Halswirbelarthrose
Völlig verknöchert

Leiden Pferde unter verknöcherter Halswirbelsäule, kann das für den Reiter sehr gefährlich sein. Der Wallach Pitufo musste deswegen in Rente.

CAV Halswirbelsäule
Foto: CAVALLO-Montage

Pitufo knickt im Frühjahr 2007 beim Ausritt mit beiden Vorderbeinen ein und stürzt. Sein Reiter hat Glück. Er kommt neben dem Pferd zum Stehen. Nachdem Pitufo zuvor immer wieder gestolpert war, lässt Besitzerin Sabine Karle ihn durchchecken.

Die Diagnose ist ernüchternd: Die Halswirbelsäule des Wallachs zeigt Verknöcherungen am fünften, sechsten und siebten Wirbelgelenk.

Diese Arthrosen führen zu Nervenquetschungen, in der Folge können die Vorderbeine blockieren und wegknicken. „Für den Reiter kann das lebensgefährlich werden“, sagt Sabine Karle. Pitufos Karriere als Reitpferd war mit neun Jahren zu Ende.

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„Veränderungen an der Halswirbelsäule werden häufiger diagnostiziert“, sagt Dr. Anton Fürst von der Pferdeklinik der Schweizer Universität in Zürich. Das liegt laut Fürst aber nicht daran, dass Pferde öfter von diesem Leiden geplagt werden.

„Die Diagnostik ist einfach viel besser geworden – und natürlich die Interpretation“, begründet er. Doch bis erst der richtige Befund feststeht, durchleben viele Pferdebesitzer eine Odyssee.

So wie Sabine Karle, die Pitufo im Mai 2003 bei einem Reiturlaub kennengelernt hatte und ihn vier Wochen später fünfjährig kaufte. Der Wallach bestand seine Ankaufsuntersuchung in Spanien und reiste nach Deutschland ins schwäbische Mühlacker.

Sturzgefahr durch gequetschte Nerven

CAV Halswirbelsäule
privat
Röntgenbilder geben nicht immer Aufschluss, wie schlimm das Stadium ist.

Ein Pferdezahnarzt kontrollierte die Zähne, und die Besitzerin probierte mehrere Sättel und Gebisse aus. Als Pitufo im Frühjahr 2007 zum ersten Mal unter dem Reiter stürzte, rief Karle nochmals den Tierarzt. „Ich sollte ihn mehr beschäftigen, damit er beim Reiten aufmerksamer wird“, lautete die Anweisung, nachdem die Lahmheitsuntersuchung ergebnislos verlaufen war.

Als Pitufo sich kurz danach bei einem Sturz beide Vorderfußwurzelgelenke und den Kopf aufschlug, holte Sabine Karle einen Osteopathen. Der empfahl, die Halswirbelsäule zu röntgen.

Die Röntgenbilder zeigten eine Arthrose, die zunächst nicht so schlimm aussah. Eine Szintigrafie schaffte Klarheit. Pitufo hatte eine Verknöcherung in der Halswirbelsäule. Die Klinik geht davon aus, dass sich der Wallach im Fohlenalter bei einem Sturz eine Verletzung oder sogar einen Bruch zugezogen hatte.

Vorsicht: Halsbiegeschmerzen

Halswirbel sind sehr tief in Muskeln eingepackt und gut geschützt. Brechen sie doch, überleben es die meisten Pferde. „In Gelenksnähe entwickeln sich dann Arthrosen. Falls die Frakturen aber nur an den Muskelansätzen sind, muss das nicht zwangsweise zur Unreitbarkeit führen“, erläutert Fürst.

Der weitaus größere Teil der Pferde mit Veränderungen an den Halswirbeln lebt völlig schmerzfrei. Der kleinere Teil leidet je nach Schweregrad der Verknöcherungen unter Ataxien, Lahmheiten und Halsbiegeschmerzen.

„Der Gesamtbefund ist entscheidend“, sagt Fürst. „Deswegen ist man davon abgekommen, das Röntgen der Halswirbelsäule bei einer normalen Ankaufsuntersuchung zu empfehlen.“ Wer sicher sein möchte, kann das Pferd natürlich röntgen lassen – oder besser noch eine Szintigrafie in Auftrag geben. Die ist aber mit 800 Euro sehr teuer.

Warum so viele Pferde an Halswirbelsäule-Arthrosen leiden, ist nicht hundertprozentig geklärt. „Ich vermute, dass in der Zucht zu wenig selektiert wurde“, sagt Anton Fürst. „Pferde mit Veränderungen an den Beinen werden aus der Zucht genommen. Der Halswirbelsäule schenkte man früher keine große Beachtung.“

Ob die vielen Fälle auf Ausbildungsmethoden wie die Rollkur zurückzuführen sind? Das ließ sich bisher nicht bestätigen. „Es gab Untersuchungen mit Pferden, die in Rollkur gearbeitet werden. Wir stellten keine vermehrte Arthrose fest“, sagt Fürst. „Das spricht natürlich nicht dafür, dass Rollkur unschädlich ist – im Gegenteil. Rollkur bedeutet psychischen Stress und belastet Muskeln sowie Bänder enorm.“

Das Beispiel Pitufo zeigt, dass Pferde im Fall der Unreitbarkeit glücklich weiterleben können. Da der Wallach ohne Reiter schmerzfrei ist, suchte seine Besitzerin nach einem artgerechten Platz, wo er alt werden kann. Sie fand ihn in Frankreich. Dort lebt Pitufo seit Ende 2007 in der Nähe der Schweizer Grenze auf einem Hof mit über 300 Hektar. Und galoppiert täglich über die Koppel.

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