
Sanft schaukelt das Hinterteil des Reiters im Schritt von links nach rechts. Klemmt er beim Treiben mit den Knien, hebelt es den Po weit aus dem Sattel. Schuld daran ist das rosarote Luftkissen, auf dem der Reiter sitzt. Es signalisiert, wenn es am korrekten Sitz hapert und mobilisiert gleichzeitig steife Hüften.
„Reiter werden oft nicht richtig geschult“, sagt Marlies Fischer-Zillinger, die als Krankengymnastin und Bewegungstherapeutin arbeitet. Für Reiter, die das Credo des „tief im Sattel sitzens“ nicht nur nachbeten, sondern spüren wollen, hat die Expertin ein geniales Mittel parat. „Wir nutzen das Kissen in unseren Kursen als Sitzhilfe, aber eigentlich wird das Produkt als `Senso Venentrainer´ verkauft“, erklärt Marlies Fischer-Zillinger. Ob Reiter von diesem Kissen wirklich profitieren? CAVALLO hat es getestet.
Die beste Basis: Bewegen lassen

Die Bewegungstrainerin hat beobachtet: Wer mit dem Kissen übt, merkt schnell, ob das eigene Gewicht auf den Gesäßknochen oder den Oberschenkeln ruht. „Da wir nur einen Tag Zeit haben, unterrichte ich im Schnelldurchgang“, kündigt Fischer-Zillinger an. Zum Testritt sind wir bei Claudia Weissauer auf Gut Kastensee in Glonn. Die Anlage, keine halbe Stunde von München entfernt, bietet eine moderne Offenstallhaltung für etwa 50 Tiere. Reitlehrerin Claudia Weissauer, die mit Marlies Fischer-Zillinger das Buch „Der korrekte Sitz des Reiters“ schrieb, sattelt Schulpferd Karl.
„Karl ist ein alter Hase“, sagt Claudia Weissauer. Was das heißt, ist klar, als ich den braunen Wallach im Schritt fleißig vorwärts reiten will. Ich treibe, drücke und schiebe, aber Karls Hufe bewegen sich kein Stück flotter über den Sandplatz.
Nach wenigen Runden hat sich Marlies Fischer-Zillinger eine Meinung über meinen Sitz verschafft: „Im Schritt muss man nicht jeden Tritt rausquetschen, der Reiter kann sich einfach vom Pferd bewegen lassen“, erklärt die Expertin. Sprich: Die Bewegung des Pferds bewegt den Reiter gleich mit. Versucht dieser ständig, sein Pferd anzuschieben, wird der flüssige Bewegungsablauf blockiert. Denn beim Schieben drückt der Reiter das Knie an den Sattel, die Oberschenkel klemmen, die Hüfte wird unbeweglich und das Becken fest. Und dann passiert, was ich jetzt spüre: Der Reiter schiebt, das Pferd klemmt und keinem ist damit geholfen.
Das große Ziel: Balance finden

Die Unterseite des Kissens hat Noppen und liegt auf der Sitzfläche. Dabei steht das Luftpolster vorn und hinten leicht über. Verrutschen kann es kaum. Zwei Stege verbinden die linke und rechte Kammer des Kissens. So kann die eingeschlossene Luft zirkulieren. Und das tut sie.
Als ich zum ersten Mal auf dem Kissen hocke, habe ich das Gefühl, auf einem Kamel zu sitzen. So wabernd schubsen mich Karls Schritte. Aber meine Irritation legt sich. Bald stelle ich fest: Das Kissen gibt dem Reiter eine Idee der komplexen Bewegungsabläufe im Pferd. Denn der Pferderücken bewegt sich links-rechts, hoch-tief und dabei noch nach vorne. Durch das Kissen wird die Position der Gesäßknochen in der Bewegung viel intensiver spürbar.
Der Kniff: Aus Fehlern sofort lernen

So entlarvt das Kissen schonungslos jeden Druck der Oberschenkel, und der Reiter spürt sofort, dass er nicht im Schwerpunkt sitzt. Der Lerneffekt des Luftkissens tritt also exakt im Moment des Fehlers ein und schult den Reiter sehr gezielt.
„Auf dem Kissen können Reiter das Schwingen im Becken bei gleichzeitiger Aufrichtung des Brustkorbs lernen“, erklärt Marlies Fischer-Zillinger, „denn die Wirbelsäule bleibt auf dem Luftpolster immer beweglich.“
So macht das Kissen Reiter mobil und – wie Karl deutlich zeigt – Pferde glücklich. Der Braune geht im Schritt fleißig vorwärts und schnaubt im Trab zufrieden ab. Denn auf einmal bewegen wir uns wie selbstverständlich im selben Rhythmus. Ich fühle, wie mein Becken auf und ab schaukelt, meine Beine aus den Hüftgelenken locker mitschwingen. Selbst mein linkes Bein, das in Wendungen sonst oft blockiert, treibt wie von selbst im Takt mit.
„In unseren mehrtägigen Kursen machen wir Videos, die wir dann analysieren und den Reitern vorspielen“, sagt Bewegungs-Coach Marlies Fischer-Zillinger. „Dabei zeigt sich, dass fast alle Reiter ein festes Knie haben und mit viel zu viel Kraft reiten. Dabei sollen sie doch einfach tief im Sattel sitzen und die Hüfte offen lassen.“
Wie das geht, die Hüfte offen zu lassen, kann jeder mit diesem Kissen lernen. Zum Einstieg am besten in einem Kurs, denn nur mit Anleitung lassen sich Sitzfehler wirklich korrigieren.
„Trauen wir uns einen Galopp zu?“, fragt Marlies Fischer-Zillinger und bittet mich, auf dem Zirkel die innere Hand in die Luft zu strecken. Was als lustige Wackelnummer beginnt, hat den Effekt, dass das Kissen die Stoßbewegung des Galopps abfedert. Das Kissen trägt mich. Ich spüre, wie es sich anfühlt, beide Sitzknochen zu belasten, welchen Effekt es hat, sich nach hinten oder zur Seite zu setzen.
Als ich danach wieder ohne Kissen reite, sitze ich im Pferd statt auf dem Pferd und schiebe es nicht mehr nur vor mir her.
„Mein Ziel ist es, eine optimierte Version des Kissens nur für Reiter anbieten zu können“, sagt Marlies Fischer-Zillinger. Das wäre nicht schlecht.
Der Lohn: Pferd und Reiter sind locker

„Mit dem Kissen verstehen unsere Reitschüler den Bewegungsablauf schneller, und so machen wir es auch für unsere Pferde leichter“, ergänzt Marlies Fischer-Zillinger.
Recht hat sie. Der beste Beweis ist mein Lehrpferd: Sitzt der Reiter locker im Sattel, geht Karl locker-flockig vorwärts. Denn alles andere bremst den alten Hasen einfach aus.
Snaix & Co: Die besten Sitzhilfen im Test
Bewegungsmelder

Reiten Sie mal mit einem Gummisteigbügel. Dabei ersetzen Sie Ihren Bügel durch ein Theraband aus dem Sportfachhandel und knoten dieses als Schlaufe ans Ende des Lederriemens. Der Effekt: Die Gesäßknochen ruhen in der Sattelmitte; die Beine liegen lang und schwer am Pferd und werden durch das Band abgefedert. Die Folge: Aus der Hüfte heraus schwingt das Bein locker mit und folgt dem Takt der Bewegung. Der Reiter treibt automatisch im richtigen Moment.
Mobilmacher

Meiden Sie starre Stühle, denn dieser kleine Helfer lässt sich leicht in den Alltag integrieren. Nehmen Sie im Büro einfach auf dem Hipsimo Platz, und trainieren Sie die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Mit Übungen wie dem Beckenkippen oder -kreisen können Reiter gezielt die korrekte Ein-wirkung ihrer Sitzhilfen erarbeiten. Denn die Sitzfläche des gelenkigen Stuhls kippt, wenn Sie Ihr Gewicht nicht gleichmäßig auf beide Gesäßknochen verteilen. www.hipsimo.de
Sinnstifter

Mit dem Snaix-Fitnessrad lernen Reiter, unabhängig vom Zügel zu sitzen und zu dirigieren. Denn das Snaix-Rad lässt sich nicht mit den Händen lenken, sondern nur über Becken- und Schulterstellung. Wer das Rad so auf einer geraden oder gebogenen Linie führen kann, lernt, dieses Bewegungsmuster auf die Gewichtsverlagerung im Sattel zu übertragen. Das Ergebnis des Snaix-Trainings: Ein Reiter mit tiefem Sitz, der sein Pferd nicht mit der Hand lenkt. www.snaix.com
Muskelmacher

Der Flexi-Bar aktiviert die Tiefenmuskulatur. Auch die von Reitern, denn beim Training mit dem vibrierenden Stab wird besonders der Rumpf gestärkt. Wer aufgrund einer Fehlhaltung die Rückenmuskulatur einseitig stärkt, kann dies durch eine Gymnastizierung mit dem Flexi-Bar ausgleichen. Besonders die Hüftbeugemuskulatur und die Lendenwirbelsäule können davon profitieren. Zudem kann das Gerät im Sattel für Gleichgewichtsübungen eingesetzt werden. www.flexi-bar.de.
Balancetrainer

Nehmen Sie Ihren Körper neu wahr. Denn mit dem von Eckart Meyners entwickelten Bewegungsstuhl Balimo können Reiter ihre Balance schulen. Trainieren Sie die im Sattel notwendige Bewegung der „liegenden Acht“ im Sitzen. Der Balimo ermöglicht diese dreidimensionale Rotation des Beckens durch ein dynamisches Schwingen der Sitzfläche. Nach kurzer Zeit können Sie diesen Hüftschwung auf den Sattel übertragen – denn Reiten muss nicht kräfteraubend sein. www.balimo.info