Conny Röhm: Definitiv. Denn Pferde sind nicht nur außen dick, am Hals, an der Hinterhand oder Schulter. Dieselbe Menge an Fett ist auch innen im Körper – und dort an Stellen, wo es gar nicht sein dürfte.
Das eine Pony war eine Mini-Shetty-Stute. Beim anderen Tier, einem Shetty-Wallach, wurde ich dazu geholt. Die Stute wirkte zuerst nicht so dick, hatte aber vor ihrem Tod massive gesundheitliche Probleme; vermutlich hat sie deshalb kaum noch gefressen und in sehr kurzer Zeit massiv abgebaut. Bei der Sektion sah ich, dass sie etliche sehr alte Fetteinlagerungen hatte, also früher deutlich dicker gewesen sein musste. Bis große Fettmassen wieder abgebaut sind, dauert es mehrere Jahre. An der Schweifrübe fand ich beispielsweise eine vier Zentimeter dicke Fettschicht, die kaum durchblutet war; der ganze Körper war von vorne bis hinten in solche Ansammlungen eingepackt. Ich fand immense Mengen an Fett in den Muskeln und ein Lipom am Dünndarmgewebe; das ist ein gestieltes Fettgeschwulst. Als ich den Brustkorb geöffnet habe, sah ich erstmal nichts von Herz und Lunge, sondern nur eine immense Menge an Fett, die das Herz nicht nur eingeschnürt, sondern auch komplett umfasst hat. Beim Wallach war das ähnlich. Der wog bei knapp 1,05 Meter Stockmaß 285 Kilo; das sind hundert Kilo Übergewicht! Als wir den Körper an der Bauchlinie geöffnet haben, kam uns Fett entgegen. Ich habe die Fettmenge am Darm abgewogen; das allein waren rund 20 Kilo.

Constanze Röhm ist Pferdewissenschaftlerin und Futterberaterin. Über ihr Weiterbildungsinstitut TWI bietet sie unterschiedliche Kurse zur Pferdefütterung an. Mehr Infos unter twi.academy
Nehmen wir mal das Fett, das außen liegt: Das wirkt wie ein Mantel und behindert u.a. die Arbeit der Schweißdrüsen. Das Pferd heizt sich also viel schneller auf. Das Fett kann auch jucken oder schmerzen. Kammfett, Fett am Rumpf oder an der Hinterhand kann nicht durch Muskulatur gestützt werden, es bewegt sich also bei jedem Schritt mit. Das muss ein Pferd erstmal stabil halten. Oft verhärten dann die Außenfaszien. Dazu kommt, dass Fett auch am Bindegewebe reißt oder am Hals aufs Nackenband drückt. Die Strukturen werden so geschädigt. Bei beiden Pferden habe ich Fettschichten auf Muskeln und Einwachsungen im Muskelgewebe gefunden; das sah so ähnlich aus wie ein sehr fettes Rindersteak, stört aber die Durchblutung. Die Fettzellen setzen zudem pro-inflammatorische Stoffe frei, die zu Entzündungen führen und den Muskel ebenfalls schädigen. Die Pferde wollen und können sich dann oft gar nicht mehr bewegen. Sie entwickeln eine deutliche Trainingsintoleranz. Fett an den Organen verhindert, dass die ordentlich funktionieren. So ein von Fett ummanteltes Herz muss unfassbar hart arbeiten. Die Lungenflügel können sich auch nicht entfalten, weil weniger Platz ist; Atemwegsprobleme verstärken sich deshalb durch Adipositas. Und dazu kommen bekannte Probleme wie Schäden am Bewegungsapparat, Equines Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz, Hufrehe, Trageerschöpfung.
Ja, das machen etliche. Oder sie relativieren: Das ist doch rassetypisch, der futtert gern, der verwertet gut, ich hab ja alles probiert... Nee, man kann immer was machen! Und die Pferdebesitzer, die das erkennen und aktiv werden, die sind Gold wert. Die feiere ich auch, weil sie ihren Tieren was Gutes tun. Denn: Wiegt das Pferd 15 bis 25% mehr, als es laut Normgewicht sollte, ist es morbid adipös. Es wird vor seiner Zeit sterben. 25% und mehr über dem Normgewicht ist tierschutzrelevant.
Entweder man holt sich professionelle Fütterungshilfe, oder man rechnet selbst: Wie viel Energie braucht mein Pferd pro Tag, und wie viel bekommt es? Wenn es hier einen massiven Überschuss gibt, muss man zwingend die Energiezufuhr übers Futter senken. Das ist je nach Haltungsform nicht immer einfach, aber lohnt sich in jedem Fall fürs Pferd.





