Delphine lassen sich den Bauch schallen, Orang Utans strecken den Arm zur Blutprobe hin, Elefanten öffnen das Maul zur Zahnkontrolle: Medical Training macht‘s möglich, dass wilde Tiere sich kreuzbrav vom Doc behandeln lassen. Und Pferde? Die zappeln, steigen und sind oft total gestresst, wenn der Tierarzt kommt oder der Reiter selbst nur eine simple Wurmkur geben will. Schluss damit: Eine Zootierärztin und eine Pferdetrainerin zeigen, wie Reiter ihre Pferde zu kooperativen Patienten machen, ganz ohne Druck und Zwang. Der Clou: Das Training hilft auch beim täglichen Umgang, macht Spaß und verbessert obendrein das Verhältnis zwischen Pferd und Reiter.
Üben bis der Arzt kommt, ist in fortschrittlichen Zoos keine Seltenheit mehr. „Bei Wildtieren hat man im Gegensatz zu Pferden nur zwei Möglichkeiten: Entweder man legt sie selbst für eine einfache Blutabnahme in Narkose oder bringt ihnen bei, eine Behandlung freiwillig zu tolerieren“, sagt Dr. Tessa Lohe, Tierärztin im Heidelberger Zoo. Doch wie lernt eine mächtige Mähnenrobbe, der Ärztin ihre Flosse zum Piksen hinzuhalten? Mit positiver Verstärkung. Reiter kennen das Prinzip aus dem Clickertraining. Der Ausbilder clickert oder pfeift, wenn das Tier ein gewünschtes Verhalten zeigt und gibt ihm dafür ein Leckerchen als Belohnung. Das Basistraining ist bei Pferd, Elefant, Schildkröte oder Seelöwe gleich.
Um das Tier zu dirigieren, setzen Zootiertrainer oft Zielobjekte, sogenannte Targets ein. Die Seelöwen im Heidelberger Zoo haben gelernt, mit dem Target vor der Nase ruhig am Boden liegenzubleiben, während der Tierarzt etwa den Stau-Schlauch fürs Blutabnehmen um eine Flosse schlingt.
Der Stock macht ebenso Elefanten mobil. „Foot, Thai“, sagt Trainer Tobias Kremer. Der graue Zweitonner folgt mit seinem Hinterbein brav dem Stab in Kremers Hand und legt es zur Fußpflege auf dem Gitter ab. Trainiert wird täglich mit den pubertierenden Bullen, die seit 2010 in der Junggesellengruppe des Zoos leben – wie Junghengste nach dem Absetzen. Bis die Elefanten artig Fuß gaben, dauerte es zwischen zwei Wochen und zwei Monaten.
Geduld und Einfühlungsvermögen sind wesentlich für den Erfolg – bei Pferden wie Wildtieren. „Machen Sie nicht zu früh ernst mit unangenehmen Behandlungen, sonst wirft Sie das ein paar Wochen zurück“, rät die Zootierärztin.
Gute Trainer haben stets die Tagesform des Tiers im Blick. Selbst Musterschüler konzentrieren sich nicht immer. „Wenn bei Mähnenrobbenbulle Atos die Hormone wegen einer Seelöwin verrücktspielen, frage ich nur die Sachen ab, die er am liebsten macht“, sagt Jörg Kubacki, Leiter des Reviers Robben & Raubtiere. Schon gibt‘s Fisch.















Tierarzt profitiert vom Training
Wie Sie Pferden Spritze, Wurmkur & Co. schmackhaft machen, zeigen Dr. Tessa Lohe und Pferdetrainerin Susanne Nees an Wallach Spacy (6), dem Pferd der Tierärztin. Die ist selbst begeistert vom Trainingseffekt.
Susanne Nees ist Tierpsychologin aus Groß-Umstadt in Hessen. Sie bildet Pferde unter anderem mit Clickertraining aus. www.pferdepsychologie.com
Dr. Tessa Lohe (rechts im Bild) arbeitet als Tierärztin im Heidelberger Zoo (www.tiergarten-heidelberg.de). Sie ist selbst Reiterin und ausgebildete Pferdeosteopathin.





















Clickertraining mit Erfolg
Das brauchen Sie: Die Ausrüstung ist übersichtlich: Sie benötigen einen Clicker, viele Leckerchen und ein paar Leckerbissen, die Ihr Pferd besonders gern mag wie etwa Möhren. „Diese Happen bekommt das Pferd als Jackpot für eine ganz tolle Leistung“, sagt Trainerin Susanne Nees. Targets können Sie im Tierfachhandel kaufen (ab zirka 10 Euro), oder Sie basteln sich selbst ein Zielobjekt, indem Sie etwa einen Gertenknauf mit einer Bandage und Klebeband umwickeln.
Kennenlernen von Clicker & Target: Zunächst bringen Sie dem Pferd bei, was das Click-Geräusch bedeutet: „Das hast du toll gemacht, gleich gibt‘s ein Leckerchen.“ Dazu clicken Sie einfach und füttern sofort ein Leckerli. Pferde begreifen den Zusammenhang binnen kürzester Zeit. Der Verständnis-Test: Das Tier wendet nach dem Click seinen Kopf zum Leckerli-Beutel. Das Target machen Sie dem Pferd so schmackhaft: Halten Sie dem Tier das Zielobjekt vor die Nase. Stupst es dagegen, clickern Sie und geben Leckerli. Schon nach ein paar Wiederholungen wissen die meisten Pferde, dass sie das Zielobjekt mit der Nase berühren sollen. Fehler wie das Herumkauen auf dem Stock ignorieren Sie.
Ruhewort: „Bringen Sie Ihrem Pferd ein Ruhewort bei“, rät Trainerin Susanne Nees. Dieses Wort, zum Beispiel „Sonne“, sagen Sie immer, wenn Ihr Pferd entspannt und ruhig steht. So können Sie Ihr Pferd mit Stimme gezielter beruhigen.






Check
Punkt 1: Zerlegen Sie jede Übung in kleine Teile, abgestimmt auf Ihr Pferd. Gehen Sie erst einen Schritt weiter, wenn der vorherige sicher sitzt. Im Zweifel: einen Schritt zurück.
Punkt 2: Denken Sie sich klare Stimmkommandos aus. Das Wort sagen Sie stets, wenn das Pferd die Übung richtig macht.
Punkt 3: Generalisieren Sie das Training: Was daheim im Stall mit bekannten Menschen funktioniert, klappt an einem anderen Ort mit Fremden noch lange nicht. Je mehr Dinge Ihr Pferd kalt lassen, desto besser.
Punkt 4: Machen Sie nicht zu früh ernst, etwa mit der Wurmkur. Erwarten Sie im Notfall nicht zu viel: Schmerzen stressen Pferde enorm. Womöglich hält es nicht optimal still.
Punkt 5: Ins Gedächtnis rufen: Wiederholen Sie auch Übungen, die gelingen, immer mal wieder.















Auge, Maul und Pferdenase
Pferdeaugen sind empfindlich. Oft ist es schon schwierig, eine Salbe an die Bindehaut zu bekommen. Trainingsziel: Das Pferd hält den Kopf still, und Sie können die Lider locker spreizen. Legen Sie dazu Ihre Hand erst unter, neben, auf und über das Auge. Für kopfscheue Pferd ist das schon eine reife Leistung. Steigern Sie die Zeitspanne, in der Sie die Hand am Auge halten, auf etwa 10 Sekunden. Erst wenn dies entspannt gelingt, üben Sie den Spreizgriff.
Der Nüstern untersuchen
Pferde lassen sich nicht gern in die sensible Nase schauen. Das gehört jedoch zum Standard-Check bei jedem Husten. Manchmal muss der Tierarzt auch einen Abstrich aus der Nüster nehmen. Das können Sie trainieren und Ihr Pferd so auch auf Eingriffe wie eine Endoskopie vorbereiten.





Pferdemaul öffnen
Ob Wurmkur oder Paste gegen Schmerzen: Das kommt vielen Pferden nicht ohne Kraftakt ins Maul. Trainingsziel: Das Pferd nimmt freiwillig eine Spritze in den Mund und lutscht den Inhalt, ohne den Hals hochzurecken. Weil viele Tiere mit Zwangsfüttern schon schlechte Erfahrungen gemacht haben, brauchen Reiter hier oft besonders viel Geduld. Ein Neustart lohnt sich aber unbedingt, gerade bei schwierigen Patienten.















Röntgen: Pferd macht Beinarbeit
Fast jedes Pferd muss irgendwann durchleuchtet werden. Röntgen tut zwar nicht weh, doch für die Tiere ist es trotzdem knifflig: Sie müssen ihre Hufe auf ungewohnten Holzklötzen abstellen, Platten an den Beinen tolerieren, die fremde Menschen in seltsamen Kitteln halten – und zwar ohne zu zappeln, weil sonst das Bild ruiniert ist.
Ist das Pferd zu unruhig, bleibt nur die Sedierung. Solch schweres Geschütz für scharfe Aufnahmen können Sie sich bald sparen. Trainingsziel: Das Pferd lernt, seine Beine gezielt zu bewegen (was auch für die Hufpflege nützlich ist) und die Hufe selbst in ungewöhnlichen Positionen stillzuhalten. Am besten klappt das Üben zu zweit: Einer hält ein Holzbrett, das die Röntgenplatte darstellt, der andere steht am Pferdekopf, clickert und gibt Leckerli.
Standhaft verbinden
Viele Pferde zappeln, wenn etwa Verbandsmull um ihre Beine flattert. Ist eine Verletzung der Grund fürs Wickeln, reagieren sie umso sensibler. Pferde verknüfen zudem das Verbinden teils noch lange mit einer schmerzhaften Behandlung, selbst wenn nichts mehr weh tut.
Trainingsziel: Das Pferd steht beim Verbinden ruhig auf allen Vieren am lockeren Strick. Das Anlegen von Gamaschen oder Bandagen wird so ebenfalls zum Kinderspiel. Trainieren Sie zu zweit. Starten Sie an einem Ort, den das Pferd mit ruhigem Stehen verbindet. Wechseln Sie später Standort und Helfer.





Das pikst doch nur
Angst vor Spritzen muss nicht sein, denn tatsächlich tut ein gekonnter Piks Pferden kaum weh. Trotzdem zicken und zappeln die Tiere oft genug, wenn‘s ans Impfen oder Blutabnehmen geht. Schuld können schlechte Erfahrungen mit rüden Stichen sein. Womöglich überträgt sich auch manches Mal die Angst der Besitzer vor der Nadel aufs Pferd.
Trainingsziel: Das Pferd steht ruhig still, während der Reiter Injektionen in die Vene oder den Muskel simuliert. Fürs Training wird Ihr Tierarzt Ihnen vermutlich gern eine Spritze überlassen. Tipp: Ein einfacher Kabelbinder aus dem Baumarkt ist auch ein tolles Instrument: Er pikst bei Druck, ist aber absolut ungefährlich.














