gewöhnt bin. Der Trab ist schnell und raumgreifend, schleudert mich jedoch leicht aus
dem Sattel. Dann soll ich die Zügel aufnehmen und den Wallach über den Rücken vorwärts-abwärts an die Hand heranreiten.

Nach wenigen Minuten lässt der Braune den Hals fallen und schnaubt zufrieden ab. Geschmeidig trabt er über die Storchenwiese und lässt sich von den langbeinigen Vögeln nicht im geringsten irritieren. „Jetzt läuft er hinten in der Spur und wir können ihn versammeln“, freut sich Dina Uhland dass sich Yorin so gut von einem Fremdreiter führen lässt.

Ob Schulterherein in Schritt und Trab, Travers, Renvers: Yorin reagiert auf feinste Hilfen, bewegt seine Beine vorbildlich. Er beherrscht die Piaffe, aber auch Manöver aus der Westernreiterei wie Spin oder Rollback. Außerdem ist Yorin im Halsringreiten ausgebildet.

Später erklimmt er mit mir geschickt einen steilen Hang und klettert diesen genauso sicher wieder hinab. Sein Galopp ist butterweich. Yorin vermittelt ein traumhaft sicheres Reitgefühl. Obwohl er eine hochsportliche Granate in Turnierkondition ist, wirkt er gleichermaßen aufmerksam, spritzig und gelassen.

Kommt er einmal richtig in Schwung, kann der Wallach bis zu 56 Stundenkilometer schnell galoppieren – eine unbeschreibliche Geschwindigkeit, die für Adrenalin pur sorgt. Für den Rückweg zum Heimatstall bietet Dina Uhland einen Pferdewechsel auf den zehnjährigen Fitou an. Der ist ein wenig kleiner als Yorin und deutlich schmaler. Weich am Zügel trabt er über einen langen Feldweg – der Traumtag mit Trabern bekommt einen weiteren Höhepunkt.

Galoppieren unterm Reiter müssen Traber erst lernen Damit ein Traber so rund läuft wie Fitou, Yorin und Reado Loh, braucht man freilich Geduld und Zeit. „Traber, die frisch von der Rennbahn kommen, haben einen mächtigen Unterhals und keine Reitpferdemuskeln“, sagt Dina Uhland. Den Galopp unterm Reiter müssen die Tiere ganz neu lernen: Traben liegt ihnen über die lange Leistungszucht im Blut; und manchen wurde der Galopp mit miesen Methoden madig gemacht.

Vorher gilt es, die Balance zu halten und Rückenmuskeln aufzubauen. „Erst wenn beides der Fall ist, beginnen wir mit dem Reiten und etwas später mit dem Galopp“, so Uhland. Der erste Dreigang erfolgt auf einer geraden, sanft ansteigenden Strecke, „damit die Tiere nicht in engen Kurven ins Schlingern geraten“. Auf diese Weise begreifen Traber schnell, dass Galopp eine angenehme Gangart ist und gewinnen Freude daran. Yorin und Co. sind die besten Beispiele, wie aus ehemaligen Trabrennpferden gelassene, vielseitige Reitpferde werden – mit traumhaften Gängen.

CAV Traber Rassetest Gelände
Rädlein
CAVALLO Rassetest - Traber

Hier können Sie Traber reiten

HIER GIBT ES DIE TRAUMPFERDE: Trabrennpferde von der Rennbahn gibt es ab 1000 Euro. Zur Umschulung sollten Sie einen Ausbilder an
der Hand haben, der sich mit den Blütern auskennt. Top umgeschulte Traber können Sie bei Dina Uhland und Peter Seipp kennenlernen und
etwa an einem Wanderritt teilnehmen. Infos: www.erlebnisreiten.de

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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