Vorsicht Allergie: Die schlimmsten Staub-Quellen im Stall
Hier staubt's!

Wo Pferde sind, ist Staub – und der kann krank machen. Wo staubt es besonders, und was kann man dagegen tun?

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Foto: Rädlein

Mit bloßen Auge ist die Gefahr kaum zu erkennen: Staub. Das sind feine und feinste Teilchen, die sich in der Luft halten und eingeatmet werden – luftgetragene Partikel im Fachjargon. Das Problem: Viele Reiter unterschätzen die Belastung, der ihre Pferde dadurch ausgesetzt sind.

Staubpartikel haben Keime im Gepäck

Die Luft in Stall und Reithalle enthält nicht nur unbelebte Partikel, sondern auch mehr oder weniger schädliche Bakterien, Pilze, Viren und Milben sowie deren Sporen und Stoffwechselprodukte. Diese heften sich an andere Teilchen, bilden zum Teil sogar Kolonien.

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Wie schädlich die Partikel sind, hängt auch von ihrer Größe ab: Je kleiner, desto weiter dringen sie in die Atemwege. Mit einem sogenannten aerodynamischen Durchmesser von weniger als 10 Mikrometer gelangen sie in die Bronchien des Pferds, bei unter 4 Mikrometer sogar in die Lungenbläschen.

Staub-empfindliche Atemwege von Pferden

Die Atemwege von Pferden reagieren extrem empfindlich auf Staub. „Eine hohe Konzentrationen an luftgetragenen Partikeln zieht auffallend oft Schleim in der Luftröhre und eine erhöhte Anzahl an Entzündungszellen nach sich“, sagt Gesche Claußen vom Department für Nutztierwissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen. Im schlimmsten Fall drohen chronische Atemwegserkrankungen: Die Pferde husten, atmen schon in Ruhe schwer und vermeiden Anstrengung. Die Symptome können meist nur gelindert werden, eine Heilung ist nicht möglich.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Denn Staubquellen lassen sich mit einfachen Mitteln entschärfen. Welche das sind, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.

Staub im Stall: Futter & Co.

„Wann und wo im Stall besonders hohe Staubbelastungen auftreten, ist von vielen Faktoren abhängig und schwankt sehr stark im Jahres- wie auch im Tagesverlauf“, erklärt Gesche Claußen. Sie hat in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Engel Hessel an der Georg-August-Universität in Göttingen rund 50 Studien zum Thema Staubentwicklung in Ställen analysiert und verglichen.

So spielen die Bauweise und die Durchlüftung des Stalls eine große Rolle, aber auch die Art und Weise, wie gemistet, eingestreut, gefegt und gefüttert wird. Dies alles wird noch einmal beeinflusst vom Wetter: An feuchten Tagen wird deutlich weniger Staub aufgewirbelt als an trockenen, heißen.

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Staub im Stall: Futter & Co.

Vorsicht beim Saubermachen!

Vor allem beim Misten und Einstreuen atmen Mensch und Tier große Mengen Staub ein. Die beliebteste Einstreu, das Stroh, ist leider besonders heikel: Die Konzentration von schädlichen Partikeln sowie Pilzsporen in der Luft ist während und nach dem Ausmisten von Stroh deutlich höher als sonst. Das zeigen Studien. Je nach Stall erhöht sich die Konzentration der luftgetragenen Partikel auf das 9- bis 19-fache.

Entscheidend ist auch, wie gemistet und eingestreut wird: Am wenigsten Staub verursacht die oft verteufelte Matratzenstreu; hier wird lediglich beim Überstreuen Staub verursacht. Das Entfernen der nassen Stellen und Pferdeäpfel sowie das komplette Leeren der Box bei herkömmlicher Wechselstreu erzeugen insgesamt deutlich mehr luftgetragene Partikel.

„Als staubärmste Einstreuvarianten, die sich besonders gut für Pferde mit Atemwegserkrankungen eignen, haben sich Stroh- oder Holzpellets herausgestellt“, erklärt Gesche Claußen.

Kritisch wird’s auch, wenn gefegt wird: Untersuchungen zeigen, dass das Säubern der Stallgassen die Partikel-Konzentration deutlich erhöht – und zwar um den Faktor 3,6. Hier hilft ein so einfaches wie wirksames Mittel: das Wässern des Bodens mit einer Gießkanne. „Generell ist es ratsam, Arbeiten wie Misten, Einstreuen und Fegen dann auszuführen, wenn die Pferde draußen sind“, sagt Gesche Claußen. „Das ist eine Frage des Stallmanagements.“

Ziemlich unappetitlich - staubiges Futter!

Beim Heu variiert die Staubentwicklung je nach Schnitt: Eine Studie belegt, dass Heu aus dem zweiten Schnitt im September rund 26 Prozent weniger mit Staub und Schimmelsporen belastet ist als Heu des ersten Schnitts. Gründe dafür sind Ernte- und Lagerbedingungen, aber auch das Wetter.

Überraschend ist die Erkenntnis aus einer anderen Untersuchung: Beim Füttern aus dem Heunetz treten rund vier Mal so viele luftgetragene Partikel auf als bei der Fütterung vom Boden: „Das liegt daran, dass das Pferd durch das beständige Herauszupfen der Halme aus dem Netz immer wieder Staub verursacht“, erklärt Gesche Claußen. „Zudem befinden sich die Nüstern permanent unmittelbar an der Staubfreisetzungsquelle.“ Hier hilft es, gefüllte Heunetze für etwa 10 Minuten ins Wasser zu tauchen. Im Test eliminierte dies Partikel von 5 Mikrometer Größe nahezu vollständig. Der Nachteil: Das Wässern geht mit einem gewissen Verlust an Nährstoffen einher.

Die beste Methode zur Staubvermeidung ist, das Heu zu bedampfen. So werden luftgetragene Partikel fast vollständig eliminiert, Bakterien und Schimmel reduziert. Rohprotein und Mineralien werden nicht beeinträchtigt.

Das Problem: „Die Methode erfordert spezielle Geräte und ist sehr aufwändig, da immer nur kleine Heumengen bedampft werden können“, sagt Gesche Claußen. „Für viele Ställe bedeutet das schlichtweg zu viel Arbeit, deshalb wird sie nur selten genutzt.“ Für Pferde mit Atemwegserkrankungen kommen als Raufutter-Alternative Heulage oder Silage in Frage.

Auch Kraftfutter ist übrigens nicht staubfrei – insbesondere gequetschtes Korn. Im Vergleich zum ganzen Korn und industriell hergestelltem Fertigfutter staubt es rund eineinhalb Mal so stark. Denn beim Quetschen entstehen viele kleine Partikel, die beim Füttern aufgewirbelt werden.

Hier hilft es, Wasser oder Öl ins Futter zu mischen. Das reduziert die Staubentwicklung deutlich: Versuche haben gezeigt, dass 3 Prozent Rapsölzusatz die Bildung von luftgetragenen Partikeln im Futter um 95 Prozent verringert.

Staub in der Reitbahn: Gefahr aus dem Boden

Auf Reitplätzen und in Reithallen ist Staub ein ständiger Begleiter. Hier tummeln sich in der Regel große Mengen an luftgetragenen Partikeln, und mit ihnen viele Schimmel- und Hefepilze. Beim Training atmen Pferde und Reiter diese mitunter schädlichen Partikel unweigerlich ein – in Hallen naturgemäß noch mehr als auf dem Außenplatz, wo der aufgewirbelte Staub besser abziehen kann.

Wie hoch die Belastung in der Halle tatsächlich ist, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab: „So spielt es eine Rolle, wie die Halle belüftet ist, wie der Boden beschaffen und gepflegt ist und wie er bewässert wird“, erklärt Gesche Claußen. „Zudem ist entscheidend, wie viele Pferde in der Bahn sind und in welcher Gangart sie sich bewegen.“

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Vorsicht Allergie: Die schlimmsten Staub-Quellen im Stall

Welcher Boden ist der Beste?

In einer Untersuchung überraschte Sand positiv. Die Werte bei den organischen bzw. belebten luftgetragenen Partikeln waren deutlich besser als erwartet. „Das liegt daran, dass Staubpartikel aus dem Sand relativ groß und schwer sind, so dass sie schneller absinken und kaum vom Pferd eingeatmet werden“, sagt Claußen. Mineralischer Staub und Staub aus beigemischten Fasern oder Zusatzmaterialien wurde in dieser Studie jedoch nicht untersucht.

Ein anderer Test zeigte, dass im Vergleich zum reinen Sandboden zum Beispiel ein Sand-Sägespäne-Gemisch weniger winzige Partikel zwischen 0,3 und 5 Mikrometer freisetzte.

„Noch fehlen detaillierte Studien zum Verhalten unterschiedlicher Reitböden, vor allem auch hinsichtlich bestimmter Faserbeimischungen“, erklärt Gesche Claußen. Klar ist jedoch: Reitböden-Beimischungen wie Vlies, Baumwollstücke oder Hackschnitzel können unterschiedlich hohe Konzentrationen von luftgetragenen Partikeln verursachen. Wie diese Mischungen sich genau verhalten, erforscht Gesche Claußen derzeit intensiv.

Wässern, Abmisten und Saubermachen ist Pflicht

Einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung von luftgetragenen Partikeln – inklusive Schimmelpilzen und Bakterien – hat der Faktor Reitplatz-Bewässerung: „Im feuchten Boden sinken die Hufe nicht so weit ein, weniger Partikel werden aufgewirbelt“, erklärt Claußen. Für „gute Luft“ in der Reitbahn ist zudem das schnelle und gründliche Abmisten der Pferdeäpfel Pflicht. Sonst vermischen sie sich mit dem Bodenbelag, trocknen und gelangen in „Staubform“ wieder in die Luft.

Auch das regelmäßige Saubermachen von Banden, Tribünen usw. ist wichtig. Hier setzen sich im Laufe der Zeit große Mengen Staub ab, die ihrerseits zur Staubentwicklung in der Halle beitragen können.

Staubige Zeiten vermeiden

Mit etwas Planung und zeitlicher Flexibilität lässt sich die Staubbelastung verringern: „Die beste Zeit, um ein Pferd in der Halle zu trainieren, ist frühmorgens“, rät Gesche Claußen. „Die geringste Belastung wurde in Studien in den Morgenstunden gemessen, wenn die Halle für rund 10 Stunden ungenutzt war. Die Konzentration an luftgetragenen Partikeln war hier nur wenig höher als in der Umgebungsluft.“ Die Staub-Partikel hatten über Nacht genügend Zeit, um sich abzusetzen – sedimentieren im Fachjargon.

Auch Stoßzeiten mit vielen Pferden in der Halle oder auf Platz sollten wenn möglich gemieden werden; denn naturgemäß steigt die Staubentwicklung mit der Anzahl der Pferde in der Bahn.

So praktisch wie ungünstig: Vom Stall direkt in die Halle

Es ist zweifelsohne sehr bequem, bei schlechtem Wetter mit dem Pferd schnell und trocken direkt in die Reithalle gehen zu können. Doch den Komfort bezahlt man mit einer höheren Staubbelastung – und zwar in der Halle und im Stall. So ist die Luftqualität in Hallen mit einer direkten, offenen Verbindung zum Stall signifikant schlechter, während die Boxen gemistet oder eingestreut werden. Hier fanden sich in Tests sogar bis zu 27 Mal mehr Schimmelsporen in der Luft.

Umgekehrt verschlechtert eine direkt angeschlossene Halle durch den Staub, der beim Training entsteht, die Luft im Stall. „Wenn die Möglichkeit besteht, Stall und Halle durch Türen zu trennen, sollte dies unbedingt dauerhaft getan werden“, rät Gesche Claußen.

Bei der Fellpflege fliegen die Pilze

Ob nach einem ausgiebigen Schlammbad oder bei scheinbar sauberem Fell: Das Putzen eines Pferds wirbelt ordentlich Staub auf. Der wird vom Pferd eingeatmet, aber natürlich auch vom Menschen, der unmittelbar daneben steht. Dabei macht sich wohl kaum jemand Gedanken, welcher Staubbelastung er und sein Pferd bei der Fellpflege ausgesetzt sind. Und auch die Wissenschaft ist hier noch nicht sehr weit.

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Bei der Fellpflege fliegen die Pilze

Staub-Forscher widmen sich erst seit Kurzem der Pferdepflege. Mit den Auswirkungen des Putzens auf die Staubentwicklung haben sich 2014 erstmals portugiesische Wissenschaftler auseinandergesetzt. Im Fokus standen allerdings nicht die Tiere, sondern die Arbeitsplatzbedingungen fürs Stallpersonal. Wie hoch ist die Belastung durch luftgetragene Partikel, durch Pilze und deren Stoffwechselprodukte, die Mykotoxine?

Das Ergebnis: Die Belastung durch luftgetragene Partikel allgemein und so genannte CFU („colony forming unit“), also koloniebildende Einheiten von Mikroorganismen, war beim Putzen des Pferds in der Box deutlich höher als in der Umgebungsluft – und sogar drei Mal so hoch wie beim Misten!

Grund dafür ist, dass es beim Putzen eben richtig staubt – und Pilze natürliche „Bewohner“ in Ställen sind, deren Sporen und Mykotoxine sich an diese unbelebten luftgetragenen Partikel heften. Die Pilze wiederum könnten für eine Reihe von Erkrankungen der Atemwege verantwortlich sein – und gegebenenfalls sogar toxisch wirken.

Wissenschaftler, die sich mit luftgetragenen Partikeln im Umfeld von Pferden befassen, sind sich einig: Weitere, detaillierte Untersuchungen zu Eigenschaften und möglicher Schädlichkeit der eingeatmeten Partikel sind wichtig und notwendig.

Ab nach draußen zum Putzen, das schont die Lungen

Wenn möglich sollten Pferde weder in der Box noch auf der Stallgasse geputzt werden; denn dort erreicht der Staub aus dem Fell auch die Nachbarpferde. „Draußen ist es am besten. Denn dort können die luftgetragenen Partikel, die durch das Putzen freigesetzt werden, viel leichter abziehen“, sagt Gesche Claußen.

Die Botschaft der Expertin: „Gute Durchlüftung in Ställen ist das A und O, um die Staubbelastung zu verringern.“ Fenster und Türen sollten auch bei niedrigeren Temperaturen geöffnet bleiben. „Pferde vertragen das in der Regel sehr gut. Es sind eher wir Menschen, die es im Stall schön warm haben wollen, wenn es draußen kalt ist“, betont Gesche Claußen. Lassen Sie also so viel Luft wie möglich rein – und die Pferde so oft es geht raus. Denn dicke Luft im Stall tut weder Ihrem Pferd noch Ihnen gut!

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023