Vor- und Nachteile von Fressbremsen auf der Koppel
Die Tücken der Fressbremse

Mit Korb vor dem Maul futtern Pferde auf der Weide oder dem Auslauf weniger. Doch der vermeintliche Segen kann zur Gefahr für die Gesundheit werden. Was gilt es für Reiter bei der Wahl einer Fress-Bremse zu beachten? Und gibt es Alternativen?

Ein Maulkorb bremst hungrige Pferde auf der Weide aus.
Foto: Foto: CAVALLO / Rädlein

Freundchen, jetzt treten wir auf die Fress-Bremse! Viele Reiter verpassen ihren Pferden auf der Weide einen Korb. Das soll keine Liebesabsage sein, sondern dem Wohl des Tieres dienen. Denn: Kugelrund ist eben nicht gleich kerngesund.

Immer mehr Pferde leiden unter Übergewicht, was sich auf den Hormonhaushalt auswirken kann. Es drohen Krankheiten wie Cushing, Hufrehe oder Metabolisches Syndrom. Damit die Pfunde schmelzen, gibt es was vors Maul. Das ist nicht böse gemeint: Vielmehr sehen Reiter eine Fressbremse oft als letzte Chance, um ihrem Liebling überhaupt noch Weidegang zu ermöglichen. Aber ist das tatsächlich sinnvoll? CAVALLO klärt, welche Kandidaten wirklich von Fressbremsen profitieren und welche Alternativen es gibt. Beachten Sie die Ratschläge unserer Experten, damit Gesundheit und Psyche des Pferds nicht leiden. Dazu gibt’s Tipps, wie Pferde langfristig mopsfidel statt mopsig werden – ohne Maulkorb.

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Mehrere Studien belegen: Pferde futtern weniger Gras, wenn sie eine Fressbremse tragen. Laut einer neuen Studie aus den USA reduziert sich die Nahrungsaufnahme um etwa 30 Prozent. Ältere Forschungen gehen sogar von 70 bis 80 Prozent aus. Die Zahl schwankt auch je nach Modell.

Löcher oder Gitter: Jede Fress-Bremse ist anders

Damit Pferde nur wenig Futter zwischen die Zähne bekommen, gibt es Fressbremsen mit unterschiedlich großen Löchern und teils gar mit variablen Einsätzen. Andere sind wie ein Gitter konstruiert. Mit Maulkörben können Pferde gar nichts fressen. Tierärzte verordnen sie etwa vor und nach einer Operation. Hersteller verwenden die Begriffe Fressbremse und Maulkorb jedoch oft synonym, was leicht verwirrend sein kann.

Egal, wie es nun heißt: Darf man Pferden wirklich was vors Maul schnallen, oder ist das Tierquälerei? "Fressbremsen sind okay. Aber nur, wenn man mehrmals täglich nach dem Pferd schaut", sagt Verhaltensforscherin Dr. Margit Zeitler-Feicht von der Technischen Universität München. Wichtig dabei: Pferde sollten Fressbremsen nicht länger als fünf bis sechs Stunden am Stück tragen. "Im Stall muss die Fressbremse unbedingt ab", so die Pferdeexpertin.

Für eine gesunde Diät kann die Bremse nie allein sorgen. "Pferde mit Maulkorb runterzuhungern ist Tierquälerei" sagt Futterberaterin Constanze Röhm aus Boos in der Eifel/Rheinland-Pfalz. "Bewegung ist die beste Diät." Sie rät: Bevor sich Besitzer von dicken Pferden Gedanken machen, wie weniger Gras ins Pferd kommt, sollten sie ihre Tiere mehr arbeiten. Wer das Risiko für Hufrehe und andere Stoffwechselkrankheiten minimieren will, muss ebenfalls auf Bewegung setzen. Vorwärtsreiten und Leistung abrufen, so purzeln Pfunde. "Selbst beim Spaziergang im Gelände gekoppelt mit Bodenarbeit verbrennen Pferde Kalorien", sagt Röhm. Bergauf und bergab, Wendungen um Bäume, Rückwärtsrichten, Übertreten: Solche Übungen lassen sich leicht einbauen und formen das Pferd.

Fressbremsen nicht länger als drei Monate benutzen

Empfiehlt der Futterprofi also nie eine Fressbremse? "Doch. Aber immer nur dann, wenn das Pferd über einen kurzen Zeitraum weniger fressen soll", sagt Constanze Röhm. Nach drei Monaten sollte jedes Pferd wieder oben ohne auf die Weide dürfen.

Kandidaten für Fressbremsen sind etwa ältere Pferde, die Besitzer nur noch eingeschränkt bewegen können. Für kurze Zeit kann eine Fressbremse auch bei Pferden mit Stoffwechselkrankheiten und Übergewicht sinnvoll sein. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Amtsveterinär fragte Constanze Röhm bei einem Tierschutzfall um Rat. Es ging um einen Mérens-Wallach mit 260 Kilo Übergewicht. Der trägt nun für drei Stunden am Tag auf der Weide eine Fressbremse, damit er langsam abspeckt und sich bewegt. "Training wäre lebensbedrohlich. Selbst 30 Minuten Schritt überfordern das Tier", so die Futterexpertin.

Wer dem Pferd eine Fressbremse anlegt, sollte folgende 6 Regeln beachten:

1. Voraussetzung ist Harmonie in der Herde: Bevor Sie zum Hilfsmittel greifen, checken Sie die Stellung des Pferds in der Gruppe. "Fressbremsen verdecken teils die Maul- und Nüsternpartie. Das erschwert die Kommunikation", erklärt Dr. Margit Zeitler-Feicht. Das Risiko für Verletzungen kann steigen. Wissenschaftler vermuten: Pferde mit Fressbremse müssen heftiger drohen. Sie treten eher aus; statt Maul und Zähne setzen sie direkt die Hinterhufe ein. "In neuen Gruppen, bei rangniedrigen Pferden und wenig Platzangebot sind Fressbremsen tabu", sagt sie. Bei gut integrierten Pferden in harmonischen Gruppen dürfte die eingeschränkte Mimik laut der Expertin aber kein erhöhtes Sicherheitsrisiko sein.

2. Sitzt die Fressbremse richtig? "Passen Sie die Fressbremse wie eine Trense an", rät Dr. Andreas Franzky von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz. Halfter und Korb dürfen nicht scheuern, drücken oder an Nüstern und Maul anliegen. Die Nase des Pferds muss frei im Korb hängen, die Löcher für Luft sollten groß genug sein.

3. Mehrmals täglich nach dem Pferd schauen: Fremdkörper wie Äste oder auch Insekten können in den Korb gelangen – oder das Pferd tritt mit den Hufen hinein. Das kann zu Panik und Verletzungen führen.

4. Tragzeit und Temperatur im Auge behalten: Pferde sollten Fressbremsen nicht länger als fünf bis sechs Stunden tragen. Kritisch bei Hitze: Die Luft zirkuliert bei manchen Modellen nicht optimal, ein Hitzestau im Nüsternbereich kann entstehen.

5. Trinkt das Pferd? Checken Sie, ob Ihr Pferd mit der Fressbremse Wasser säuft. Manche Pferde bedienen Selbsttränken damit problemlos, andere saufen lieber aus dem Eimer – oder gar nicht.

6. Reibt sich das Pferd die Zähne ab? "Manche Pferde weisen Abnutzungsspuren an den Schneidezähnen auf", sagt Dr. Timo Zwick, Zahnspezialist an der Tierklinik Gessertshausen. Versuchen Pferde massiv ins Grün zu beißen, können sie sich die Zähne am Kunststoff abreiben. In dem Fall sehen Besitzer Schleifspuren am Boden der Fressbremse. "Risikopatienten sind Aufsetzkopper und Pferde, die Fressbremsen über lange Zeit tragen", weiß der Tierarzt. Problematisch wird der Zahnabschliff, wenn die Wurzelkanäle offen liegen. Einen geringen Abrieb gleicht das natürliche Nachschieben der Zähne aus. Was gilt es zu tun beim Verdacht auf ungebetenen Zahnschliff? "Machen Sie ein Foto von den Zähnen und schicken es dem Pferdedentalpraktiker", rät Zwick. Anhand des Bildes kann ein Spezialist meist gut erkennen, ob das Pferd eine Behandlung benötigt oder nicht.

Langfristig gesünder: Ändern Sie die Haltung des Pferds

Auf lange Sicht müssen Besitzer von dicken, kranken oder rehegefährdeten Pferden die Haltung ändern. "Pferde mit chronischer Rehe fühlen sich in Offenställen mit weiten Sandausläufen oft wohler als mit Fressbremse auf der Weide", sagt Constanze Röhm.

Bei dicken Pferden rät sie: Ab auf hochgewachsene Weiden. Das Pferd bekommt dann zwar kurzzeitig eine runde Plauze, das ist aber ein aufgegaster Wasserbauch. "So schnell nimmt kein Pferd zu", meint Röhm.

Riskant sind hingegen frühes Anweiden und abgegraste Sommerkoppeln. Im kurzen Gras stecken viele Kohlenhydrate wie Fruktane – die machen im Übermaß Pferde krank. Der Rat vom Futterprofi: "Lassen Sie Pferde nicht mehr fressen, wenn Gräser kürzer als zehn Zentimeter sind." Je kürzer das Gras, desto besser bekommen auch Pferde mit Fressbremse es zwischen die Beißer. Deshalb gilt auch hier Vorsicht.

Bieten Sie statt Gras andere Knabber-Alternativen an

Bringt es etwas, die Weidezeit zu verkürzten? Laut US-Studie futtern Pferde schneller, wenn ihre Weidezeit kürzer ausfällt. Unterm Strich nehmen sie die gleiche Menge Gras auf. Trotzdem muss laut Constanze Röhm nicht "all you can eat" gelten: "Fresspausen von bis zu vier Stunden schaden nicht." Soll das Pferd trotzdem etwas zu kauen haben, sind Stroh und Knabberhölzer gute Lösungen. Silberweide etwa hat wenig Kalorien, regt die Kautätigkeit an und macht satt.

Von Grund auf gegen Wampe und Wohlstandskrankheit soll spezielles Saatgut wirken. Pferde dünn säen, geht das? "Magergräser sind aus Sicht der Tierernährung eine gute Sache", sagt Ellen Kienzle. "Das Diät-Futter ist aber immer noch so kalorienreich, dass ein dickes Pferd davon allein nicht abnimmt. Die Futteraufnahme muss trotzdem beschränkt werden", weiß die Professorin für Tierernährung und Diätetik aus München. Das beste Mittel ist und bleibt Bewegung: So werden Pferde fit statt fett.


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Erscheinungsdatum 13.09.2023