Was die Form von Bauch und Rumpf beeinflusst
1. Fettgewebe: Pferde haben Fett buchstäblich auf den Rippen und nicht am Bauch. Weitere Fettpolster können im Rumpfbereich hinter der Schulter sitzen.
2. Muskeln: Trainierte Bauchmuskeln wirken einem "Hängebauch" entgegen.
3. Darmfüllung: Ein voller Magen-Darm-Trakt macht den Bauch im Bereich hinter den festen Rippen rund.
Was die Bauchform verrät
Die Bauchlnie steigt nach hinten an und der Bauch wirkt wie eingezogen? Das kann ein Hinweis auf Schmerzen sein, besonders, wenn dabei die seitlichen Bauchmuskeln stark hervortreten. Diesen sogenannten aufgezogenen Bauch sieht man zum Beispiel bei Koliken. Manche Pferdetypen haben auch exterieur- und interieurbedingt eine stärker ansteigende Bauchlinie.

Zwischen Bauchmuskel und Rippenbogen zeigt sich eine längliche Vertiefung?
Die sogenannte Dampfrinne ist hauptsächlich bei Pferden zu sehen, die an einer chronischen Erkrankung der Lunge leiden und ihre Bauchmuskeln sichtbar zum Atmen einsetzen. "Die Dampfrinne ist ein klarer Hinweis auf einen verspannten äußeren schrägen Bauchmuskel", erklärt Pferdeosteopath Ralf Döringshoff. "Muskelverspannungen im Bauchbereich sind oft durch Lungenprobleme oder Bauchschmerzen verursacht" so der Experte.
Kugelfisch auf vier Hufen?
Das muss nicht heißen, dass das Pferd fett ist. "Es kann aufgegast sein oder einfach einen gut gefüllten Bauch haben", erklärt die Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik, Dr. Anne Mößeler. Das Volumen des Futters führt zu einer starken Füllung des Dickdarms, der wiederum drückt gegen die Bauchdecke. Das Pferd wirkt rund. Die angefutterte Rundung kann durch voluminöses Futter (z.B. Weidegras mit seinem hohen Wasseranteil, Heu oder Stroh) entstehen. Bekommen Pferde viel Stroh oder ist das Gras auf der Weide im Herbst stängelig und energiearm, kann das Pferd zwar kugelig, aber trotzdem normalgewichtig oder sogar zu dünn sein: "Diese Pferde sind dann zwar ,hinter den Rippen‘ rund, auf den Rippen haben sie aber nur eine dünne Fettschicht. Sie sind leicht zu ertasten oder bei sehr dünnen Pferden sogar sichtbar." Statt weniger Futter braucht das Pferd dann energiereichere Nahrung.
Am Unterbauch bildet sich eine seltsam teigige Stelle?
Hier ist es ratsam, genauer hinzuschauen. Gestaute Lymphflüssigkeit kann beispielsweise als Langzeitfolge von Trageschwäche vorkommen. "Dann sind davon betroffene Pferde absolut therapiebedürftig und können über Training alleine nicht wieder raus aus der Trageschwäche", so Pferdegesundheitstrainerin Karin Kattwinkel. Auch bei (älteren) Pferden mit Herzproblemen kann ein solches Unterbauchödem entstehen. Diese Tiere haben oft zugleich dicke Beine. Entdecken Sie ein Ödem, sollten Sie das Pferd immer auf ernsthafte Krankheiten untersuchen lassen, warnt Tierärztin Dr. Anne Mößeler. Auch ein stumpfes Trauma (z.B. Tritt) kann hinter einem Ödem stecken – mitunter wandert es dann Stück für Stück nach unten an den Bauch.
Die Bauchlinie ist lang, der Bauch hängt nach unten durch?
Häufig sieht man diese Bauchform bei Zuchtstuten, weil ihr Bindegewebe durch viele Trächtigkeiten stark gedehnt wurde. Außerdem tendieren manche Pferdetypen, die von Natur aus weiches Bindegewebe und einen niedrigen Muskeltonus haben, zum Hängebauch.
Gut trainierte Bauchmuskeln wirken dem entgegen. Auch mit Trageschwäche kann eine gebogene Bauchlinie zusammenhängen – davon spricht man, wenn das Pferd den Reiter und oft noch nicht einmal mehr sein eigenes Rumpfgewicht aufgrund seines körperlichen Zustands gesund tragen kann. "Bei einer Trageschwäche kommen zwar immer mehrere Symptome zusammen, nie der Bauch alleine", erklärt Karin Kattwinkel. "Aber bei trageschwachen Pferden ist die Bauchlinie in der Regel deutlich hängend mit wenig Spannung in der Bauchmuskulatur."
Black Box Bauch: Zum Platzen voll?
Nicht nur weil es schmeckt, hauen Perde hemmungslos rein. In ihren Mägen fehlen Dehnungsrezeptoren, die Alarm schlagen, wenn kein Platz mehr ist. Pferde sind erst satt, wenn sie Kaumuskeln vom fressen ermüden.
"Manche ärgern sich ein Loch in den Bauch"
Dr. Ina Gösmeier ist Tierärztin und arbeitet nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Nach deren Lehre haben Erkrankungen stets mit Psyche und Körper zu tun – sowohl in der Entstehung als auch in Verlauf und Heilung. Welchen Pferdetypen Stress besonders auf den Magen schlägt, erklärt sie im Interview.

CAVALLO: Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin kann man Pferde in fünf Typen einteilen, die bestimmte körperliche Merkmale und Wesenseigenschaften mitbringen. Erkennt man diese Typen mit einem Blick auf den Bauch?
Dr. Ina Gösmeier: Nein, da müssen schon immer mehrere Merkmale zusammenkommen. Dennoch kann man sagen, dass der ausgeglichene und ruhige Milz-Pi-Typ oft eine Tendenz zum Hängebauch hat – er frisst nicht nur für sein Leben gern, sondern hat auch ein weiches Bindegewebe und schwache Muskulatur, das trägt dazu bei. Der Nieren-Shen-Typ dagegen ist ein sensibles, eher ängstliches Pferd. Auch er hat oft eine schwache Muskulatur, aber der Bauch hängt nicht, sondern ist eher mal aufgezogen. Der dominante Leber-Gan-Typ tendiert zu einem festen Bauch mit gut ausgebildeter Muskulatur.
Welche psychischen Stressfaktoren schlagen den unterschiedlichen Typen auf den Magen? Der Nieren-Typ hat häufig ein wenig ausgeprägtes Selbstbewusstsein und damit viele Angst- und Stressthemen. Er ist eher rangniedrig und hat manchmal auch in der Herde Stress. Das kann ihn anfälliger für Magengeschwüre machen. Der Lebertyp dagegen kann sich regelrecht ein Loch in den Bauch ärgern, wenn man sich immer wieder mit ihm anlegt oder ihn zum Beispiel zu hart oder ungerecht straft.
Bei ausgeglichenen Pferden wie dem Milz-Typ sollte dann aber alles im grünen Bereich liegen, oder? Auch da gibt es Stresspotential. Der Milz-Typ ist nämlich ein Diesel, der im Training erstmal anlaufen muss, bis er fleißig wird. Fordert man direkt zu viel Tempo und Energie, kann ihn das überfordern und auf den Magen schlagen. Oft fallen Magengeschwüre bei diesem Typ lange nicht auf, da er trotzdem noch vergleichsweise gut frisst.
Fütterungstipps für eine gute Magen- und Darmgesundheit beim Pferd

1. Mit leerem Magen einen Sprint einlegen? Keine gute Idee, denn im Galopp wird der Bauch abwechselnd gestreckt und wieder zusammengezogen. "Freie Magensäure, die nicht durch Futterpartikel gebunden ist, kann in Bereiche des Pferdemagens gelangen, die besonders empfindlich gegenüber Magensäure sind", erklärt Tierärztin Dr. Anne Mößeler. Achten Sie daher darauf, dass das Pferd besonders auch vor sportlichen Anforderungen Heu zur Verfügung hat. Fresspausen vom Raufutter sollten generell nicht länger als vier Stunden dauern.
2. Kraftfutter vor dem Training ist dagegen keine gute Idee. Hier braucht das Pferd erstmal eine Verdauungspause. Idealerweise sollte das Pferd zwei Stunden nach dem Fressen nicht trainiert werden, rät Mößeler.
3. Wasser verdünnt die Magensäure, beugt so Magengeschwüren vor und neutralisiert Entzündungen. Selbsttränken erfordern vom Pferd ein aktives Drücken des Tränkeventils, dadurch hören viele Pferde frühzeitig auf zu trinken. Deshalb rät Tierärztin Dr. Ina Gösmeier, magenempfindlichen Pferden zusätzlich Wasser aus Eimern anzubieten.
4. Pferde sind von Natur aus mäkelig und fressen normalerweise nur sauberes Futter. Auf Schmutz reagiert ihr Magen empfindlich. "Werfen Sie das Heu daher nicht in den Eingangsbereich der Box, wo Pferd und Mensch drauftretenund womöglich noch der Stallgassen-Staub draufgekehrt wird", rät Gösmeier.
Black Box Bauch: Studien zufolge haben etwa 40 bis 70 Prozent der Freizeit- und Sportpferde Magenläsionen, also Schäden der Schleimhaut. Bei Rennpferden liegt die Quote mit etwa 90 Prozent am höchsten. Die Zahlen zeigen, wie anfällig der Pferdemagen tatsächlich ist.
So kann der Pferdebauch beim Reiten aufatmen
Ausbilderin Christine Hlauschecks Steckenpferd: Pferde nach biomechanischen Gesichtspunkten korrekt ausbilden. Dabei sieht sie den gesamten Körper im Zusammenhang. Warum der Pferdebauch mitunter verspannt und wie das Pferd aufatmen kann, erklärt sie hier.
"Am Pferdebauch können Sie die Atmung mit Ihren Waden fühlen. Achten Sie einmal bewusst darauf", rät Christine Hlauscheck. Besonders im Stand ist das Auf und Ab des Bauchs gut zu spüren. Wenn nicht, ist das kein gutes Zeichen. "Manche Pferde bocken oder steigen bei Schmerzen nicht, sondern fressen sie in sich hinein. Dann ist unter anderem die Zwischenrippenmuskulatur oft so gespannt, dass das Pferd nicht mehr richtig tief einatmen kann." Pferde mit Magenschmerzen atmen zum Beispiel oft flach und kurz. Aber auch der Reiter kann unbewusst die Atmung des Pferds behindern. "Der Reiter befindet sich genau über der Lunge. Man glaubt gar nicht, was man darauf für einen Druck mit den Knien ausüben kann, wenn man klemmt", erklärt Christine Hlauscheck.

Achtung, gleich boxen wir Sie in den Bauch! Huch – haben Sie unwillkürlich Ihre Bauchmuskeln angespannt? Das tun nicht nur wir Menschen, um uns zu schützen. Auch Pferde halten ihre Bauchmuskeln fest, wenn ein klopfender Schenkel sie in diese empfindliche Gegend knufft. "Unsanftes Dauertreiben führt zu Dauerverspannung", erklärt Christine Hlauscheck – genauso übrigens wie grober Sporeneinsatz. Dabei entsteht oft ein Teufelskreis: Das Pferd verspannt sich, verliert seinen flüssigen Bewegungsablauf und wird noch langsamer, der Reiter treibt noch mehr.
"Stellen Sie nur dann eine Frage mit dem Schenkel, wenn Sie wirklich eine haben. Antwortet das Pferd, hören Sie direkt auf nachzufragen", so Christine Hlauscheck. Ansonsten sollten sich Ihre Schenkel nur sanft an den Pferdebauch anschmiegen (Wie Sie sanft "mit dem Bauch" treiben, lesen Sie unter "Bauchpendel harmonisieren"). Überprüfen Sie außerdem, ob Sie die Bewegung des Pferds mit der Hand genügend nach vorne hinauslassen und es nicht abbremsen.
Sitzt der Reiter im Stuhlsitz, bringt er viel Gewicht in den hinteren Teil des Pferderückens. Auch hier spannt sich das Pferd an, um sich zu schützen. "Das betrifft den Rücken, aber auch den Bauch", so Hlauscheck. Gerade auf sehr rumpfigen Pferden verstärkt sich die Tendenz zum Stuhlsitz oft. Schließlich kann nicht jeder Reiter Spagat! Öffnet sich die Hüfte nicht weit genug, rutschen die Knie nach vorne und das Gesäß nach hinten (siehe auch "Sattel, Gurt und Bauch"). Gymnastikübungen können helfen, die Hüftbeuger elastisch zu halten.
Sattel, Gurt und Bauch
Sattlermeister Christoph Rieser hat immer mehr vierbeinige Kunden, die eine ruhige Kugel schieben: "Manche stehen den ganzen Tag auf der Weide und haben dann natürlich einen Bauch." Zieht die Schwerkraft den dicken Bauch naturgemäß nach unten, bewegt sich der Rücken schnell in Richtung "Hängebrücke".
Drückt das Pferd beim Reiten den Rücken weg und den Kopf hoch, verstärkt sich der Effekt. Senkt es dagegen den Kopf und nimmt eine Tragehaltung ein, kommt der Rücken zwar hoch. Wunder dürfe man aber nicht erwarten, so Rieser: "Der Sattel tendiert bei Pferden mit Bauch trotzdem oft zur Hohllage." Dabei schwebt er quasi über dem nach unten gebogenen Teil des Rückens und liegt nur vorne und hinten auf. "Dadurch werden der Lendenwirbelbereich und die Schultern überlastet", so Rieser. Fütterung, Haltungsbedingungen und Training sollten also angepasst werden.
Runder Bauch? Diese fünf Dinge sollten Sie beim Satteln und Gurten beachten:
1. Ist der Bauch rund, rutscht der Gurt an die schmalste Stelle, also hinter die Vorderbeine in Richtung Ellenbogen (siehe Foto). Ein Mondgurt bringt nach Riesers Erfahrung eher wenig. Achten Sie lieber auf einen Gurt, der lang genug ist, so dass die Schnallen nicht im Ellenbogenbereich stören.
2. Der Gurt sollte dünn und weich sein. Gepolsterte Lammfellgurte sind zwar gut, aber meist auch sehr dick. Da der Gurt bei runden Pferden oft hinter den Ellenbogen rutscht, kann ein dickes Lammfellmodell bei ihnen die Bewegungsfreiheit einschränken.

3. Nicht zu stramm gurten, auch wenn der Sattel beim Aufsitzen entgegenrutscht. Lieber immer eine Aufstieghilfe nutzen.
4. Ein Vorderzeug verhindert, dass der Sattel z. B. beim Führen unters Pferd rutscht. "Das ist aus Sicherheitsgründen sehr zu empfehlen, denn viele Pferde werden dabei panisch", so Rieser.
5. Kugelbauch-Kandidaten sind oft auch am Rücken breit. Achten Sie darauf, dass der Sattel nicht so schmal tailliert ist, dass er kaum mehr Wirbelsäulenfreiheit bietet. "Man muss akzeptieren, dass man nicht so schmal sitzen kann und die Knie etwas mehr hochziehen muss", erklärt Rieser. "Anders geht es auf dicken oder stämmigen Pferden einfach nicht."
Black Box Bauch: Innere Organe wie Magen oder Darm sind über Nervenverbindungen mit den darüberliegenden Hautarealen verknüpft. Deshalb reagieren Pferde bei Problemen mit den Verdauungsorganen oft schon auf leichte Berührungen empfindlich, aber auch auf das Reiterbein oder den Sattelgurt.
Diese Bauchmuskeln hat ein Pferd
Insgesamt gibt es vier Bauchmuskeln, die als System wirken. Ihre hauptsächliche Funktion ist, die Eingeweide zu tragen. Doch die Bauchmuskeln sind auch an der Bewegung beteiligt, da sie die Hinterbeine nach vorne holen. Der gerade Bauchmuskel läuft vom Brustbein zum Becken. Der äußere schräge Bauchmuskel führt von den Tragerippen am Ellenbogen bis zum Schambeinkamm. Darunter liegt zum einen der innere schräge Bauchmuskel, der den Hüfthöcker mit den letzten Rippenknorpeln verbindet, zum anderen der querverlaufende Bauchmuskel, der von den Querfortsätzen der Lendenwirbel zur Bauchnaht führt. Wichtig ist beim Reiten vor allem der äußere schräge Bauchmuskel, den der Reiter mit dem Schenkel erreicht.
Wussten Sie, dass auch Pferde ein Pendant zum menschlichen Sixpack entwickeln können? Während Menschen im Fitnessstudio damit angeben können, sieht man den Sixpack des Pferds allerdings nur von innen. Der gerade Bauchmuskel des Pferds hat nämlich querliegende weiße Intersektionen, sogenannte Faszien- bzw. Sehnenspiegel. Sie geben dem Bauchmuskel eine Haltefunktion und unterstützen das Rückenband, ohne dass der lange Bauchmuskel sich anspannen muss. Umso ausgeprägter und trainierter die Sehnenspiegel sind, umso besser funktioniert das. Das Tolle daran: "Die Faszienspiegel bleiben einmal auftrainiert zwei bis drei Jahre fest, während Muskeln sich schon nach etwa zehn Wochen bei zu wenig Training abbauen", erklärt Barbara Welter-Böller.
Was Bauchmuskeln mit dem Pferdekörper machen
Zu Beginn seiner Karriere als Reitpferd fehlen dem Jungspund noch ausgeprägte Bauchmuskeln. Trotzdem kann er einen Reiter tragen.
Grund ist das ventrale Längsband, es spannt sich unter der Wirbelsäule von einem Dornfortsatz zum anderen und ist sozusagen ihr doppelter Boden. Das Band besteht aus Fasziengewebe und wird im Bewegungsablauf abwechselnd gedehnt, wenn der Rücken beim Abfußen hochkommt, und hängt durch, wenn der Rücken beim Auftreten absinkt.

Entwickelt das Pferd mit der Zeit mehr Bauchmuskeln, unterstützen diese das ventrale Längsband beim Tragen. Der gerade Bauchmuskel und die seitlichen, schrägen Bauchmuskeln arbeiten dabei zusammen. Das verändert die gesamte Bewegung des Pferds: Der gerade Bauchmuskel zieht das Schambein nach vorne, das Becken wird dadurch etwas gekippt. Das Pferd tritt mehr unter, beugt die Hanken und entwickelt mehr Schubkraft und Tragkraft.
Bauchpendel harmonisieren
Ausbilder und Pferdeosteopath Ralf Döringshoff rät, das Pferd im Schritt von hinten zu betrachten, um die Bewegung des Bauchpendels einschätzen zu können. Die Bauchbewegung kann man auch im Sattel wahrnehmen, wie Karin Kattwinkel erklärt: "Lässt der Reiter seine Beine locker hängen, kann er spüren, ob der Bauch des Pferds gleichmäßig weit nach links und rechts ausschlägt." Der Bauch pendelt natürlicherweise etwas mehr nach rechts. "Ein deutlich asymmetrisches Bauchpendel wird aber den ganzen Pferdekörper schief machen", erklärt Ralf Döringshoff.
Gerade bei fülligen und wenig trainierten Pferden ist die Pendelbewegung des Bauchs zudem häufig sehr ausgeprägt, beobachtet Osteopathin Barbara Welter-Böller. "Dadurch wirken große Torsionskräfte auf die Hufgelenke und auch der Reiter schaukelt mit. Das kann Rücken und Beine des Pferds strapazieren." Der Reiter sollte daher versuchen, das Bauchpendel zu harmonisieren. "Das gelingt am besten und direktesten durch die Schenkelhilfen", erklärt Döringshoff. Das Reiterbein kann ein zu weites Ausschlagen des Bauchpendels zu einer Seite verhindern (verwahrender Schenkel). Der Reiter begleitet dabei das Bauchpendel aus lockerem Hüftgelenk und federndem Fußgelenk, die Zehen dürfen leicht nach außen schauen. "Dadurch schmiegt sich die Wade sanft an den heranpendelnden Bauch an und "rollt" diesen leicht zur anderen Seite, bevor er zu weit ausschlägt", so Karin Kattwinkel.
Voraussetzungen
Ein korrekter Sitz, die korrekte Schenkellage und ein Schenkeleinsatz unabhängig vom Rest des Körpers sind sehr wichtig für den Einsatz der Unterschenkel als Hilfe. Dafür muss die Steigbügellänge eine Winkelung im Reiterbein zulassen. Der Fußballen sollte bei korrekter Bügellänge auf einer senkrechten Linie mit dem Reiterknie liegen. Auch für die Schenkelhilfen gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Wenn Sie das Bauchpendel harmonisieren möchten, sollte der Bauch schmerzunempfindlich sein. Bauchschmerzen durch Fehlgärungen oder Magengeschwüre behindern die gewünschte Reaktion auf die Schenkelimpulse.
Im Schritt pendelt der Bauch des Pferds von links nach rechts. Wo das Hinterbein vorfußt, senkt sich der Rumpf und der Bauch schwingt zur anderen Seite. Nach rechts schlägt das Pendel meist weiter aus – wegen des Blinddarms! Denn der liegt beim Pferd komplett auf der rechten Seite und fasst 30 bis 90 Liter. Wie stark sein Gewicht den Bauch nach rechts zieht, hängt auch davon ab, wie gefüllt der Blinddarm ist.

Training mit dem Bauch
Ralf Döringshoff hat bereits 2015 den Reitsimulator "Sikorei" für die korrekte Arbeit mit dem Pferdebauch sowie für die richtige Zügelführung entwickelt. Seine Idee der "Gerittenen Osteopathie" soll Pferde gesund erhalten. Mit Karin Kattwinkel hat er drei Übungen für gezieltes Arbeiten mit dem Pferdebauch zusammengestellt:
Übung 1: Mehr Fleiß mit geringem Aufwand
Im Schritt das Bauchpendel zunächst mit locker hängenden Schenkeln erfühlen. Dann jeweils mit der inneren Wade den heranpendelnden Bauch zur anderen Seite "beschleunigen". So ermuntern Sie das Pferd, mit dem inneren Hinterbein schneller ab- und weiter nach vorne zu fußen. Bei Pferden, die diese Art der Hilfengebung nicht kennen, zunächst den Vorwärtsimpuls mit langer, wedelnder Gerte in der Reiterhand unterstützen.
Übung 2: Schritt für Schritt Schub- und Tragkraft entwickeln
Diese Haltungsvariationen zwischen Vorwärts-Abwärts und Selbsthaltung sind für das Pferd, was für den Menschen als Situps bezeichnet wird. Effektives Bauchmuskeltraining!
1. Zunächst die Nickbewegung im Schritt erfühlen und zulassen. Dabei über die Oberkörperposition die eigene Beckenbewegung und damit die Rückenbewegung des Pferdes zulassen – das kann heißen, etwas mehr Gewicht auf die Oberschenkel zu bringen. Völlig unabhängig davon mit den Unterschenkeln das Bauchpendel begleiten.

2. In den entspannten Schrittablauf hinein die eigenen Bauchmuskeln anspannen, eigene Beckenbewegung reduzieren, an bergauf laufen denken, gleichzeitig mit den Unterschenkeln das Bauchpendel weiter unterstützen. Dann beginnt das Pferd, den Kopf leicht zu heben. So erarbeiten Sie mehr Selbsthaltung.

3. Den Oberkörper einen Hauch vornehmen und die eigene Beckenbewegung wieder voll zulassen. So entlassen Sie das Pferd aus der Selbsthaltung nach drei bis vier Schritten wieder ins Vorwärts-Abwärts.
So funktioniert der Tragkrafteffekt der Übung
Die Aufrichtung der Vorhand – also mehr Tragkraft – ist eine Folge der aktiven Hinterhand und abgesenkten Kruppe – nicht andersherum. "Tragkraft ist das Ergebnis richtigen Reitens", bringt es Karin Kattwinkel auf den Punkt. "In Gang" gesetzt wird die biomechanische Kettenreaktion durch den treibenden Impuls des Unterschenkels bei gleichzeitigem "Bremsen des Vorwärtsimpulses" durch einen zurückgenommenen Schwerpunkt (Reiterbrustbein einziehen!).
Das bewirkt u. a. eine kurzfristige Kontraktion des äußeren schrägen und des geraden Bauchmuskels und des langen schrägen Rückenmuskels, was das Aufwölben des Rückens und Abkippen des Beckens zur Folge hat. "Das Pferd richtet sich dabei im Verhältnis, also relativ, zum Absenken der Kruppe auf. Die Aufrichtung steht aber auch immer in Relation zum Exterieur, zum Ausbildungsstand und damit zur Kraftentwicklung", macht Karin Kattwinkel deutlich. "Tragkraft ist nur durch kontinuierliches Training zu erreichen. Es erfordert den allmählichen Aufbau von Kraft und Kondition."
Übung 3: Die Rumpfträger beim Schrittreiten gezielt aktivieren
Dazu für etwa zwei bis drei Pendelbewegungen des Pferdebauchs anstatt mit dem Rhythmus dagegen treiben bzw. versuchen, es durch gleichzeitiges Andrücken beider Waden für einen winzigen Moment anzuhalten. Dann wirkt die Abschubenergie aus dem Hinterbein des Pferdes nach vorwärts-aufwärts auf den Rumpf, der dadurch vorne höher kommt. Der Reiter hat dann das Gefühl, das Pferde wachse vor ihm im Bereich des Widerrists und die Halsbasis wird für einen Moment dicker.
Durch das Kippen des eigenen Beckens und mehr Aufrichtung im Oberkörper kann der Reiter die Körperhaltung des Pferds zusätzlich unterstützen. Dafür funktioniert folgendes mentales Bild: Vom Sitzbeinhöcker des Reiters führt jeweils ein Gummiband zu dem jeweiligen Sitzbeinhöcker des Pferds. Zieht er diese abwechselnd an, wird der Fußungsbogen der Hinterhand höher und die Hankenbeugung gefördert. Das Lumbosakralgelenk zwischen letztem Lendenwirbel und Kreuzbein, die problematischste Region im Pferderücken, bleibt so mobil, die Oberlinie gewölbt. Sehr anstrengend für Pferd und Mensch!
Genereller Tipp zu allen Übungen
Um das Training nicht eintönig werden zu lassen und die Muskulatur unterschiedlich zu fordern, bitte auf Abwechslung achten. Dazu viele Tempowechsel zwischen versammeltem, Mittel- und starkem Schritt reiten. Um die Durchlässigkeit und Rückentätigkeit zu fördern, ist diese Art der Schrittarbeit auch im Gelände bergauf und bergab gut geeignet. Bei allen Übungen ist der Schlüssel zum Erfolg die korrekte Einwirkung des Reiters. Drückt das Pferd dabei den Rücken weg oder verliert den Takt, dann schadet das Training mehr als es nützt. Takt, Raumgriff und Fleiß müssen bei jeder Übung erhalten bleiben.
Rücken und Bauch spielen zusammen wie ein Flitzebogen. Das Holzteil steht für den Rücken, die Sehne für den Bauch, wie Ausbilder Ralf Döringshoff erklärt. Ist die Sehne gespannt, biegt und dehnt sich das Holz nach oben. Es wirkt dadurch von der Statik her wie eine Brücke und hält mehr Belastung aus. Gedehnte, lockere Rückenmuskeln sind daher so wichtig für biomechanisch korrektes Reiten.
Die Experten

Dr. Anne Mößeler ist Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik. Sie bietet bundesweit Ernährungsberatung für Pferde an, auch für Tiere mit Erkrankungen. www.praxis-moesseler.de

Karin Kattwinkel ist Inhaberin des Lehrinstituts für ganzheitliche Pferdegesundheit "Equo Vadis" in Lohmar und Fachbuchautorin zu gesundem Reiten. www.equo-vadis.de

Ralf Döringshoff Ist Osteopath für Pferde, Pferdewirtschaftsmeister sowie FN-Trainer Leistungssport Dressur und Springen. Er lehrt harmonisches Reiten. www.gymnastizieren-statt-dressieren.de

Dr. Ina Gösmeier ist Tierärztin und arbeitet nach der Traditionellen Chinesischen Medizin. Von Bauch bis Psyche betrachtet sie Pferde dabei ganzheitlich. www.akupunktur-goesmeier.de

Christine Hlauscheck ist Pferdewirtschaftsmeisterin und Entwicklerin des Kreis-Meister-Konzepts. Das Selbstlernkonzept soll Pferde rundum fit machen. www.christine-hlauscheck.de

Christoph Rieser ist Sattlermeister und Erfinder des Mess-Systems Equiscan, mit dem Pferderücken zur Sattelanpassung genau ausgemessen werden. www.rieser-sattel.de

Barbara Welter-Böller ist Gründerin und Leiterin der Fachschule für osteopathische Pferdetherapie in Schneverdingen und internationale Dozentin für Pferdephysiotherapie und Osteopathie. www.welter-boeller.de