Angst ist ein schlechter Studienberater. Seit Herbst 2006 gibt es die Andrea-Kutsch-Akademie im brandenburgischen Bad Saarow. Und es gibt kritische Stimmen zur Privatlehrstätte der Monty-Roberts-Schülerin. Diese Stimmen sind leise: Wer Ärger mit Frau Kutsch hatte, redet nicht gerne darüber.
Lauten Jubel gibt es hingegen meist, wenn Medien berichten. Kritisch ist das selten: Mal wird Andrea Kutsch unter Überschriften wie „Die Magie der Leitstute“ (Der Spiegel) oder „Die mit den Pferden flüstert“ (Märkische Oderzeitung) beschrieben. Ausländische Zeitschriften wie der britische „Daily Telegraph“ schwärmen von Andrea Kutsch und ihren Studenten, „die die Sprache der Pferde lernen“.
Solche Zeilen enthalten häufig eine Mischung aus Halbwahrheiten, Wertungen und fachlichem Unwissen, wie CAVALLO im November 2006 anhand eines „Spiegel“-Berichts analysierte.
Dass Andrea Kutschs und Monty Roberts’ Pferdeflüsterei wenig mit Verhaltensforschung und Wissenschaft zu tun hat, kritisieren Experten schon lange. „Die meisten Verhaltensforscher zweifeln an der Natürlichkeit dieser Natural-Horsemanship-Methoden“, sagt etwa eine der bekanntesten Pferde-Verhaltensforscherinnen der Welt, Dr. Sue McDonnell. Sie leitet das Equine Behaviour Lab an der Universität Pennsylvania. Zu den Roberts-Kritikern gehören auch Forscher wie die Verhaltenspsychologin Professor Katherine Houpt oder die Wildbiologin Mary Ann Simonds (CAVALLO 12/2003).
Kritikern zum Trotz hält Andrea Kutsch an ihrem „Wunsch, die Welt der Pferde und Menschen zu verändern“ fest. Die Mission ist anspruchsvoll. Wie sieht die Wirklichkeit aus?
Der Wunsch: Ein gewaltfreier Umgang mit Pferden
Auf ihrer Homepage wirbt Andrea Kutsch mit der Behauptung, ihre Akademie sei „im Anerkennungsverfahren als staatlich anerkannte private Fachhochschule“.
Stimmt das? „Ein solches Anerkennungsverfahren gibt es nach wie vor nicht“, antwortet Holger Drews, Pressesprecher des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums. „Für ein solches Verfahren müsste die Ausbildung einer staatlichen Ausbildung vergleichbar sein.“ Das sei sie aber nicht, weshalb, so Drews, die Akademie keine staatlichen Gelder und die Studenten kein BAföG bekämen.
Studenten zahlen pro Semester 3400 Euro Studiengebühr. Hinzu kommen Immatrikulations-, Prüfungsgebühren und Kosten für Wohnung und Essen. Dafür bekommen die Studenten laut Andrea Kutschs Homepage einen „weltweit einzigartigen Studiengang“ in einer Zeit, „in der es weder eine wissenschaftliche Ausbildung noch eine nennenswerte wissenschaftliche Forschung im hippologischen Bereich gibt“.
Das klingt, als sei der „Ethologe Dr. h.c. Monty Roberts“ (O-Ton Frau Kutsch auf ihrer Homepage) der Vater der Pferde-Verhaltensforschung. Die Wirklichkeit: Monty Roberts ist kein examinierter Wissenschaftler, Andrea Kutsch auch nicht.
Sie verspricht ihren Studenten „Kooperationen mit internationalen Gestüten unterschiedlicher Rassen und Disziplinen“. Bisher kooperiert Andrea Kutsch mit dem Landgestüt Neustadt/Dosse und dem Gestüt Lewitz von Paul Schockemöhle. Dessen Jungpferde reiten die Studenten an.
Ehemalige Studenten beschweren sich über die Kutsch-Akademie
Die Ex-Studenten haben jedoch Angst vor weiteren Rechtsstreits mit Frau Kutsch und wollten deshalb ihren Namen nicht in der Zeitung veröffentlichen. Eine ehemalige Studentin zog ihre Zusage zur Veröffentlichung ihres Namens nach Rücksprache mit ihrem Anwalt zurück.
Laut Homepage finanziert sich die Akademie „ausschließlich durch die Studienentgelte“. In Wirklichkeit hat sie Sponsoren (auch dies steht auf der Homepage) wie Ulrike und Hans-Peter Haselsteiner vom Baukonzern Strabag. Frau Haselsteiner ist Chefin der „Scharmützelsee Golfhotel- und Sportanlagen GmbH“, zu der das Alwin-Schockemöhle-Reitsportzentrum gehörte. Dieses baute und benannte Frau Haselsteiner um – in Andrea-Kutsch-Akademie.
Ein „eigenes medizinisches Kompetenzzentrum innerhalb der Akademie“ verspricht Andrea Kutsch ihren Studenten ebenso wie „eine Fremdsprachenausbildung in Englisch“. Das medizinische Kompetenzzentrum gibt es in dieser Form bisher nicht; Englischunterricht, so sagen ehemalige Studenten, habe nicht stattgefunden.
Ex-Studenten droht der Anwalt
Einigen Studenten wurde von Frau Kutsch gekündigt, andere gingen freiwillig. Wieviele Studenten die Akademie tatsächlich verließen, beantwortete Andrea Kutsch auf Nachfrage von CAVALLO nicht. Statt dessen schrieb sie an die Redaktion: „Wir wollen gar nicht verheimlichen, dass viele Studierende des ersten Jahres die AKA verlassen haben; davon einige in Unfrieden, andere, weil sie einen anderen Weg gehen wollen.“
Eine solche Ehemalige berichtete CAVALLO, dass Studenten, die Frau Kutsch kritisierten, in „aggressiver Form“ gekündigt worden sei: Sie hätten sofort packen und gehen müssen.
Ärger mit Studenten beschreibt Andrea Kutsch selbst in ihrem neuen Buch „Die Pferdeflüsterin antwortet“: „Als wir den Lehrbetrieb aufgenommen hatten, war ich erstaunt, wie wenige der Studenten so etwas wie Selbstdisziplin kannten ... Doch je mehr Freiräume ich gab, desto unzufriedener wurden die Studierenden ... Sie wurden provokant, sie boykottiertenklare Vorgaben und entzogen sich ihren Pflichten ... Warum wehren sich diese jungen Menschen bloß gegen eine Disziplin, die ihnen hilft, ihrem Traum von einer Verbesserung der Welt der Pferde näher zu kommen?“
Die jungen Menschen sehen das anders. Die ausgeschiedenen Studenten, mit denen CAVALLO sprach, berichteten von einem „unglaublich harten Tagesablauf“. Ihre Schilderungen: „Um 6 Uhr Aufstehen, ab 7 Uhr zwei Stunden Stalldienst bis zu den Seminaren, die um 9 Uhr begannen. Abends nach Studienschluss mussten die Pferde trainiert, geritten und versorgt werden. Kein Arbeitstag endete vor 21 Uhr.“ Andrea Kutsch gegenüber CAVALLO: „Wenn Studierende Pferde betreuen, an denen sie ihre Ausbildung vermittelt bekommen, dann ist es im Rahmen der Ausbildung auch unumgänglich, dass sie auch die Stallarbeit für ihre zugeteilten Pferde am Morgen und Abend übernehmen.“
Gebühren und Leistung stehen in keinem Verhältnis
So hätten sie nur eine Unterrichtseinheit in Join Up pro Semester bekommen und seien beim Trainieren junger Pferde oft auf sich allein gestellt gewesen (was Andrea Kutsch als „nicht korrekt“ zurückweist). Reitunterricht habe es oft nur einmal im Monat gegeben – obwohl Frau Kutsch mit „effizienter Praxisorientierung“ wirbt. Davon, so die befragten Studenten, könne keine Rede sein, ebensowenig von der „Gleichgewichtung von theoretischen und praktischen Lerninhalten“.
Einige Studenten sprachen von einem „schwierigen Verhältnis“ zu Frau Kutsch. „Wir hatten Angst vor ihr“, so eine junge Frau, die über ein Jahr an der Andrea-Kutsch-Akademie war. „Schon bei geringen Fehlern wurden wir kollektiv angeschrieen und beschimpft, sogar während der Arbeit mit den Pferden.Nur wenige haben gewagt, sich mit Schwierigkeiten direkt an Frau Kutsch zu wenden.“ Auch Eltern Ehemaliger äußerten sich gegenüber CAVALLO: „Wir würden diese Ausbildung nicht weiterempfehlen. Frau Kutsch liegtnichts an den Menschen.“
Dabei hatte diese im Herbst 2006 den Kommunikations-Fachmann Professor Guntram Platter nach Bad Saarow geholt. Er sollte ihr nach eigener Aussage beim Erstellen der Lehrpläne helfen, ein Seminar „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ halten und Ansprechpartner für Studenten sein.
Im CAVALLO-Gespräch, das er vorsorglich mitschnitt, vermied Professor Platter jedes kritische Wort über Frau Kutsch und deren Auseinandersetzung mit den Studenten und betonte stattdessen: „Ich habe mich mit Frau Kutsch stets gut verstanden.“ Nach dem Gespräch meldete sich Professor Platter mehrmals in der Redaktion und bat um Korrekturen an seinen Zitaten.
Die Angst vor Andrea Kutsch scheint wirklich groß. Doch mit Angst ändert man kein Pferd, keinen Menschen und schon gar nicht die Welt.
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