Stall-Apotheke: Empfindliches Gleichgewicht
Ziemlich sensibel: In einer gut gefüllten Stall-Apotheke hat jedes Mittelchen sein individuelles Verfallsdatum und strenge Lagerbedingungen. "Medikamente sind empfindliche Produkte. Feuchtigkeit, zu hohe oder zu tiefe Temperaturen während der Lagerung können Qualität und damit Wirksamkeit beeinträchtigen", informiert Hanna Wolff, Pressesprecherin des Pharma-Unternehmens Boehringer Ingelheim.
Wirkung ade: Generell unterscheidet man zwischen drei Temperaturbereichen: Raumtemperatur (15 bis 25°C), Kühlschrank (2 bis 8°C) und tiefgekühlt (-15°C und kälter). Abweichungen von den für das individuelle Medikament vorgegebenen Temperaturen können dazu führen, dass Haltbarkeit und Wirksamkeit verloren gehen. Was passiert da? Ulrich Auburger, Geschäftsführer des veterinärpharmazeutischen Unternehmens Medilutions.Vet, erklärt: "Friert ein Produkt ein, dehnen sich die darin enthaltenen Moleküle aus oder ziehen sich zusammen. Das kann komplexe Strukturen zerstören, die sich beim Auftauen nicht automatisch wiederherstellen.” Die Folge: Das Medikament verliert teilweise oder vollständig seine Wirkung, was man ihm aber nicht ansieht.
Alkohol- und fetthaltige Mittel sind generell weniger frostanfällig, Flüssigkeiten und Salben reagieren stärker auf Frost als Pulver. Letzteres kann laut Auburger mit Feuchtigkeit und Keimen in der Luft reagieren und müsse deshalb trocken und luftverschlossen gelagert werden. Die Haltbarkeit von Verbandswolle und Kreppbinden verändere sich bei Kälte nicht. Pflaster hingegen könnten bei starken und langanhaltenden Minustemperaturen ihre Klebekraft verlieren. Doch in Deutschland werden solche Temperaturen laut Auburger kaum erreicht.
Wie lagere ich Medikamente?
Der ideale Ort: Die Medikamente im Stall optimal lagern? Schwierig. Vor allem in Offenställen, in denen auch die Stall-Schränke bei Außentemperaturen untergebracht sind. Die besten Bedingungen finden Reiter zu Hause. Das bedeutet aber im Notfall einen zusätzlichen Weg, um die Medikamente zu holen.
Die Lösung? Manch einer lagert deshalb das teure Gut lieber im Auto. Aber auch dort schwanken die Temperaturen und können unter den Gefrierpunkt geraten. Da liegt der Griff zur Isoliertasche nahe. Doch Hersteller warnen: Die Taschen halten die Temperatur von Kühl- bzw. Wärmepads meist nur für wenige Stunden. Zudem könnten einige Medikamente schon durch den direkten Kontakt zu diesen Hitze-/Kältequellen ihre Wirksamkeit verlieren. Eine professionelle Medikamenten-Kühltasche oder batteriebetriebene Kühlbox ist kostspielig (meist über 100 Euro) und auch nicht für die dauerhafte Lagerung gedacht. Und auch hier weisen die Hersteller darauf hin, dass die Kühlleistung und -dauer von der Außentemperatur abhängt und stark schwanken kann. Plus: Der gewährleistete Einfrierschutz gilt meist nur für das Einfrieren durch die integrierte Kühltechnologie, nicht durch Außentemperaturen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, überwacht den gewünschten Lagerort am Stall mit einem Thermometer oder bewahrt die teuren und empfindlichen Produkte grundsätzlich zu Hause auf, damit sie im Notfall ihre volle Wirkung für das Pferd entfalten können.
Was passiert mit …
… Pflegeprodukten: Im Vergleich zu Medikamenten sind Pflegeprodukte wie Insektensprays, Hautcremes und Huffett nicht ganz so empfindlich, wie Armin Brietzke, Geschäftsleiter von MM Cosmetic, dem Hersteller der Marken Zedan und Bremsenbremse, informiert.
… Wirksamkeit: Tendenziell könnten laut Brietzke niedrige Temperaturen die Haltbarkeit eher verlängern, höhere dagegen verkürzen. Die Wirksamkeit werde nur selten negativ beeinflusst. Bei ungünstigen Lagerbedingungen könnten sich jedoch Duft und Farbe verändern.
Generell seien Salben und Puder weniger anfällig gegen Einfrieren und Auftauen als Flüssigkeiten. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt könnte es zum Beispiel zur Kristallisation oder Trennung von Inhaltsstoffen kommen. Dieser Prozess lasse sich durch Aufwärmen und Schütteln aber rückgängig machen.
