Eifrige Pferde sind ein Traum. Sie haben eine tolle Arbeitseinstellung und bemühen sich, alles recht zu machen. Problematisch wird es, wenn der Übereifer überhandnimmt, das Pferd kaum noch ansprechbar ist und nicht mehr richtig zuhört.
Arbeitseifer kann Stress machen
CAVALLO hat darüber mit drei ganz verschiedenen Ausbilderinnen gesprochen: der Klassik-Trainerin Katharina Möller, der Parelli-Instruktorin Sandra Gockenbach und Gangpferde-Expertin Petra Schöner. Die drei erklären, was Übereifer zum Beispiel mit Charakter, Rasse und Ausbildung zu tun hat. Wie sich Übereifer äußert und mit welchen Übungen Sie die Energie Ihres Pferds am besten in die richtigen Bahnen lenken können.
„Vom Prinzip her ist ein eifriges Pferd ja das, was wir uns wünschen“, sagt Katharina Möller, Klassik-Trainerin aus Dielsdorf in Thüringen. Es arbeitet in der Regel begeistert mit, ohne dass wir es motivieren müssen. Doch oft haben solche Pferde einfach zu viel Energie und pushen sich hoch. Der Arbeitseifer artet dann auch schon mal richtig in Stress aus. „Das sollten Sie auf jeden Fall vermeiden“, rät die Klassik-Trainerin.
Ab dem Moment, wo eifrige Pferde nicht mehr zuhören, ist ein partnerschaftlicher Dialog nämlich kaum noch möglich. Darauf weist Sandra Gockenbach, Parelli-Instruktorin aus Kopp in der Vulkaneifel hin. Und spätestens dann wird es heikel und manchmal auch unfair. Viele Reiter bestrafen ihr Pferd, weil sie sein Verhalten als Ungehorsam missdeuten.
Was ist der Grund für die Übermotivation?
Übereifer wirkt sich bei jedem Pferd anders aus, deshalb gibt es auch kein Allheilrezept, um überschüssige Energie in positive Bahnen zu lenken. „Eher ängstliche, instinktiv handelnde Pferde neigen dazu, immer spanniger zu werden. Extrovertierte, selbstbewusste Pferde zappeln nur noch rum“, ist die Erfahrung von Sandra Gockenbach.
Dann gibt es noch die Kandidaten, die vor lauter Motivation von sich aus Lektionen anbieten, die gerade gar nicht gefragt sind. Tatsächlich versteckt sich dahinter allerdings oft eine Dominanzgeste wie der Spanische Schritt. Reiter eines übermotivierten Pferds tun also gut daran, es genau zu beobachten. Daneben gibt es natürlich auch Gangarten, die Übereifer fördern.
Pferde mit viel Eifer und Energie sind zum Beispiel im Galopp recht explosiv. Der Grund: „Es ist die Fluchtgangart des Pferds und diese Gangart ist grundsätzlich mit dem Sympathikus verknüpft“, sagt Katharina Möller. Dieser Teil des vegetativen Nervensystems hilft dem Pferd in der Natur, zu überleben und schnell zu flüchten.
Für den Reiter kann das schnell gefährlich werden. Der Parasympathikus dagegen ist aktiv, wenn das Pferd entspannt ist. Damit Ihr Pferd nicht in den Sympathikus wechselt, sollten Sie das Verhalten Ihres Tiers lesen lernen. Haben Sie ein Auge darauf, ob es ansprechbar ist, ob es zuhört oder schon im Fluchtmodus feststeckt.
„Psyche und Motorik hängen nämlich sehr eng zusammen, erklärt Petra Schöner, die in der Nähe von Karlsruhe Pferde und Reiter ganzheitlich ausbildet.
Der „Will to please“ wird angezüchtet
Entscheidend, wie hoch das Motivationslevel beim Pferd ausschlägt sind Charaktereigenschaften, aber auch die Rasse. Sehr viele Leistungszuchten neigen zu viel Energie. Diese Pferde sollen reaktiv sein – egal ob im Sport, bei der Arbeit mit Rindern oder etwa im Stierkampf. Iberische und lateinamerikanische Pferde zum Beispiel haben diesen extremen „Will to please“, zu Deutsch: den Willen zu gefallen.
„Die Gangpferde aus Südamerika bringen von sich aus einen enormen Übereifer mit und neigen dazu, hibbelig und übermotiviert zu sein“, weiß Petra Schöner. In diesen Ländern legen die Züchter großen Wert auf den sogenannten „Brio“, das bedeutet Arbeitseifer, Sensibilität, Energie und Leistungsbereitschaft. Diese Pferde sollen sich stolz präsentieren – da macht eine Schlaftablette unterm Sattel natürlich wenig her.
Damit es bei eifrigen Pferden erst gar nicht zu Frust oder Überreaktionen kommt, brauchen sie vor allem klare Ansagen. Uneindeutige Körpersprache am Boden oder missverständliche Hilfen sorgen sonst für Stress oder Frust. Als Fluchttiere bemerken sie jede kleine Anspannung des Reiters. Ein angespannter Reiter und ein übereifriges Pferd sind also eine recht heiße Kombi.
Reiter mit übereifrigen Pferden sollten sich deshalb jederzeit gut im Griff haben. Strukturieren Sie am besten auch Ihre Reiteinheit und überlegen Sie sich genau, was Sie machen wollen – Übungsaufbauten mit Stangen, Gassen oder Pylonen helfen Pferd und Reiter sich zu konzentrieren.
Im Ausbildungskonzept von Petra Schöner steht folgerichtig nicht die Ausbildung des Pferds an erster Stelle, sondern die des Reiters. „Der Mensch muss lernen, sich so auszudrücken, dass es das reaktive Pferd verstehen kann.“
Dafür brauchen Sie nicht nur einen Plan und Struktur, Sie sollten sich auch klarmachen: Welche Übungen eignen sich gut, um mein Pferd abzuholen und wieder zum Zuhören zu bewegen? Je nach Pferdetyp gibt es dafür ganz unterschiedliche Strategien. Wir haben sechs Übungen unserer Experten zusammengefasst – es sind praktische und auch ungewöhnliche Übungen für den Alltag, am Boden oder beim Reiten. Kennen Sie zum Beispiel schon die Fragebox?
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