Tierkommunikation: Die Psycho-Tricks der Gurus
Flüster mir was

Einfach mal mit dem Pferd plaudern? Windige Gurus tun das ständig – und machen mit gutgläubigen Besitzern glänzende Geschäfte.

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Foto: Rädlein
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Rädlein
Schlechte Laune oder Schmerzen vom Sattel: Viele verunsicherte Reiter würden gerne ihre Vierbeiner direkt fragen.

Die Preise für telepathische Beratungen liegen im Schnitt bei 50 Euro pro Sitzung. Soviel muss man auch für andere Methoden anlegen, die psychologische und fernheilerische Elemente vermischen. Dazu zählt unter anderem die Kinesiologie, bei der über Muskelreflexe Blockaden und Ähnliches abgefragt werden.

Unsere Highlights

Bei Tieraufstellungen nach Bert Hellinger versetzt sich eine möglichst neutrale Person in das Pferd hinein und wird über mögliche Probleme befragt. Kosten: um 150 Euro. Techniken wie Reiki, Geistheilen und Co. sollen durch das Erspüren von Energiefeldern Analysen liefern beziehungsweise durch das Schicken von Energie heilen. Kosten: etwa 50 bis 75 Euro.

CAVALLO machte den Test: Die Redaktion hat Tierkommunikatoren mit einigen Test-Pferden und deren Problemen konfrontiert. Lesen Sie hier die Ergebnisse des Experiements. Sie werden überrascht sein.

Fall A: Flunkern mit Geist

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Rädlein

Quarter-Horse-Stute Zee Zee stammte aus Texas und wurde als 21 Jahre alt, eingeschränkt reitbar, etwas nervös, aber gut händelbar beschrieben. Die Fragen: Woher stammen die Narben und ihre Angst vor Seilen an den Beinen?

Aussage Annemarie E.: Zee Zee ist achtsam und vorsichtig. Sie passt gut auf sich und ihre Füße auf. Ihr Bauch fühlt sich manchmal schwer und träge an. Die Narben stammen von einem Missgeschick. Seile und Stricke mag sie genauso wenig, wie an den Fesseln berührt zu werden. Zee Zee wurde mit langen Seilen getrieben. Sie bewegt sich gerne, aber sie hat Schmerzen ziemlich weit unten, an Hufen oder Hufrolle.

Besitzer: Zee Zee wurde vor drei Jahren eingeschläfert. Ursache war eine schwere Arthrose an der Halswirbelsäule. Die stammt vermutlich von einem Unfall als Jungpferd, dem sie auch die Narben zu verdanken hatte. In 14 Jahren lahmte sie nur einmal (Hufgeschwür); Kolik hatte sie nie. Ihre Probleme lagen oben im Hals, nicht unten am Huf.

Auch hinsichtlich Zee Zees Verhalten und ihrer Ängste liegt Frau E. falsch. Die Stute reagierte nur in einer Situation panisch, nämlich wenn Seile ihre Hinterbeine berührten. Ansonsten ließen Stricke sie kalt, und sie ließ sich auch brav überall anfassen. Auf sich und ihre Füße passte Zee Zee nicht sehr gut auf, sie war eher ungeschickt.

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Flori wird als 17-jährige Ex-Zucht­stute vorgestellt. Das Problem: Sie wird im Gelände heiß, besonders auf dem Heimweg. Bisher ist sie aber noch nie durchgegangen. Sie lebt in einem Stall ohne Halle und Reitplatz; täglich ist sie in der Gruppe auf der Weide.

Aussage Jesscia M.: Flori sendet ein Bild: Sie tänzelt hin und her, wölbt den Hals, zeigt viel Temperament. Sie weiß, dass sie beim Reiten auf den Mensch hören muss, deshalb geht sie nie durch. Doch sie will sich mehr bewegen, Spaß haben. Auf einem Reitplatz würde sie sich besser konzentrieren. Ebenso, wenn bei Ausritten mehr Arbeit (Volten oder Rückwärtsrichten) gefordert würde. Die Stute möchte kleine Tricks lernen, das würde sie stolz machen. Sie hat Führungsqualitäten und übernimmt die Verantwortung auch für ihre Besitzerin, die sie als ihr Baby sieht.

Redaktion: Flori ist pure Fantasie. Das Foto zeigt einen 20-jährigen Wallach. Die Erkenntnisse der Telepathin basieren somit allein auf dem ausführlichen Anschreiben der dem Ton nach unreifen jungen Besitzerin. Die Ratschläge sind sicher nicht falsch, könnten jedoch auch von jedem Trainer stammen.

Fall B: Unter die Haut

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Der 19-jährige Tinker Fidelio ist ein Ex-Verleihpferd mit Sommerekzem. Nach dem Umzug in einen Stall mit Ziegen, Esel und einem weiteren Pferd bekam er Hautpilz, der sich trotz Behandlung durch den Tierarzt nicht besserte.

Aussage Juliane T.: Fidelio möchte, dass seine Besitzerin „eine Farm für heimatlose Pferde“ eröffnet. Frau T. könne da behilflich sein. Er möchte viel erzählen, ebenso wie acht andere Pferde ihren Besitzern. Frau T. bietet sich als Medium an. Für seine Haut äußert Fidelio konkrete Homöopathie-Wünsche. Frau T. betont, dass sie keine Heilpraktikerin sei, sondern dass die Medikamente direkt vom Pferd gefordert würden.

Aussage Johanna S.: Erst beim zweiten Versuch ist Fidelio bereit, mit Frau S. zu sprechen. Er sagt, dass er den Schutz der Herde vermisse und sich in einer Zeit des Wandels befände, weshalb er für den Pilz empfänglich sei. Die offene Haut soll mit verdünntem Teebaumöl behandelt werden. Frau S. schickt zudem Engel-Energie, die die Heilung unterstützen soll.

Besitzer: Beide Damen verkannten den bedrohlichen Zustand Fidelios, der zwischenzeitlich kurz vorm Einschläfern stand. Stattdessen gaben sie zweifel­hafte Ratschläge für die menschliche Lebensplanung und Alternativ-Behandlungen. Homöopathie ohne Anamnese ist ebenso bedenklich wie Teebaumöl auf jedes Hautproblem zu schmieren. Fidelio hat sich inzwischen dank einer Intensivbehandlung erholt.

Fall C: Heilstein bitte!

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Donald (7 Jahre) wurde als gelassenes, ausgeglichenes Pferd vorgestellt, das mit Kotwasser und einer abgeheilten Sehnenverletzung zu tun hat. Diese Angaben verleiteten die Tiertelepathin Karola K. zu ebenso falschen Schlüssen wie die Tatsache, dass Donalds Herkunft ungeklärt ist. Aussage Karola K.: Donald bedankt sich für die Liebe seiner Besitzerin. Als Fohlen hätte er schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht und sei deshalb reserviert. Als Grund für sein Kotwasser gibt er Futtergetreide an. Darin sei auch zu viel Öl und Eiweiß enthalten. Er wünscht sich Weide mit wenig Gras und anderen Pflanzen, für Leber und Bauchspeicheldrüse ein konkretes Medikament, ein ganz bestimmtes Futter sowie einen heilenden Bernstein in der Mähne. Ansonsten möchte Donald wieder ins Gelände geritten werden, gerne lange über nassen Sand laufen, schwimmen und zur Abwechslung etwas ziehen.

Besitzer: Frau K. irrt sich oder beschränkt sich auf Allgemeinplätze. Donald war noch nie scheu, er ist menschenfreundlich und neugierig bis zur Aufdringlichkeit. Kraftfutter gilt bei vielen Pferden als Auslöser von Kotwasser. Dass seine Ration zu viel Energie enthält, zeigt die speckige Figur. Donald wird zurzeit fast nur im Gelände geritten, warum sollte er sich das wünschen? Eine Kutsche steht jedem Pferd seines vor allem als Wagenpferd genutzten Typs gut. Und ein Ritt am Meer ist wohl eher ein Reiter- als ein Pferdetraum.

Fall D: Ein Freund in Beige

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Rädlein

Pandora (19 Jahre) wird Tierkommunikatorin Urte C. als unproblematisches Pferd geschildert mit kleinen altersbedingten Wehwehchen (Spat, etwas steif). Die Besitzerin will wissen, ob die Stute Schmerzen hat, ob sie gerne geritten wird, und ob sie sich nach dem Umzug in einen neuen Offenstall wohl fühlt?

Aussage Urte C.: Das Telefonat besteht vor allem aus Fragen. Frau C. fragt nach Kopfschmerzen bei der Besitzerin und nach dem Pferdezahnarzt. Das habe Pandora nicht gemocht. Ihr Körper ist in Ordnung, ihre Steifheit nur eine Angewohnheit. An den Beinen vermitteln Bandagen Sicherheit. Ob es in der alten Herde ein altes Pferd gäbe? Das würde sie vermissen. In der neuen Herde sei ein beiges Pferd ihr Freund. Pandora liebt frisches, feuchtes Gras. Ihre Hinterbeine sind im Sommer gut, im Winter zieht es manchmal etwas.

Besitzer: Manches stimmt. Pandora war mit einem alten Wallach befreundet, den sie gerne besucht. Und ihr neuer Herdenfreund ist tatsächlich beige. Nur bekanntermaßen freunden sich ähnliche Pferde besonders leicht an. Pandoras Steifheit als Angewohnheit abzutun, ist riskant: Dahinter könnte ein ernsteres Problem stecken. Dafür muss kein gesundes Pferd bandagiert werden. Dass Spat im Winter mehr schmerzt als im Sommer, ist banal. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen hat Pandoras Besitzerin nie Kopfschmerzen.

Fall E: Der richtige Fuß

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Rädlein

Die von ihrer Besitzerin selbst gezüchtete Araberstute Flynn (12 Jahre) wird recht knapp als motiviert, fröhlich und im Gelände sehr sicher geschildert. Vor einigen Jahren wurde ein Griffelbeinbruch operiert und zurzeit gibt es Anlehnungsprobleme in der Dressur. Liegt die Ursache vielleicht im Hals?

Aussage Barbara R.:Flynn ist eine fröhliches Pferd, das die Zirkusarbeit und freien Spiele, die mit ihr gemacht werden, sehr liebt. Auch Gymnastik macht sie gerne, nur zieht es da im Hals. Deswegen empfiehlt Frau R., einen Osteopathen zu Rate zu ziehen. Außerdem zeigt Flynn der Telepathin kurz das linke Hinterbein in Schonhaltung. Flynn fühlt sich bei ihren Menschen wohl, weil diese sie so akzeptieren wie sie ist. Beim Reiten ist sie auch meist zufrieden. Besonders liebt sie es, wenn sie ganz schnell werden darf.

Aussage Kerstin G.: Die Tierkommunikatorin sieht Hals- und Rückenprobleme und vermutet, dass Flynns Sattel auf die Schulter drückt. Am linken Hinterbein gibt es vom Röhrbein abwärts diverse Disharmonien, und auch die Zähne sind nicht ganz in Ordnung. Flynn ist selbstbewusst. Doch die Menschen wollen zu viel von ihr und loben zu wenig. Dabei macht Flynn Arbeit an sich sehr viel Spaß. Freiheitsdressur liebt sie, Bodenarbeit und Zirkus findet sie dagegen langweilig. Die starre Haltung in der Dressur mag sie nicht, sie bevorzugt eine freie Kopfhaltung, ohne Gebiss, am liebsten im Gelände. Flynn ist oft eifersüchtig, wenn sich ihre Besitzerin mit einem anderen Pferd anstatt mit ihr befasst. Sie wünscht sich, dass der Mensch bei ihr fröhlicher ist, nicht so gestresst und abgearbeitet. Die Besitzerin soll mehr aufs Pferd eingehen, es nicht nur einfach bewegen.

Besitzer: Frau R. überzeugt nicht. Mit Flynn wird nicht gespielt, wie kann sie das lieben? Bei Anlehnungs- und Halsproblemen einen Osteopathen zu empfehlen, bedarf ebenso wenig hellseherischer Fähigkeiten wie die Erkenntnis, dass ein Araber gerne schnell läuft. Einmal hat sie Recht: Flynns Griffelbein war tatsächlich hinten links gebrochen. Frau G. liegt nicht nur mit dem Bein richtig. Sie spricht auch Flynns Eifersucht an, auf die es zuvor keinen Hinweis gab. Die Besitzerin betreut gerade ein anderes Pferd mit, welches Flynn auf der Weide angreift. Flynn ist tatsächlich sehr eifrig, vor allem in der Freiarbeit. Dressurgymnastik behagt ihr nicht, doch das legen die Anlehnungsprobleme auch nahe. Hinsichtlich Sattel und Zähnen bestätigt Frau G. bereits vorhandene Vermutungen.

Fall F: Lust auf Apfelstücke

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Rädlein

Warmblut Vito (7 Jahre) wird freizeitmäßig Dressur und Springen geritten. Nach einer Kehlkopf-OP wird er gerade langsam wieder aufgebaut. Die Besitzer fragen deshalb die Tierkommunikatorin Jessica M., ob ihm die OP Erleichterung verschafft hat und ob es ihn stört, dass er nicht mehr so gut wiehern kann?

Aussagen Jesscia M.: Die Operation brachte Erleichterung. Die verschleimte Engstelle, die Vito stark behindert hat, ist nun weg. Er kann jetzt ungehindert atmen, was er genießt. Vito freut sich, jetzt auch Trabarbeit machen zu können. Der Verlust seiner Stimme belastet ihn nicht, er will sich jetzt durch mehr Ausstrahlung ausdrücken. Körperlich ist er ansonsten gesund, nur etwas steif. Außerdem ist die Kondition noch nicht so gut. Er mag die Arbeit mit seiner Besitzerin und liebt es, am Kopf gestreichelt zu werden. Er schaut sehnsüchtig auf die Koppeln und wünscht sich frisches Gras, ganze Möhren und geviertelte Äpfel.

Besitzer: Vito hatte nie Schleim am Kehlkopf. Er konnte immer gut im Trab arbeiten. Dass er besser Luft bekommt, aber nach der Stehzeit etwas steif ist, war erwartbar. Seine Wünsche dürfte jedes Pferd in seiner Situation haben. Die Apfelviertel waren allerdings ein Volltreffer. Die bekommt er seit Jahren.

Interview: Ein Fall für den Psychiater

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privat
Colin Goldner, klinischer Psychologe und Buchautor

CAVALLO: Gibt es seriöse alternative Heilmethoden?
Goldner: Nein, für kein einziges alternatives tiermedizinisches Verfahren liegt ein stichhaltiger Wirkbeleg vor, auch nicht für Akupunktur und Homöopathie. Ginge ihre Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus, wären sie schon längst Teil der wissenschaftlichen Medizin.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund dann Tiertelepathie?
Telepathische Tierkommunikation halte ich für zynische Geschäftemacherei mit den Nöten besorgter Pferdehalter. Wird sie zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken eingesetzt, reicht das schon fast an den Rand des Kriminellen. Völlig indiskutabel ist telepathische Kommunikation mit toten Tieren, die aus dem Jenseits Rat und Lebenshilfe geben oder mitteilen, wann und wie sie wiedergeboren werden.

Also ist alles Scharlatanerie?
Der Unterschied ist: Die einen glauben tatsächlich an ihre vermeintlichen Fähigkeiten; die anderen wissen, dass es solche gar nicht gibt und sie ihren Kunden nur Humbug verkaufen. Von außen kann man kaum erkennen, ob es sich bei der einzelnen Anbieterin eher um einen Fall für den Psychiater oder für den Staatsanwalt handelt.

Wieso gibt es dann trotzdem mitunter recht gute Ergebnisse?
Das liegt zum einen in der gläubigen Erwartungshaltung der Kundschaft. Der fällt es wie bei Hellsehern oder Astrologen nicht auf, dass die Antworten so vage und vieldeutig sind, dass sie immer irgendwie zutreffen. Die etwas konkreteren Angaben sind ganz banal, hergeleitet aus dem äußeren Erscheinungsbild des Tiers – Foto genügt – sowie den zur Verfügung gestellten Daten. Der Rest wird phantasiert.

Ist denn alles nur Einbildung?
Die ständig angeführten „Erfolge“ der alternativen Tierheilverfahren beruhen in der Regel darauf, dass unterschiedlichste Beeinträchtigungen der Gesundheit nach einer Zeit von selbst wieder verschwinden. Alternative Heiler und ihre Kunden führen natürliche oder spontane Heilungsverläufe oder zyklische Besserungen dann auf die „Behandlung“ zurück.

Dann schadet sie wenigstens nicht.
Viele Methoden sind keineswegs so sanft, wie immer behauptet wird. Und wenn der Tierhalter lieber auf die Diagnose einer Tiertelepathin vertraut als auf die eines Tierarztes, kann es fürs Pferd sogar richtig gefährlich werden.

Info:

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Goldner
Cover des Buches "Vorsicht Tierheilpraktiker!"

Colin Goldner schrieb das kritische Standardwerk „Vorsicht Tierheilpraktiker!“.

Das Buch ist im Alibri Verlag erschienen und kostet 29 Euro (ISBN 9783865690043).

Interview: Die Nieten vergessen wir

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privat
Wolfgang Hund, Lehrerausbilder und Experte für okkulte Tricktechniken.

CAVALLO: Sind Methoden wie Tiertelepathie nur Spinnerei?
Hund: Ich würde die beiden Sachen trennen. Bei der Tierkommunikation kann es ja tatsächlich sehr sensible Menschen geben, die unbewusst kleinste körpersprachliche Regungen des Pferds lesen und interpretieren. Das machen wir übrigens im Alltag alle ständig mit unserem Gegenüber.

Und die Tiertelepathie?
Geht ja davon aus, die Gedanken eines Tiers lesen zu können. Das setzt aber voraus, dass es überhaupt denken kann. Denken beginnt aber mit der Eigenwahrnehmung. Weiß ein Pferd, dass es ein Pferd ist, ein Individuum? Bisher können sich nur bestimmte Affenarten, Delfine, Elefanten selbst im Spiegel erkennen – und natürlich Menschen. Insofern ist die gedankliche Kommunikation mit Tieren totaler Nonsens.

Manchen Tiertelepathen genügt ein Foto vom Pferd und ein Telefonat, um erstaunlich Ergebnisse zu erzielen. Wie machen die das?
Ähnlich wie Wahrsager, Hellseher und andere Medien, die Deutungstechniken verwenden. Der Fachbegriff dafür ist „Cold Reading“. Sie arbeiten beispielsweise mit Wahrscheinlichkeiten. In 90 Prozent der Fälle möchten die Leute beim Hellseher etwas über ihr Liebesleben wissen. Danach kommen die Themen Gesundheit, Geld und Beruf. Ein Hellseher spricht diese Bereiche an, und geht dann auf die Reaktionen des Gegenübers ein.

Das geht per Internet aber nicht.
Stimmt, da hat er tatsächlich nur ein Bild vom Pferd und vermutlich einige Basisinformationen. Aber auch daraus lassen sich Präferenzen ableiten. Dass ein 20-jähriges Springpferd Sehnenprobleme hat, ist ja nicht unwahrscheinlich.

Und per Telefon?
Das ist etwas einfacher. Gute Wahrsager leiten aus den Sprechpausen, dem Räuspern und der Tonmodulation ihres Gesprächspartners vieles ab. Die große Kunst besteht dann darin, einen Satz zu beginnen und ihn aufgrund der Reaktion des Kunden so zu beenden, dass es passt. Außerdem werden die Kunden gerne miteinbezogen. „Ich brauche Ihre Mithilfe, damit ich etwas sehe“, heißt es dann. Da macht man mit, schließlich hat man ja bezahlt.

Wieso wissen solche Leute trotzdem Dinge, die sie nicht wissen können?
Da beschummeln wir uns selbst. Wir merken uns nur den unwahrscheinlichen Treffer. Ich nenne das immer den Bild-Zeitungseffekt. Dass die anderen 99 Vorhersagen Nieten waren, vergessen wir hingegen sofort.

Kontakt

Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) e. V.
Arheilger Weg 11
64380 Roßdorf
www.gwup.org

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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