Eiskalt erwischt: 10 Mythen zur Winterfütterung von Pferden

Eiskalt erwischt!
10 Mythen zur Winterfütterung von Pferden

Zuletzt aktualisiert am 20.02.2025
Ein Kleinkind mit Mütze füttert braunes Pferd aus einer Schüssel.
Foto: Alexia Khruscheva/ gettyimages

Mythos 1: Im Winter ist Mash in der Pferdefütterung unerlässlich

Gibt’s einen Stall, in dem zur kalten Jahreszeit keine Mash-Säcke stehen? Er dürfte zu den Ausnahmen zählen. Denn Mash brauchen Pferde ja schließlich im Winter. Oder? Naja, nicht ganz: "Dieser Winter-Fütterungs-Mythos stammt aus einer Zeit, in der Haltung und Fütterung von Pferden ganz anders aussah", sagt Conny Röhm.

In einem Buch aus dem Jahr 1764 fand sie Hinweise auf Mash-Vorläufer (noch mit einem Schuss Rotwein übrigens – cheers!). Mash, das unserem heutigen ähnelt, wurde vorwiegend im 19. und frühen 20. Jahrhundert gegeben; als die Pferde fast den ganzen Winter hindurch in Anbindehaltung standen. Bewegung? Frisches Wasser? Beides damals Mangelware. "Um Koliken zu vermeiden, wurde eine breiige, warme Mahlzeit aus aufgeweichten Getreidebestand- teilen wie Kleie und Leinsamen eingeführt. Es diente vor allem als Flüssigkeitsquelle", erzählt Conny Röhm. Damals haben Pferde Mash also definitiv im Winter gebraucht.

In unserer heutigen Haltungsform sieht das anders aus, Mash sei nicht mehr per se "nötig", meint die Fütterungsspezialistin. Aber: Es kann bei Pferden hilfreich sein, die im Winter wenig trinken oder Verdauungsprobleme wie Kotwasser oder Verstopfung haben. Bei gesunden Pferden kann zu viel Mash hingegen die Verdauung stören.

Mythos 2: Im Winter sollte ich meinem Pferd mehr Vitamine geben

Klare Sache: Unsere Pferde müssen das ganze Jahr über bedarfsgerecht mit Vitalstoffen (Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen) versorgt werden. Aber: Im Lauf der Lagerung verliert das Heu diese nach und nach. Vor allem Vitamine lösen sich in Luft auf. Braucht mein Pferd dann also eine Vitaminspritze im Winter? "Fettlösliche Vitamine (A, D, K und E) werden zwar mehr oder weniger lang in der Leber gespeichert", sagt Fütterungsexpertin Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand; unsere Pferde legen sie bei täglichem Weidegang im Sommer als Reserve an. "Eine zusätzliche Vitaminzufuhr mit den fettlöslichen Vitaminen ist in der Winterfütterung für die Pferde unentbehrlich, die entweder keinen Weidegang hatten, unter schlechter Rohfaserqualität leiden oder durch Zucht, Aufzucht oder Sport einen erhöhten Bedarf haben", so Dr. Weyrauch-Wiegand. Wasserlösliche Vitamine (C und B) bildet das Pferd selbst im Darm.

Mythos 3: Auf jeden Fall Zink als Zusatzfutter für den Fellwechsel ergänzen

Ja, der Zink-Bedarf steigt minimal, wenn das Pferd sein neues Fell bildet. Nein, es ist nicht schlau, einfach pauschal Zink im Winter zuzufüttern, sagt Fütterungsexpertin Conny Röhm. Zwar toleriert das Pferd hohe Mengen Zink, "aber es wird irgendwann giftig. Die Grenze liegt bei 15 mg pro Kilo Körpermasse und Tag." Auch die Darmflora nimmt große Mengen Zink übel: Die Vielfalt des Mikrobioms nimmt dann ab. Zu hohe Zinkgaben begegnen Conny Röhm in der Praxis regelmäßig. Daher: lieber nachrechnen, ob das Pferd nicht schon ausreichend versorgt ist.

Mythos 4: Im Winter benötigt mein Pferd mehr Heu

Pferde haben eine eingebaute Heizung im Bauch – nennt sich Darm. "Durch die mikrobielle Fermentation der Rohfaser im Dickdarm entsteht nicht nur Energie in Form von flüchtigen Fettsäuren, sondern auch Wärme. Der Prozess wird als Fermentationswärme bezeichnet", sagt Conny Röhm. Durch diese Bio-Heizung können Pferde ihre Körpertemperatur auch im Winter halten.

Eine Frau füttert ihren Haflinger mit Heu auf der Winterweide.
Sitikka/ gettyimages

Brauchen sie also bei eisigen Temperaturen mehr Heu? Jein, meint Conny Röhm: "Bis zu -10 °C bleibt laut einer Studie der Energiebedarf eines Pferds mit dichtem Winterfell unverändert, wenn es in einem windgeschützten oder isolierten Stall gehalten wird." Pferde, die geschoren sind, von Natur aus weniger Pelz oder keinen Witterungsschutz haben, können jedoch bis zu 20 Prozent mehr Energie benötigen. Als Faustregel gelten 2 bis 2,5 % mehr Energie pro Grad Celsius unterhalb der thermoneutralen Zone; die beginnt bei -5 °C. Allerdings nur für weniger pelzige Gesellen, sagt Conny Röhm: "Den zusätzlichen Energiebedarf kann ich auch über Rübenschnitzel, Luzerne oder Öle decken, ohne die Futtermenge im Winter drastisch zu überhöhen. Denn das führt gerade bei leichtfuttrigen Pferden oder solchen, die wenig arbeiten, schnell zu Überfütterung und Übergewicht."

Mythos 5: Nach dem Winter sollte man sein Pferd entgiften

Einmal detoxen ist bei vielen ein festes Winter-Ritual im Fütterungs-Management der Pferde; der Leber zuliebe. "Dass bei manchen Pferden zu Fellwechselzeiten die Leberwerte schlecht werden, liegt meist eher an einer nicht besonders guten Ration", sagt Conny Röhm. "Das Pferd hat dann nicht genügend Nährstoffe für den Fellwechsel und für den Rest des Körpers. Das sieht man an den Leberwerten im Blut." Sie rät daher zur Rationsbilanz, ggf. mit Heuanalyse. Dann können wir Nährstoffe gezielt ergänzen – und die Leberwerte werden automatisch besser.

Mythos 6: Im Winter braucht mein Pferd weniger Kraftfutter

In manchen Reithallen spürt man förmlich die elektrische Ladung: Beim kleinsten Anlass hüpfen die Pferde los. Knackig kalt, zu viel Energie – da kürzen manche Reiter das Kraftfutter, vor allem den Hafer. Macht die Kombi Winter und Hafer wirklich kirre?

"Bei der Haferfütterung kann die Energie aus dem Hafer sehr, sehr zeitnah zur Verfügung stehen. Um genau zu sein: rund 20 Minuten nach der Fütterung", sagt Conny Röhm. Die Energie staut sich auf – und entlädt sich womöglich unterm Reiter. Kein Grund, das Kraftfutter im Winter zu streichen; eher ein Anlass, die Haltung zu verbessern: "Nervosität entsteht oft, wenn die Energiezufuhr nicht mit dem tatsächlichen Bedarf des Pferds übereinstimmt, also die Bewegung fehlt", so Conny Röhm – etwa wenn man nur einen Außenplatz hat, der wegen Schnee und Eis aber nicht nutzbar ist, und die Ration nicht auf das verringerte Training anpasst. Wer sein Pferd regelmäßig und ausreichend trainiert, muss das Kraftfutter nicht reduzieren. Freie Bewegung, Sozialkontakt und stressfreie Gruppen verhindern ebenfalls Bocksprünge.

Mythos 7: Im Winter braucht mein Pferd Karotten

Karotten sind gesund, das weiß jedes Kind: Sie liefern Beta- Carotin, das der Körper (mithilfe des Spurenelements Zink) zu Vitamin A umwandelt. Beta-Carotin steckt in Weidegras, das es im Winter logischerweise nicht gibt. Also gleichen wir das in der Winterfütterung mit Karotten aus, oder?

Ein Pärchen füttert einem gescheckten Pferd eine Möhre auf der Winterweide.
Jessica Peterson/ gettyimages

Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand empfiehlt das: "Im Heu baut sich mit der Lagerung das Beta-Carotin rapide ab, was eine extra Zufuhr im Winter notwendig machen kann. Überständiges Heu oder schlechte Heuqualitäten sind für eine ausreichende Beta-Carotin- Versorgung nicht genug." Für ein Mehr an Beta-Carotin im Winter sorgen Karotten, Rote Bete, maschinell getrocknete Grasprodukte wie Wiesencobs oder Grünmehlprodukte. "Der Tagesbedarf an Beta-Carotin für ein erwachsenes Großpferd kann mit zwei Kilogramm Karotten gedeckt werden", so Dr. Weyrauch-Wiegand. Ein Schuss Öl, um das Beta-Carotin besser verwerten zu können, ist übrigens nicht nötig: Aus Beta-Carotin in Weidegras können Pferde ja auch Vitamin A gewinnen, ohne Öl zu benötigen.

Mythos 8: Im Winter sollte ich Eiweiß ergänzen

Proteine stecken vor allem in frischem Gras. Gibt’s im Winter nicht. Muss ich also jetzt die Proteinzufuhr bei meinem Pferd im Winter erhöhen?

Das hängt ganz klar vom Heu ab, dem Futtermittel, das quantitativ am meisten gefüttert wird, sagt Dr. Weyrauch-Wiegand und rechnet vor: "Ein 600 Kilo schweres Pferd, das leichte Arbeit verrichtet, braucht täglich 400 Gramm Eiweiß. Hochwertiges Heu enthält im Allgemeinen einen Rohproteinanteil von acht bis zehn Prozent. Bekommt das Beispielpferd täglich sieben Kilo davon, haben wir eine Proteinzufuhr von über 500 Gramm."

Leider machen uns schlechte Heuernten und mangelnde Stickstoffdüngung einen Strich durch diese Rechnung, so die Futterexpertin: "Immer mehr Heu enthält erschreckend wenig Protein.” Das zeigen auch Analysewerte der Heuernte 2024 von der LUFA Nord-West. Ob eine Zufütterung von Protein im Winter wirklich notwendig ist, hängt vom individuellen Bedarf eines Pferds und der übrigen Futterration ab. Wird das Heu bedampft, gehen dabei Aminosäuren verloren; dann sollten Reiter Eiweiß ergänzen.

Mythos 9: Bei eisigen Temperaturen muss ich das Trinkwasser aufwärmen

Haben Pferde die Wahl, trinken sie zwar lieber kaltes als warmes Wasser – aber vom kalten womöglich zu wenig. Denn eine Studie der University of Pennsylvania, durchgeführt im Winter mit Außentemperaturen zwischen -20 bis 5 °C, zeigte: Im Schnitt tranken die Versuchsponys 40 Prozent mehr angewärmtes (im Schnitt 19 °C) Wasser als das, das nahe am Gefrierpunkt war. Kaltes Wasser per se macht unseren Pferden nichts aus; machen sie aber bei eisigen Temperaturen einen Bogen um die Tränke, sollten wir unseren Pferden im Winter etwas wärmeres Wasser (12 bis 15 °C) anbieten. Anzeichen dafür, dass Pferde zu wenig trinken, können eingesunkene Augen, Müdigkeit oder der Hautfaltentest (Hautfalte hochziehen, sie sollte sich sofort zurückbilden) sein.

Mythos 10: Im Winter tut meinem Pferd ein Schuss Öl gut

Öle aus Leinsamen, Sonnenblumenkernen & Co. sind voll ungesättigter Fettsäuren. Die haben auf kleinster Ebene im Pferdekörper einen großen Einfluss, sagt Dr. Weyrauch-Wiegand: "Je höher der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren in der Zellmembran ist, desto elastischer, anpassungsfähiger und damit auch gesünder ist die Zelle." Bei roten Blutkörperchen spiegelt sich das beispielsweise in einer verbesserten Fließfähigkeit wider. Es spricht also viel für einen Schuss Öl im Futtertrog oder der Fütterung von ganzen Ölfrüchten im Winter – sofern das Pferd nicht übergewichtig ist. Immerhin enthalten 50 ml Öl schon rund 2 MJ Energie.