Es klang so traumhaft. Neuer, gepflegter Stall, nette Einsteller, kompetentes Betreiberpaar. Katrin Müller (Name von der Redaktion geändert) war mit ihrer Stute im Glück, als sie in diesem niedersächsischen Stall einzog. Es blieb nur nicht traumhaft. Die Betreiber trennten sich, und die Qualität zog gleich mit aus. Weiden wurden nicht mehr gepflegt, im Offenstalltrail drängte Bauschutt aus dem Untergrund, in der Liegehalle war der Boden so hart, dass sich die Pferde beim Aufstehen an den Sprunggelenken verletzten. Wenn sie sich noch hinlegten.
Mit ihren Nöten stößt Katrin Müller beim Betreiber auf taube Ohren. Auch ihre Miteinsteller sind unglücklich, viele wollen gehen, sagt uns Katrin Müller, können aber nicht: "Es gibt in unserer Region keinen Stall für anspruchsvolle Freizeitreiter mit permanentem Auslauf für die Pferde.” Also harren sie aus.
Mängel ansprechen? Da kann man gleich packen
Einen ähnlichen Fall schildert uns Natalie Lohse (Name von der Redaktion geändert). In ihrem Stall treten auch nach und nach eklatante Mängel auf. Die solle sie aber bloß nicht dem Betreiber gegenüber ansprechen, warnten ihre Miteinstellerinnen sie, "sonst kündigt er dich!” Nach dem Motto: Wenn’s dir nicht passt, kannst du gehen. So ein Damoklesschwert der möglichen Kündigung mache etwas mit einem, findet Natalie Lohse. "Man wird klein, duckt sich weg, spricht nichts an.” Und leidet stumm, weil man weiß, dass die Haltungsbedingungen fürs eigene Pferd nicht gut sind.
Um eins vorwegzunehmen: Es gibt tolle Pferdeställe, gar keine Frage, und es gibt wunderbare Stallbetreiber, denen das Wohl der ihnen anvertrauten Pferde sehr am Herzen liegt und die sich um eine tiergerechte Haltung bemühen. Es gibt nur leider nicht ausschließlich solche Stallchefs. Bei denen aus der anderen Kategorie sagen Einsteller oft: "Das sind Bauern, die haben keine Ahnung von Pferdehaltung” oder "da kann man einfach nichts machen”. Aber stimmt das überhaupt so?
Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass Pferde angemessen ernährt, gepflegt und untergebracht werden müssen. Eine offizielle Ergänzung hierzu vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind die "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten”. Sie gelten als gerichtlich anerkannte Richtschnur für Veterinärämter, Bauämter und Pferdehaltungen.
Wir Reiter müssen auch die erforderlichen Kenntnisse haben, wenn wir Pferde betreuen (§2 TierSchG), ebenso wie Stallbetreiber. Diese brauchen, wenn sie Pferde gewerbsmäßig halten, zudem eine Erlaubnis der zuständigen Behörde (§11 TierSchG), dem Veterinäramt. "Diese Erlaubnis bekommt man nur, wenn man seine Sachkunde in der Pferdehaltung nachweist”, sagt Dr. Friederike Hänsch, stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Pferd der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).
Ohne Sachkunde darf man keinen Stall führen
An dieser Sachkunde zweifelt man, wenn man von Fällen hört, wie sie uns Pferdefachtherapeutin Karin Kattwinkel schildert. Da enden unvorbereitete Herdenintegrationen mit schwer verletzten Pferden, die daraufhin eingeschläfert werden müssen. Oder es wird trotz Hinweisen von Einstellern schimmliges Heu gefüttert. Oder das Futter wird so abrupt umgestellt, dass mehrere Pferde koliken. Was verbirgt sich also hinter dem Sachkundenachweis?
Als sachkundig gelte jemand mit einschlägiger Ausbildung wie ein Pferdewirt, erklärt Dr. Hänsch. "Bei anderen Berufen, wie z.B. auch Landwirten, wird heute viel genauer drauf geschaut als früher, was derjenige wirklich gelernt hat. Wenn das nicht ausreicht, muss ein Sachkundelehrgang belegt werden.” Das Problem: Es gibt für solche Kurse keine festgeschriebenen Standards, dafür Kurse mit unterschiedlichen Niveaus. Ob ein solcher Kurs mit entsprechender Prüfung ausreicht, entscheidet das Veterinäramt. Oder es fühlt dem Antragsteller mit einem Fachgespräch auf den Zahn, "mit dem Anspruch, dass ein solches Gespräch inhaltlich im Ergebnis einer externen Schulung gleichkommt”, erklärt Dr. Hänsch.
Die Veterinärin ergänzt: "Eine Erlaubnis nach §11 ist an eine Tätigkeit an einem Ort mit einer oder mehreren bestimmten Personen gebunden. Ändert sich etwas an diesen Gegebenheiten, muss man eine neue Erlaubnis beantragen.” Das gilt beim Generationenwechsel im Stall, einem neuen Betreiber oder wenn nach einer Trennung derjenige mit Sachkunde den Hof verlässt.
Was hingegen nicht vorgeschrieben ist, sind regelmäßige Fortbildungen. Dabei würden jährliche, verpflichtende Schulungen für Betriebsleiter für erheblich mehr Tierwohl sorgen, ist sich Haltungsforscherin Dr. Margit Zeitler-Feicht sicher, die gemeinsam mit Dr. Miriam Baumgartner das Stall-Bewertungssystem BestTUPferd entwickelt hat (siehe Abschnitt "Haltung fundiert bewerten”). Auch verpflichtende Stall-Checks nach BestTUPferd-Kriterien würden unsere Pferdehaltung verbessern, sagt Dr. Baumgartner. Sie war während der Entwicklungszeit und im Anschluss auf unzähligen Höfen unterwegs, um sie probehalber zu bewerten, und sagt: "Wir haben auf fast jedem Betrieb, ganz egal, ob Boxen- oder Offenstall, K.O.-Kriterien entdeckt.” Punkte also, bei denen die Mindestanforderung gemäß Leitlinien nicht erfüllt wurden.
Die Haltungsforscherin ergänzt: "Tierschutz ist Einzeltierschutz. Es reicht nicht, wenn die Boxen im Durchschnitt für alle Pferde groß genug sind oder die meisten Pferde täglich freien Auslauf haben.”

"Wenn eine Box für ein Pferd zu klein ist oder es nicht rauskommt, ist das tierschutzrelevant.” Täglicher, mehrstündiger und freier Auslauf für Pferde ist verpflichtend. Und zwar für jedes Pferd im Stall. Das ist in den Leitlinien zur Pferdehaltung festgehalten.
Auch schonende Kritik kommt nicht immer an
Auf solche Mängel sollte man seinen Stallbetreiber hinweisen. Natürlich hört niemand Kritik gerne. Dem Gespräch kann man als Einsteller aber eine möglichst konstruktive Richtung geben, indem man den Betreiber nicht in der Stallgasse überfällt, Vorwürfe vermeidet und statt des Problems die Lösung im Blick hält. Nur leider ist das noch keine Erfolgsgarantie für eine Haltungsverbesserung.
Das erlebte auch Dr. Miriam Baumgartner bei ihren Vor-Ort-Terminen. Trotz schonend verpackter Kritik fielen die Reaktionen ganz unterschiedlich aus. "Manche nahmen das dankbar an und versuchten Probleme zu beheben. Andere waren gar nicht an Schwachstellen interessiert.” Dass auch der umgänglichste Stallchef bei leiser Kritik die Schotten dicht machen kann, erlebte Charlotte Schäfer (Name von der Redaktion geändert). Ihr Pferd entwickelte in einem Offenstall eine REM-Schlafstörung. Als sie den Stallbetreiber darauf ansprach, dass die – von ihr abgemessene – Liegefläche nicht ausreiche, blockte der ab. "Er sagte, mein Pferd habe das nicht in seinem Stall bekommen.”
Auch in Katrin Müllers (Name von der Redaktion geändert) Stall bemühten sich die Einsteller, auf den Stallbetreiber zuzugehen; einzeln, mit ausgewählten Stallsprechern, auf Stallversammlungen. "Er reagierte leider sehr schnell emotional und aggressiv”, sagt Katrin Müller. Wie geht man am besten in solchen Fällen vor?
Wenn ein direktes Gespräch nicht weiterhilft, aber im Stall tierschutzrelevante Zustände herrschen, kann man das Veterinäramt einschalten – das gesetzliche Sprachrohr der Tiere. Dass Einsteller Haltungsmängel monieren, komme immer wieder vor, so Dr. Hänsch, sei aber nicht allzu häufig.
Eine Meldung beim Veterinäramt können Reiter telefonisch, per E-Mail oder Onlineformular auf der Website des Amts machen; auch anonym. Das Amt behandelt Hinweise zwar vertraulich. "Verlangt der Beschuldigte aber Akteneinsicht, kann es zur Freigabe des Namens kommen, sofern dieser aus der Anzeige hervorgeht”, sagt Dr. Miriam Baumgartner – etwa aus der E-Mail-Adresse.
Je nach vorliegenden Mängeln kann das Veterinäramt sofortige oder längerfristige Nachbesserungen vom Stallbetreiber verlangen. Aber: "Amtstierärzte sind ans gesetzliche Minimum gebunden”, so Dr. Hänsch. Beispiel freie Bewegung: In den Leitlinien ist von "mehrstündigem” Auslauf die Rede. Je nach juristischer Auslegung könnte das im niedrigsten Fall nur zwei Stunden bedeuten. "In einigen Bundesländern verlangen die Veterinärämter mittlerweile vier Stunden, weil das durch einige Urteile gestützt ist”, sagt Dr. Hänsch, "aber man kann in der Regel keinen ganztägigen Auslauf erzwingen.” Ob man mit der Minimalanforderung leben kann oder nicht, liegt im Ermessen jeden Reiters.

Pferde müssen angemessen ernährt werden – einwandfreies Raufutter ist quasi gesetzlich vorgeschrieben. Auch die angemessene Menge ist übrigens relevant für die Frage, ob ein Stall gut ist. Zu dick sollte maximal ein Drittel des Bestands sein.
Klar ist: "Wenn jemand nicht bereit ist, tierschutzrelevante Haltungsmängel zu ändern, muss man gehen”, findet Dr. Baumgartner. Heißt: Wenn Ruhe-, Fress-, Sozial- und Bewegungsverhalten des Pferds massiv eingeschränkt sind und somit gesundheitliche – körperliche wie geistige – Probleme drohen. Denn: "Habe ich als Einsteller Kenntnisse von einer nicht artgerechten Tierhaltung, bin ich auch verantwortlich und kann mich weder darauf berufen, dass ich keine andere Wahl habe, noch dass der Stallbetreiber alleine verantwortlich ist”, erklärt Rechtsanwältin Olivia Haverkamp.
Aufgeben, gehen – oder bleiben und kämpfen?
Nur muss man auch eine Stallalternative haben. Genau damit hadert Katrin Müller. Sie will auch aus einem anderen Grund nicht gehen: "Die Reiter, die sich Gedanken machen und Verantwortung für ihre Tiere übernehmen, sollten nicht immer vor dummen Ignoranten flüchten müssen.” Sie kämpft für bessere Bedingungen für ihr Pferd – und hat das VetAmt eingeschaltet.
Haltung fundiert bewerten
Das Stall-Bewertungssystem BestTUPferd wurde von den Haltungsforscherinnen Dr. Margit Zeitler-Feicht und Dr. Miriam Baumgartner an der TU München-Weihenstephan entwickelt. Die Forschungsergebnisse flossen in ein digitales Tool. Mit diesem Tool – ähnlich wie eine komplexe App – lassen sich Pferdehaltungen neutral und objektiv beurteilen. Indikatoren sind beispielsweise Boxen- und Auslaufgröße, aber auch, wie häufig Verletzungen und Drohgesten vorkommen oder wie der Futterzustand der Tiere ist. Ab Ende 2024 werden die ersten BestTUPferd-Berater geschult. Sie können dann für Stallbetreiber, die sich weiterentwickeln wollen, die Haltung bewerten, aber auch Versicherungen oder Stallbaufirmen zur Seite stehen.
Checkliste für den Stall(betreiber)
Klar: Wir können nicht voraussehen, wie sich ein Stall und dessen Haltungsqualität entwickelt. Aber wenn man genauer hinschaut, kann man oft bei der Stall-Besichtigung im Vorfeld schon unpassende Anlagen aussortieren. Diese Punkte finden wir relevant:
Sind die Basics erfüllt? Die "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten” sind Minimalanforderung für jeden Stall. Besser ist immer besser, aber diese Vorgaben etwa in punkto Boxenoder Auslaufgröße sollten in jedem Stall als gegeben abgehakt werden können. Bei der Besichtigung eines potenziell neuen Stalls die wichtigsten Punkte notieren, evtl. auch mal die Größen von Box oder Auslauf grob ablaufen und dann mit den Leitlinien abgleichen. Die gibt’s auch unter: cavallo.de/leitlinien (gleich mit den geforderten Aktualisierungen der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz /TVT). Eine eigene Checkliste hilft abzuwägen, was wichtig ist. Das Wohl des Pferds steht aber im Zweifel über dem Reiterinnenwohl.
Stimmt das, was mir erzählt wird? Vertrauen ist gut, Kontrolle manchmal besser. Kommen die Pferde wirklich täglich bei Wind und Wetter raus? Am besten an wechselnden Wochentagen und fiesem Herbstwetter mal vorbeifahren und nachschauen. Oder die Nase ins Heu stecken und dran schnuppern. Oder checken, wie ordentlich gemistet wird.
Welchen Eindruck hinterlassen die Pferde? In einem guten Stall hört man die Pferde nicht. Weil sie in Ruhe fressen, dösen oder grasen. Klar gehört auch mal ein wildes Spiel dazu, aber in der Herde sollte kein Stress spürbar sein. Der kommt zustande, wenn die Ressourcen (Wasser, Futter, Platz) eingeschränkt sind oder die Gruppenzusammenstellung nicht passt. Auch in einem Boxenstall sollten die Pferde zufrieden und gelassen wirken.
Wie fühlt sich die Atmosphäre im Stall an? In manchen Ställen spürt man regelrecht schlechte Schwingungen. Mag esoterisch klingen, aber oft liegt unser Bauchgefühl richtig. Auch im Gespräch mit dem Betreiber sollten wir darauf hören. Wer prahlt, wie gut er alles macht, könnte Kritik eher als persönlichen Angriff werten.
Kommentar
2021 berichtete ich über das Stallbewertungssystem Best-TU-Pferd. Ich schrieb damals, es sollte eigentlich Pflicht für jeden Stallbetreiber sein, die eigene Haltungsform mit dem Tool zu überprüfen. Den Satz kann ich auch heute noch unterschreiben, und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass das eines Tages Realität werden könnte. Das würde Auseinandersetzungen zwischen Betreibern und Einstellern verringern – und den Pferden wäre am meisten geholfen.

Barbara Böke, CAVALLO-Redakteurin
Die Expertinnen

Dr. Miriam Baumgartner entwickelte BestTUPferd mit. Die Tierärztin forscht nun bei Agroscope am Schweizer Nationalgestüt zum Einfluss der Haltungsbedingungen auf Pferdegesundheit und -verhalten. www.agroscope.admin.ch

Dr. Friederike Hänsch ist stellvertretende Vorsitzende im Arbeitskreis Pferd der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) sowie Fachtierärztin für Tierschutzkunde und für Öffentliches Veterinärwesen. www.tierschutz-tvt.de