Reiten ist Leidenschaft
Leidenschaft sind Gefühle. Und Gefühle kochen gerne mal hoch. Vor allem im Stall zwischen Pferdebesitzer und Reitbeteiligung. Warum? Unterschiedliche Ansichten, mangelndes Vertrauen, unklare Hierarchien, aber auch Verlustängste sorgen für Spannungen zwischen einem Paar, das eigentlich ein eingespieltes Team sein sollte.
Wieso ist das oft so eine schwierige Kiste? Und wie bringt man den schiefen Haussegen wieder ins Lot? Expertin für Fragen auf diesem Gebiet ist Dr. Kathrin Schütz, Professorin für Psychologie aus Brühl/NRW. Sie leitet neben ihrer Forschungsarbeit im Bereich der Wirtschaftspsychologie ein Institut für pferdegestütztes Coaching. "Alles, was mit dem Pferd zu tun hat, ist geprägt von Emotionen. Jeder möchte das Beste für sein Pferd. Läuft es mal nicht so, fühlt man sich schnell angegriffen.” Ein elementares Problem ist in ihren Augen eine schlechte oder sogar fehlende Kommunikation. "Die einzelnen Parteien reden nicht miteinander, der andere kann vielleicht nicht gut mit Kritik umgehen, und was natürlich auch wichtig ist: unbedingt sachlich bleiben”, so Prof. Schütz. "Viel zu schnell fließen Bewertungen und Meinungen mit ein.”
Denn die Gründe für die Unzufriedenheit werden mehr in der Person selbst gesucht und nicht in den Umständen. "Wir sind viel zu schnell darin, Ursachen finden zu wollen, fangen an zu vergleichen, da wir ja nur unseren eigenen Erfahrungsschatz haben”, erklärt Kathrin Schütz. "Und damit sind wir sofort im persönlichen Bereich. Aber sachlich kommunizieren ist schwierig, wenn es um so etwas Emotionales wie ein Pferd geht.”
Die Erwartungen sollten von Anfang an klar sein
Damit alle -Pferdebesitzer und Reitbeteiligung- wissen, woran sie sind, sollte jeder im Vorfeld seine Wünsche, Anforderungen und Bedürfnisse klar aussprechen. Genau das haben die beiden Natural Horsemanship-Trainer Jenny Wild und Peer Claßen aus Dortmund/NRW getan: "Wir haben allen vorher Unterricht gegeben und ihnen unsere Grundsätze erklärt”, erzählt die Trainerin. Für ihre vier Pferde sind gleich mehrere Reitbeteiligungen zuständig. "Insgesamt sind es fünf. Vier Mädchen und ein junger Mann. Wir haben sie aber nie aktiv gesucht. Dass sie sich um unsere Pferde kümmern, hat sich einfach so ergeben. Wir kannten uns vorher schon.” Das erleichtert natürlich einiges. Für beide Parteien schlüpft die Katze aus dem Sack und jeder weiß, woran er ist. Ähnlich geht es auch Shirley Funke. Die Reitpädagogin und Trainerin B ist auf dem Seidehof in Maulbronn/Baden-Württemberg tätig und kennt ihre Reit- und Pflegebeteiligungen ebenfalls sehr gut. "Sie sind meist von klein auf bei uns und wissen, was uns wichtig ist. Dass man nicht mit den Pferden durchs Gelände jagt oder wegen jedem Schnupfen absagt.”

Während sich die Reitbeteiligung ums Pferd kümmert, bleibt für den Besitzer Zeit für andere Dinge.
Denn das Besondere auf dem Seidehof: die Kinder kümmern sich mit sehr viel Eigenverantwortung um die Pferde und Ponys. Neben Reiten oder Spazierengehen ist auch Pferdepflege und Stalldienst angesagt. Wie bei einem eigenen Pferd. "Sie sollen sich daher auch eigenständig um Ersatz kümmern. Sie lernen so, dass sie Verantwortung für ein Lebewesen haben”, sagt Shirley Funke. "Wir haben viel Vertrauen und trauen den Kindern durchaus zu, das untereinander zu regeln.” Zudem ist auch für die Pflegebeteiligung ein kleiner Beitrag pro Monat von 20 Euro fällig. "Das sorgt für mehr Verbindlichkeit, macht auch die Pflegebeteiligung an einem Pferd verpflichtender”, so Shirley Funke.
Wer aktiv auf der Suche ist – egal, ob nach Pferd oder Reiter – sollte sich ein paar Fragen stellen. Was will ich? Was kann ich? Was biete ich? Thema Haltung etwa: Steht das Pferd im Offenstall oder in einer Box? Kann ich damit umgehen? Fällt Stallarbeit an oder müssen die Pferde gefüttert werden, sollten Bewerber wissen, ob sie das als Reitbeteiligung auf Dauer leisten können und wollen. Denn es ist zeitintensiv. Kathrin Schütz rät, bei persönlichen Anliegen deutlich zu werden. "Wem Ordnung wichtig ist, sollte das klar kommunizieren und konkret werden.” So kann das Gegenüber einschätzen, ob es damit zurechtkommt. "Man selbst denkt immer, die anderen ticken wie ich. Aber das ist weit gefehlt.” Deshalb schon beim ersten Kennenlernen mit Beispielen arbeiten: "Liegt über Ihrem Sattel immer ein Sattelschoner, dann sagen Sie auch, dass Ihnen das wichtig ist. Und, dass die Gamaschen nach dem Reiten gesäubert in diese eine Kiste sollen”, erklärt Kathrin Schütz. "Die Reitbeteiligung sollte sich nach diesen Informationen so gut selbst reflektieren können, dass sie ehrlich einschätzen kann, ob sie so ordentlich ist oder sein kann wie gewünscht.”

Als Pferdebesitzer muss man damit klarkommen, dass da noch jemand ist, der das Pferd liebt.
Dem Trainer-Duo "Jenny und Peer” ist es zum Beispiel wichtig, dass die Pferde ohne Gebiss im Maul geritten werden. "Würden die Pferde dauerhaft getrieben werden oder ständig Zug am Zügel herrschen, wäre das für uns ein No Go”, so Peer Claßen. Dennoch sind die beiden offen für Neues. "Unterricht bei anderen Trainern ist für uns kein Problem, solange es unserer Philosophie entspricht und den Pferden guttut.”
Ulrike Störzbach ist wichtig, dass Absprachen eingehalten werden. "Man muss als Pferdebesitzer vertrauen können. Es kann nicht sein, dass das Pferd ohne mein Wissen mit anderem Zubehör geritten wird”, so die Leiterin des Barockreitzentrum Heimsheim in Baden-Württemberg.
Absprachen bringen allerdings nichts, wenn der Pferdebesitzer letztendlich nicht abgeben kann. "Machen Sie sich das unbedingt bewusst! Kommen Sie damit klar? Denn selbst wenn Absprachen eingehalten werden. Was, wenn das Pferd unter der Reitbeteiligung besser läuft als unter Ihnen?”, wirft Kathrin Schütz die Frage in den Raum. "Es liegt in Ihrer Hand, was Sie daraus machen. Können Sie dem etwas Positives abgewinnen und sich darüber freuen, dass Ihr Pferd ohne Sie etwas lernt?”
Neben No Gos, die das Klima stören können, gehört auch die Frage nach den Kosten bei Krankheit geklärt. Ulrike Störzbach hat dazu eine klare Meinung: "Man kann, je nach Krankheit, mit dem Pferd auch anders arbeiten als nur vom Sattel aus. Handarbeit, Langer Zügel oder Bodenarbeit.” Kein Problem, wenn das für eine überschaubare Zeitspanne ist. Zieht sich das aber über mehrere Monate, sollten beide Parteien das Gespräch suchen. "Wir haben uns nun einmal keine Plastikgoldfische ausgesucht, sondern Lebewesen. Nicht selten ist ein Pferd für sechs Wochen nicht reitbar”, so Kathrin Schütz. "Auch hier ist wichtig, dass die Erwartungshaltungen beider Seiten im Vorfeld geklärt sind. Denn vielleicht freunde ich mich mit der Reitbeteiligung an. Diese Freundschaft droht dann aufgrund der Geldfrage bei Krankheit in die Brüche zu gehen.”
Um eventuellen Streitigkeiten den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist ein Vertrag hilfreich. Dann ist klar geregelt, was die Reitbeteiligung darf und was nicht. "Möglicherweise hilft der Vertrag auch, bei Problemen sachlich zu bleiben”, so Professor Kathrin Schütz.
Hier finden Sie einen Reitbeteiligungsvertrag, in dem alle Dinge rund um die Versorgung und Bewegung des Pferds klar geregelt werden können:
Team Reitbeteiligung: Das hilft bei Problemen
Wieso ist es eigentlich zu Beginn meistens harmonisch zwischen Reitbeteiligung und Pferdebesitzer? Kathrin Schütz’ Erklärung stammt aus dem Bereich der Teamentwicklung: "Es gibt insgesamt fünf Phasen, in denen sich ein Team befinden kann. Weiß man, in welcher man gerade steckt, hilft das vielleicht bei der Konfliktlösung.” Die erste Phase ist die Einstiegsphase, in der man sich beschnuppert. Jeder lernt gerade erst seine Aufgaben, seine Rolle – auch der Pferdebesitzer – kennen. Man ist höflich zueinander, tastet sich vorsichtig ab und jeder versucht, eine gute Figur zu machen. Harmonie pur.
In der zweiten Phase, der Konfliktphase, hat sich das Team endlich etabliert. Es kommt jedoch zu Unruhen durch gegenseitig erhobene, unbewusste Machtansprüche. Konkurrenzdenken bestimmt diese Phase. "Jetzt kann es zum ersten Knall kommen”, so Kathrin Schütz. Die Phase kann sich auch wiederholen.
Um in die nächste Phase, die Regelphase, zu gelangen, muss man sich auf gemeinsame Spielregeln festlegen. "Beide Parteien verstehen langsam, wie der andere tickt”, sagt Professor Schütz. "Nun ist es wichtig, dass beide Team-Partner die richtigen Gesprächstechniken beherrschen.” Kathrin Schütz nimmt uns mit auf einen Exkurs in die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg: "Wir senden zu viele Du-Botschaften, um unsere Wünsche und Bedürfnisse kundzutun.” Ihr Tipp: Nehmen Sie Ihre Gefühle, Bedürfnisse und Bitten mit in die Botschaft; sprechen Sie den Konflikt aus, ohne zu verletzen. Statt "Du bist unordentlich und hast die Gamaschen nicht aufgeräumt” lieber "Ich sehe, dass die Gamaschen nicht zusammengeklettet in der Kiste liegen. Mir ist wichtig, dass alles ordentlich verstaut ist. Könntest du sie beim nächsten Mal bitte zusammenkletten und in der Kiste verstauen?” Das klingt banal, hat aber einen positiven Einfluss auf Ihr Gegenüber.
Packt man damit die Leute nicht in Watte? Nein. Der Sinn dahinter ist, statt loszupoltern, die eigenen Emotionen herunterzufahren und auf eine sachliche Ebene zu kommen. Klappt das, kommt die Arbeitsphase, in der eine gute Atmosphäre herrscht. Die letzte Phase, die Abschiedsphase, erreicht man dann erst gar nicht.
Unter Dach und Fach: Ein Vertrag, der alles regelt?
Braucht man für alles und jeden einen Vertrag? Besser wäre das. Denn mit einem Reitbeteiligungsvertrag ist von Anfang an klar, was Sache ist. Jedenfalls, was die äußeren Umstände betrifft: Was darf die Reitbeteiligung alles? Ausreiten? Springen? Kostet die Reitbeteiligung Geld oder ist sie unentgeltlich? Wie lange darf die Reitbeteiligung das Pferd am Tag reiten? Auch der Pferdebesitzer kann Teil des Vertrags sein, etwa mit einem Absatz über den Zustand der Ausrüstung.
Ein Vertrag schützt nicht bei Haftungsfragen. "Die wenigsten Vordrucke beschäftigen sich mit der Haftung und sind dafür auch nicht gemacht. Als Reitbeteiligung muss mir das klar sein”, sagt Iris Müller-Klein, auf Pferderecht spezialisierte Rechtsanwältin aus Bruchhausen-Vilsen in Niedersachsen. "Die Haftung ist aber wichtig und kann bei einem Unfall ein dramatisches Thema werden.”
Was die wenigsten wissen: Sobald die Reitbeteiligung zahlt, sind viele Tierhalterhaftpflichtversicherungen raus, da sie nur bei unentgeltlichem Reiten haften. "Sobald Geld fließt, wird die Versicherung teurer”, erklärt Iris Müller-Klein. "Daher unbedingt bei der Versicherung nachfragen, ob die Reitbeteiligung bei Entgelt mitversichert ist und sich das schriftlich bestätigen lassen.”
Muss ein Reitbeteiligungsvertrag gekündigt werden? "Wenn das so im Vertrag steht, ja. Dann müssen beide Parteien schriftlich kündigen”, sagt Iris Müller-Klein. "Das ist vor allem für die Reitbeteiligung wichtig, wenn sie monatlich zahlt. Wer einfach nicht mehr kommt, könnte auf die Zahlung des Entgelts verklagt werden.” Iris Müller-Klein rät dazu, im Text auf die außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung hinzuweisen. "Das schließt die fristlose und die fristgerechte Kündigung mit ein”, so die Anwältin.
Welche Versicherungen sollten beide Seiten haben? "Die wenigstens Reitbeteiligungen haben eine private Unfallversicherung”, sagt Iris Müller-Klein. "Dabei ist genau diese Versicherung im Falle des Falles entscheidend.” Wer keine hat, die Versicherung nicht hoch genug ist oder Reiten womöglich gar nicht inbegriffen ist, läuft als Reitbeteiligung Gefahr, im Schadensfall leer auszugehen. Und die Rede ist hier nicht von einem gebrochenen Arm. Versicherungen werden meist erst kontaktiert, wenn es um Schäden wie eine Querschnittslähmung geht.
"Ich rate daher jeder Reitbeteiligung und auch jedem Pferdebesitzer zu einer privaten Unfall- und Haftpflichtversicherung mit Dynamisierung, falls der Schaden höher wird”, so Iris Müller-Klein. "Die Summe sollte nicht zu knapp bemessen sein. Auch für Kinder halte ich sie für immens wichtig. Zumal die Beiträge für Kinder oft nicht so hoch sind oder sie über die Eltern mitversichert werden können.”
Diese Unfallversicherung braucht es zum Beispiel auch zwingend, wenn die Reitbeteiligung mit dem Pferd an Kursen teilnimmt oder mit dem Pferd in den Urlaub fahren darf. "Passiert da etwas, greift die Tierhalterhaftpflicht nicht mehr, weil die Reitbeteiligung das Pferd wie ein Halter nutzt”, so die Anwältin.
Wer eine Reitbeteiligung an einem Schulpferd hat, braucht ebenfalls unbedingt eine private Unfallversicherung. Iris Müller-Klein klärt auf: "Die Pferde einer Reitschule dienen dem Erwerb. Auch bei einer Reitbeteiligung an einem Pferd einer Reitschule. Der gewerbliche Pferdebesitzer, die Reitschule oder der Reitverein können sich im Schadensfall entlasten und der Reiter geht leer aus.”
Für den Pferdebesitzer ist eine Tierhalterhaftpflicht unerlässlich. "Trotzdem haben viele keine”, sagt Iris Müller-Klein. Daher unbedingt nachfragen, ob das Tier über solch eine Versicherung verfügt. "Oft gibt es Versicherungsfälle, bei denen gar nicht die private Haftpflichtversicherung greift, sondern die Tierhalterhaftpflicht. Einen Schaden daher immer beiden Versicherungen melden. So sind die Fristen gewahrt und die Versicherungen klären, ob sie zuständig sind.”
Wie stehen unsere Redakteure zu dem Thema Reitbeteiligung?
Mein Pferd ist mein Traum, den ich ungern teile
Ich war früher selbst Reitbeteiligung. Bei manchen Pferden und Besitzern blieb ich viele Jahre. Bei anderen war ich schnell wieder weg. Das lag immer daran, dass etwas für mich nicht stimmte: die Haltung, der Umgang, das Reiten, ein nicht passender Sattel – oder eine zweite Reitbeteiligung. Ich bin nicht der Typ, der gerne teilt. Vor allem dann nicht, wenn die andere Person unzuverlässig ist oder nicht so mit dem Tier umgeht, wie ich mir das wünsche. Jetzt habe ich mein eigenes Pferd, für mich ganz alleine. Mein Traum.

Nadine Szymanski, CAVALLO-Redakteurin
Reitbeteilung? Für mich früher die perfekte Lösung
Ein eigenes Pferd kam für mich nie in Frage. Seit über 30 Jahren bin ich Team Reitbeteiligung. Mit allen Höhen und Tiefen. Das war für mich die perfekte Lösung. Längere Abwesenheiten durch Studium oder Urlaub? Kein Problem. War ich krank, genügte ein Anruf; Tierarztkosten betrafen mich nicht. Dafür bot ich absolute Zuverlässigkeit. Mir war sehr wichtig, dass der Pferdebesitzer wusste, sein Pferd ist in guten Händen. Als Mutter von zwei Kindern kann ich das nicht mehr bieten, weshalb ich auf gut ausgebildete Schulpferde umgestiegen bin.

Kristina Hofer, CAVALLO-Redakteurin
Reitbeteiligung macht den Stall-Alltag entspannter
Ein Leben ohne meine Reitbeteiligung wäre für mich nicht vorstellbar. Und es wäre deutlich stressiger: Mit nahezu Fulltime-Job, sechsjähriger Tochter und allem, was dazu kommt, sind meine Tage schon ziemlich voll. Da bin ich froh, dass ich mein Pferd regelmäßig an zwei Tagen in der Woche oder bei Dienstreisen in allerbeste Hände geben kann – nämlich die meiner Reitbeteiligung. Seit mehr als fünf Jahren kümmert sie sich wunderbar um meinen Wallach, auch wenn er mal unreitbar ist. Und das weiß ich mehr als zu schätzen!

Barbara Böke, CAVALLO-Redakteurin