
Dummkoller, Mondblindheit und Rotz kannte früher fast jedes Kind: Denn die sogenannten Gewährsmängel, die beim Kauf eines Pferds galten, lernte beinahe jeder Reiter irgendwann mal auswendig – für das Kleine Hufeisen oder die Ponyrallye. Inzwischen ist die „Kaiserliche Verordnung betreffend die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Viehhandel vom 27. 3. 1899“ passé. Anfang 2002, mit der Reform des Schuldrechts, wurden die Vorschriften über den Viehkauf im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ersatzlos gestrichen. Hintergrund ist die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie der Europäischen Union, die den deutschen Gesetzgeber verpflichtete, das Kaufrecht zu ändern. Der Pferdekauf ist deshalb heute rechtlich genauso geregelt wie der Erwerb eines Autos oder einer Waschmaschine.
Der Vertrag selbst ist schnell geschlossen; Verkäufer und Käufer müssen sich nur einig sein, welches Pferd zu welchem Preis verkauft wird. Ob die Parteien einen schriftlichen Vertrag unterzeichnen oder das Geschäft per Handschlag besiegeln, spielt keine Rolle: Beides ist wirksam. Pferderechtsexperten raten jedoch dringend, Kaufverträge schriftlich abzufassen. Das erleichtert im Streitfall den Beweis, was vereinbart wurde. Denn im Nachhinein mag sich kaum noch jemand erinnern, ob in den Verhandlungen etwa davon die Rede war, dass das Pferd vor zwei Tagen Entzündungshemmer wegen einer Lahmheit erhielt oder dass es sich nicht verladen ließe. Und nachweisen kann man dies später schon gar nicht. Alle Absprachen, die Sie treffen wollen, können Sie einfach auf ein Blatt Papier schreiben. Oder Sie nutzen ein vorgefertigtes Dokument, in dem die wichtigsten Aspekte bereits aufgelistet sind und je nach Bedarf ergänzt werden.
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Kleingedrucktes im Kaufvertrag

Solche Formular-Verträge, die für viele Rechtsgeschäfte vorformuliert sind, haben aber oft einen Haken: Sie enthalten Vereinbarungen, die nicht gelten, weil sie gegen die strengen Vorschriften für sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen. Diese Regeln sollen den Käufer vor Fußangeln im Kleingedruckten schützen. Die PFERDEBÖRSE, Schwesterzeitschrift von CAVALLO, bietet dafür einen Gratis-Kaufvertrag, für den der Pferderechtsexperte und Fachmann für Allgemeine Geschäftsbedingungen, Rechtsanwalt Eduard Graf von Westphalen, die Paragrafen sicher formulierte und um klarstellende Hinweise ergänzte. Das beugt bösen Überraschungen vor.
Recht auf fehlerfreies Pferd
Doch was bedeutet das neue Kaufrecht konkret für die Beteiligten? Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen. Mangelhaft ist ein Pferd immer dann, wenn es bei Gefahrübergang – also zum Zeitpunkt der Übernahme durch den neuen Eigentümer – nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Ebenso, wenn es sich nicht für die vertraglich vereinbarte oder die gewöhnliche Nutzung eignet. Ein Pferd, das laut Händler „sicher Fliegende Galoppwechsel springt“, tatsächlich aber nicht einmal auf der gewünschten Hand angaloppiert, ist demnach mangelhaft. Wer ausdrücklich ein zuverlässiges Fahrpferd erwirbt, kann erwarten, dass das Tier ordentlich vor der Kutsche geht. Und ein Reitpferd hat einen Fehler, wenn es nicht geritten werden kann, weil es – etwa aufgrund einer kranken Hufrolle – lahmt. Doch Vorsicht: Röntgenologische Veränderungen müssen kein Mangel sein, wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Kissing-Spines-Urteil entschied. Allein die Tatsache, dass die Dornfortsätze eines Pferds zu eng beieinander stehen, hielt der BGH für unproblematisch.
Ein „Fehler-Pferd“ kann der neue Besitzer auch nicht einfach an den früheren Eigentümer zurückgeben, um sein Geld erstattet zu bekommen. Den Kaufpreis wie die Miete zu mindern, ist in der Regel ebenfalls erst in einem zweiten Schritt möglich. In einem ersten muss der Käufer dem Verkäufer die Gelegenheit geben, den Fehler zu beseitigen – also das Pferd Korrektur zu reiten oder eine Krankheit behandeln zu lassen. Das nennt sich Nacherfüllung. Nur wenn der Verkäufer sich weigert, einen Mangel zu beheben, oder dies unmöglich ist, etwa weil sich eine Krankheit nicht erfolgreich kurieren lässt, kann der Käufer gleich vom Vertrag zurücktreten.
Beweispflicht für den Käufer
Der Käufer muss aber beweisen, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe tatsächlich einen Mangel hatte. Trotzdem hilft das neue Kaufrecht, in dem der Verbraucherschutz großgeschrieben wird, dem Kunden immens. Wer sein Pferd von einem gewerblichen Pferdehändler oder Züchter kauft (Achtung, ein Hobbyzüchter kann auch ein gewerblicher Verkäufer sein), dem kommt eine wichtige Beweisregel zugute: Zeigt sich ein Mangel innerhalb der ersten sechs Monate, wird vermutet, dass er schon zur Zeit des Kaufs vorlag. Buckelt das angeblich brave Anfängerpferd also nach drei Monaten im neuen Stall jeden Bereiter herunter, geht man davon aus, dass das Ausbildungsdefizit oder die Rückenschmerzen von Anfang an da waren. Ein Pferdehändler kann sich nur dann entlasten, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass das Buckeln zum Beispiel die Folge des neuen unpassenden Sattels ist oder der neue Eigentümer das Tier durch grobes Reiten verdorben hat.
Seine Haftung für Mängel kann der Händler oder gewerbliche Züchter nicht ausschließen. Klauseln wie „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ sind nicht wirksam. Solche Haftungsausschlüsse können nur Privatleute untereinander vereinbaren. Die einzige Chance, die ein gewerblicher Verkäufer hat, nicht für Fehler des Pferds einstehen zu müssen, ist schonungslose Offenheit: Er sollte in einer Negativliste alle ihm bekannten Besonderheiten und Eigenschaften des Pferds auflisten, die sich später als Problem erweisen könnten. Denn ein Käufer, der darauf hingewiesen wurde, dass das Pferd beispielsweise nicht gern in den Hänger geht, kann diese Macke später nicht als Fehler rügen.
Verbraucherfreundlich sind auch die Verjährungsfristen: Ein gewerblicher Verkäufer muss mindestens ein Jahr lang für Fehler des Pferds geradestehen; dies ist der kürzeste Zeitraum, den die Beteiligten vereinbaren können. Die gesetzliche Frist liegt bei zwei Jahren. Sie gilt grundsätzlich bei Fohlen, die laut BGH-Urteil als „neue Sachen“ einzustufen sind.
CAVALLO-Tipp
Wer ein Pferd kauft oder verkauft, sollte den Tierarzt seines Vertrauens mit einer Kaufuntersuchung beauftragen. Der Vet-Check kann vor teuren und folgenschweren Fehlentscheidungen schützen. Liegt das schriftliche Gutachten des Tierarztes bei Abschluss des Kaufvertrags noch nicht vor, handelt es sich um einen sogenannten Kauf auf Probe. Das bedeutet, dass der Käufer innerhalb einer Frist bestimmen kann, ob er in das Geschäft einwilligt oder nicht.
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