Weniger essen, mehr Sport! So lautet eine beliebte Abnehmstrategie für Zwei- und Vierbeiner. Landet weniger Futter in Raufe und Trog und wird das Pferd regelmäßig gearbeitet, purzeln überzählige Pfunde. Prinzipiell stimmt das, allerdings ist die Angelegenheit deutlich komplizierter.
Wichtig ist nämlich, was genau im Pferdemagen landet und vor allem wie oft. Denn einfach die Futtermenge stark zu reduzieren, kann fürs Pferd schlimme Folgen haben und sogar dafür sorgen, dass es übergewichtig bleibt. Eine sinnvolle Diät fürs Pferd ist eine komplexe Sache, und es lohnt sich, diese einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Diät-Tipps: Übergewicht bei Pferden
Übergewicht ist bei unseren Pferden ein dickes Problem. Meist steckt unangepasste Fütterung dahinter: Gerade im Freizeitbereich werden viele Pferde nur moderat bewegt, aber gleichzeitig so reichhaltig ernährt wie Rennbahncracks oder Vielseitigkeitsprofis. Die überschüssige Energie im Futter findet sich schließlich in Form von Fettpolstern am Pferdekörper wieder, vor allem an Mähnenkamm, Schweifansatz und Kruppe, aber auch am Widerrist, hinter den Schultern und an der seitlichen Brustwand. „Oftmals erkennen und bemängeln Reiter schnell, dass ein Pferd zu dünn ist, sehen aber leider nicht, wenn ein Vierbeiner deutlich zu viel auf den Rippen hat“, beobachtet Dr. Anne Mößeler, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik (www.praxis-moesseler.de).
Mit Bewertungsschemata wie dem Body Condition Score (BCS), der auch in der tierärztlichen Praxis verwendet wird, lässt sich der Ernährungszustand eines Pferds jedoch ziemlich genau bestimmen. Spätestens ab BCS 7 (dick) mit sichtbaren Fettdepots an Hals, Widerrist und hinter der Schulter sowie weichem Fett über den Rippen ist Abspecken angesagt. Denn mit Übergewicht ist nicht zu spaßen. Hier finden Sie einen Überblick über das Scoring.
Das kann Übergewicht bei Pferden anrichten
Überflüssige Pfunde begünstigen Gelenk- und Hufprobleme. Die Zellen im Fettgewebe produzieren zudem Hormone und andere Substanzen, die eine entzündungsfördernde Wirkung haben und den Stoffwechsel, das Immun- sowie das Herzkreislaufsystem aus dem Gleichgewicht bringen. „Dadurch kommt es unter anderem zu entzündlichen Prozessen, einem veränderten Glucocorticoid-Stoffwechsel und oxidativen Zellschäden.
Auch der Insulinstoffwechsel ist teils stark beeinträchtigt, was letztlich zu einer Insulinresistenz führen kann“, erklärt Dr. Gabriele Alber von der Firma navalis® nutraceuticals. Die Insulinresistenz ist wiederum einer der Hauptrisikofaktoren, dass Pferde am Equinen Metabolischen Syndrom (EMS) erkranken oder einen Hufreheschub erleiden.
„Übergewicht reduziert die Leistungsfähigkeit der Pferde, beeinträchtigt ihre Lebensqualität und senkt ihre Lebenserwartung“, fasst Dr. Gabriele Alber die ernüchternden Tatsachen zusammen. Doch was gehört nun bei Diäten in den Trog – und was nicht?
Energiebomben aus dem Futterplan streichen
„Leichtverdauliche Kohlenhydrate wie Zucker und Stärke liefern beispielsweise sehr viel Energie“, erklärt M.Sc. Sophia Riegger, Pferdewissenschaftlerin und Futterberaterin bei der Firma Marstall. Recht große Mengen dieser Kohlenhydrate stecken im Hafer und anderem, hochaufgeschlossenem Getreide. „Und auch übers Heu nehmen Pferde Zucker auf, besonders, wenn es zur Blüte geerntet wird“, sagt Riegger.
Moderne Diätfutter mit wenig Stärke und Zucker sollen hingegen riskante Pfunde purzeln lassen, den Stoffwechsel entlasten und Rehe vorbeugen. Low Carb – dieser Trend aus menschlichen Diät-Konzepten greift inzwischen auch im Trog. Der erste Schritt ist recht einfach: Getreidehaltiges und melassiertes Kraftfutter sollten moppelige Pferde am besten gar nicht bekommen. Stattdessen empfiehlt sich ein kleine Menge stärke- und zuckerreduziertes, faserreiches Zusatzfutter, beispielsweise auf Heu- oder Luzernebasis.
Auch Protein ist in der Fütterung von zu dicken Pferden wichtig, um die optimale Versorgung der Muskulatur sicherzustellen. „Dabei empfiehlt sich die Gabe von Aminosäuren in Reinform oder separaten Proteinpräparaten“, so Futterexpertin Sophia Riegger. Wichtig ist außerdem die Versorgung mit Vitaminen, etwa den fettlöslichen Vitaminen A und E (letztere wirken als Antioxidantien und schützen die Zellen vor freien Radikalen), Mineralstoffen sowie Spurenelementen. Fakt ist: Ohne Nährstoffe kommt kein Moppelchen aus. Im Zweifel sollten Sie einen Experten hinzuziehen, der die Versorgung des Pferds unter die Lupe nimmt (siehe auch Diät-Tipps in unserer Topliste). Denn mit Fasten auf eigene Faust können Pferdebesitzer ihrem Vierbeiner massiv schaden.
Die schlimmsten Diät-Sünden lauern beim Heu

Reflexartig dampfen viele Pferdebesitzer die Heuportion ihres Dickerchens ein – und zwar Pi mal Daumen. Schrumpft der Heuhaufen im Stall, wird auch schon die Wampe schrumpfen. Von wegen! Fütterungsexperten streiten schon bei der Frage, ob die Heumenge für Pferde auf Diät überhaupt reduziert werden sollte. Wer fürs Reduzieren plädiert, rechnet in jedem Fall genau: Die Tiere sollten etwa 70 Prozent des Erhaltungsbedarfs bekommen, der mindestens 1,5 Kilogramm Heu pro 100 Kilo Lebendgewicht entspricht.
Als Raufutter kann energiearmes Stroh ergänzt werden, maximal aber 1 kg/100 kg Körpergewicht (Gefahr von Verstopfungskolik). So soll das Pferd Fettreserven zur Energiegewinnung nutzen und abspecken. Doch hier scheiden sich die Geister der Fachleute.
Die Heumenge zu begrenzen, halten manche Experten grundsätzlich für kontraproduktiv – und brandgefährlich. „Die Pferde verlieren zwar an Gewicht, vor allem schrumpft aber zunächst die Muskelmasse, weil der Organismus unterversorgt ist“, erklärt Dr. Juliet Getty, Ernährungsberaterin für Pferde aus Texas (www.gettyequinenutrion.com). Zudem werde der Stoffwechsel stark beeinträchtigt. Hier spielt die Psyche eine große Rolle – weil sie körperliche Mechanismen massiv steuert.
Heumangel bedeutet für Pferde puren Stress – und fördert Fettdepots
„Pferde leben im Augenblick. Wenn sie kein Futter zur Verfügung haben, wissen sie nicht, wann es das nächste Mal etwas zu Fressen gibt, in zehn Minuten oder in zehn Stunden. Alles, was sie wissen ist, dass sie im Augenblick hungrig sind“, beschreibt Dr. Getty.
Dieser Stress bewirkt, dass die Pferde Fett speichern. „Denn wenn Pferde nur limitierten Zugang zu Futter haben, erhält der Körper automatisch das Signal, Fettreserven anzulegen, anstatt Fett zu verbrennen“, sagt Dr. Getty. „Das ist ein überlebenswichtiger Mechanismus des Pferdekörpers.“ Das erhöhte Stresslevel setzt eine Hormon-Kaskade in Gang: Das Pferd schüttet vermehrt Cortisol und Adrenalin aus; das stimuliert gleichzeitig eine erhöhte Ausschüttung von Insulin, was die Fettverbrennung verhindert. Abspecken? Fehlanzeige.
Übermäßige Fettpolster kurbeln den Appetit leider erst recht an. Normalerweise reguliert ein Hormon namens Leptin den Appetit. Leptin wird vom Fettgewebe ausgeschüttet und sagt dem Gehirn, genauer gesagt dem Sättigungszentrum im Hypothalamus, dass die Energiereserven des Tiers gut gefüllt sind. Ein Übermaß an Fettgewebe scheint jedoch diese feine Regulation zu stören: Vermutlich produziert das Fettgewebe Botenstoffe, die eine chronische Entzündung bewirken. Von anderen Spezies ist bekannt, dass verfettete Vertreter an einer Leptin-Resistenz leiden. Beim Pferd greift wohl ein ähnlicher Mechanismus. Der Vierbeiner hat also unvermindert Appetit – und nimmt mehr und mehr an Gewicht zu.
Lange Fresspausen vermeiden

Lange Fresspausen sind allerdings keine Lösung, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Sie ziehen im Gegenteil noch mehr Probleme nach sich: Ein leerer Magen tut Pferden weh und macht sie krank. Der Magen des Pferds produziert unablässig Säure – und ist zudem nicht komplett mit schützender Schleimhaut ausgekleidet, sondern nur im unteren Teil. Während einer Fresspause, etwa über Nacht, greift die Magensäure also insbesondere den oberen Teil des Magens an. „Hier treten am häufigsten Magengeschwüre auf“, sagt Getty.
Heu ist die beste Schonkost für den Magen, und die brauchen auch Pferde auf Diät. Das Raufutter füllt den Magen und regt durch kontinuierliches Kauen die Speichelproduktion an – was die Verdauung optimiert und den empfindlichen Pferdemagen schont. „Häufig hört und sieht man morgens zur Fütterung einen ganzen Stall voller aufgeregter Pferde, die starke Unruhe zeigen und sogar gegen die Boxenwände schlagen“, so Dr. Getty. „Diese Pferde sind meist nicht nur deshalb gestresst, weil ihnen nachts das Heu ausgegangen ist und sie hungrig sind – oft haben sie tatsächlich Magenschmerzen.“
Zu langen Fresspausen sind für Pferde ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Ihr gesamter Verdauungstrakt ist aufs Grasen und damit eine kontinuierliche Futteraufnahme ausgelegt. Wird der Darm nicht ausreichend stimuliert, kann die Motorik ins Stocken geraten – Kolik droht. „Zudem muss der Enddarm ständig gefüllt sein, damit er entleert werden kann, da Anfang und Ende jeweils erhöht im Pferdekörper liegen“, so Getty. Nahrung an tieferliegenden Stellen könne ebenfalls für Koliken sorgen. Für gesundes Abnehmen hat die Fütterungsexpertin eine klare Regel:
Auf energiearmes Heu setzen
Energiearmes Heu sollte Pferden rund um die Uhr zur Verfügung stehen – am besten in engmaschigen Heunetzen oder anderen Futterautomaten, die es dem Pferd erlauben, kontinuierlich Heu zu zupfen. Das kommt den natürlichen Instinkten des Pferds am nächsten.
„In den ersten Tagen werden die Pferde sich höchstwahrscheinlich ein bisschen überfressen und zunehmen“, meint Dr. Getty. Doch die Tiere würden bald merken, dass das Heu immer da ist, auch wenn sie vom Training zurückkommen, ein Schläfchen halten oder im Auslauf herumwandern. „Das Thema Fressen wird dann kein großes Problem mehr sein, die Pferde werden entspannter fressen und irgendwann – das ist der magische Moment – von sich aus Fresspausen einlegen.“ Insgesamt, so die Expertin, würden die Pferde über lange Sicht sogar weniger Heu zu sich nehmen – ohne stressiges Hungern.
Mit einer durchdachten Diät tun Sie Ihrem Pferd in vielerlei Hinsicht etwas Gutes. Auf der nächsten Seite haben wir die wichtigsten Tipps zusammengestellt. Also, ran an den Speck!
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