Der CAVALLO-Paragraphenreiter
Pferd scheut bei Hundebegegnung - wer haftet?

Ein Pferd erschrickt vor einem vorbeilaufenden Hund, scheut mehrfach und wirft seinen Reiter ab. Warum in diesem Fall der Reiter die Konsequenzen trägt.

Paragraphenreiter
Foto: Lisa Rädlein

Eine Gruppe erfahrener Reiter unternahm beim hessischen Hanau einen Ausritt. Der Hund eines mitreitenden Ehepaars begleitete die Reitergruppe unangeleint. Nach über einer Stunde rief der Ehemann den Hund, der sich nahe der Gruppe befand, zu sich. Er gehorchte, lief von hinten an den Pferden der anderen Reiter vorbei, wobei eines erschrak: Es scheute, als sich der Hund neben ihm befand und rannte in einen Weidezaun, der seitlich zum Weg verlief. Dort scheute es erneut. Sein Reiter verlor den Halt, fiel und verletzte sich.

Wer haftet für die Verletzungen?

Der Reiter verklagte die Hundebesitzerin auf Schadensersatz nach § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Hiernach haftet ein Tierhalter für Schäden, die sein Tier verursacht und denen eine Tiergefahr zugrunde liegt – also ein unvorhersehbares tierisches Verhalten. Bei Hunden etwa das Anspringen oder Beißen.

Nach Aussage des Klägers hatte sich eine solche Tiergefahr durch das Vorbeilaufen des Hundes verwirklicht. Das Landgericht Hanau sah das anders und wies die Klage ab (1 O 392/17): Es fehle an einer vom Hund ausgehenden typischen Gefahr. Der Hund habe sich unauffällig verhalten, sei mit einem Abstand von zwei Metern vorbeigelaufen. Das Gericht fügte hinzu, dass zudem nicht festgestellt werden könne, ob der Hund tatsächlich Unfallursache gewesen sei. Dem widerspreche, dass sich das klägerische Pferd als einziges erschrocken habe, nach Aussage des Klägers hundeerfahren sei und noch dazu der Unfall erst nach einiger Zeit passierte, obwohl der Hund von Beginn an unangeleint war.

Berufung am Frankfurter Oberlandesgericht

Auch der 11. Zivilsenat zweifelte an der Realisierung einer Tiergefahr. Im Beschluss (11 U 153/17) heißt es: "Das Vorliegen einer Tiergefahr verlangt grundsätzlich ein Verhalten des Tieres, welches über die bloße physische Anwesenheit hinausgeht (…). Ob das Vorbeilaufen des Hundes am klägerischen Pferd bereits eine über seine Anwesenheit hinausgehende Gefahr begründet, erscheint zweifelhaft." Weiter betont der Senat, dass der Hund auf Zuruf des Ehemanns reagiert hatte. Dem Vorbeilaufen am klägerischen Pferd läge folglich kein unvorhersehbares Verhalten zugrunde, wie es für eine Tiergefahr nötig wäre.

Warum der Reiter eine Mitschuld trägt

Laut Oberlandesgericht treffe den Reiter "ein erhebliches Mitverschulden" am Unfall (§ 254 BGB). Durch das Scheuen seines Pferdes am Weidezaun habe sich eine zweite Tiergefahr realisiert, die erst zum Sturz geführt hatte. Die Tiergefahr seines Pferdes sei deshalb "(...) mindestens gleich hoch wie die des Hundes (...)" zu beurteilen.

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Tragen Reiter Mitschuld?

Vollständiger Haftungsausschluss der Hundebesitzerin

Der Frankfurter Senat bestätigte das Urteil der Vorinstanz und betonte, dass das Verhalten des Hundes vorhersehbar gewesen sei, da es für einen freilaufenden Hund typisch gewesen wäre. Der Reiter nahm daraufhin seine Berufung zurück. Der Beschluss verdeutlicht, dass Fragen der Tierhalterhaftung individuell betrachtet werden müssen: Trägt der Geschädigte eine Mitschuld am Schaden, kann sich die Haftung des Tierhalters verringern – oder vollständig entfallen.

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Wer haftet bei Verletzungen?

§ 254 BGB Definiert das Mitverschulden des Geschädigten am Schaden. Ob und in welchem Umfang eine Mitschuld gegeben ist, wird in Abhängigkeit dessen bestimmt, "(...) inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist".

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023