Quietschende Pferde: Das sagt die Verhaltensbiologin
Pferde kommunizieren hauptsächlich wortlos. Oft vergessen wir fast, dass sie sich auch über Laute verständigen können. Sie haben ganz verschiedene Lautäußerungen, die von Wiehern über Brummeln bis eben hin zum Quietschen reichen. Auch innerhalb des Quietschens gibt es meines Erachtens Unterschiede: Stuten quieken eher, bei Wallachen und Hengsten ist es mehr ein Schrei mit geöffnetem Maul. Generell quietschen Pferde jeden Geschlechts – nicht nur Stuten. Introvertierte Pferde quietschen eher seltener als extrovertierte. Ich denke, es ist eine Kombination aus Charakter, Prägung und Erfahrung: Wie wurde bislang kommuniziert und gibt es einen Lerneffekt dahinter? Ging mit einer bestimmten Lautäußerung ein bestimmtes Verhalten des Gegenübers einher? Natürlich beobachtet man das Quietschen vor allem, wenn sie sich direkt begegnen und nicht gut kennen. Es könnte etwas mit Dominanz, aber auch mit Unsicherheit zu tun haben. Da spielt also sicher Emotionalität eine große Rolle. Grundsätzlich könnte man sagen, dass sie insbesondere quietschen, wenn die Erregung recht hoch ist. Bevor Pferde quietschen, sind sie eher in einem hohen Muskeltonus und nicht in einer Tiefenentspannung. Es ist also immer eine Kombination aus vielen Faktoren, wann Pferde quietschen und warum sie es tun.

Dr. Vivian Gabor ist Biologin und promovierte Pferdewissenschaftlerin. Ihr Spezialgebiet ist das Lernverhalten von Pferden. www.ivk-center.de
Quieken nur bestimmte Pferde? Das sagt die Züchterin und Pferdetrainerin
Aus meiner Sicht ist es vor allem eine Charakterfrage, ob Pferde bei der Begrüßung quietschen oder nicht. Wie bei uns Menschen: Die einen sind eher extrovertiert und reden mehr, andere sind zurückhaltender und stiller. Außerdem kommt es auf die Situation an. Quietschen kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Manche Pferde quietschen beim Spielen, manche beim Begrüßen. Ich beobachte besonders viel Gequietsche, wenn Stuten rossig sind und dann von anderen Pferden angeschnuppert werden. Es scheint also auch mit der Erregung zusammenzuhängen. Auch wenn ein neues Mitglied in die Herde integriert wird, kann es vorkommen, dass mehr gequietscht wird – etwa, weil ein Pferd seinen Bereich schützen möchte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gute Leitstuten generell sehr ruhig sind und überhaupt nicht quietschen. Ein Beispiel: Ich war gerade auf einem Kurs, wo ich eine Konikstute kennengelernt habe. Dieses Pferd ist eine ganz souveräne Herdenführerin und hat dabei sehr ruhig agiert. Ein Quietschen habe ich bei ihr nie gehört.

Yvonne Gutsche züchtet Quarter Horses und bildet Pferde reitweisenübergreifend aus. Sie hat ein Händchen für besonders schwierige oder traumatisierte Tiere. www.yvonne-gutsche.de
Das sagt der Horseman übers Quietschen bei Pferden
Es ist mit Sicherheit eine Sache der Pferdepersönlichkeit, ob Pferde mehr oder weniger quietschen. Die, die am lautesten quietschen, gehören wahrscheinlich eher zu den extrovertierten und selbstbewussteren Persönlichkeiten, während die leisen sicher eher introvertiert sind. Extrovertierte Menschen sind in der Regel laut. Für das Fluchttier Pferd ist es aber sicherer, leise zu sein. In der Natur geben Pferde nicht so viele Geräusche von sich, weil sie unauffällig bleiben wollen. Sind sie laut, könnte ein Raubtier auf sie aufmerksam werden, was immer ein Sicherheitsrisiko ist. Das Quietschen kann man vor allem bei Rangordnungs-Kabbeleien beobachten, aber auch, wenn neue Pferde in die Gruppe kommen. Der erste Kontakt ist ein regelrechtes Beschnuppern: Es geht damit einher, dass die Pferde sich mit den Nasen berühren und ihren Geruch austauschen. Manche Pferde quietschen dann. Oft ist das der Startschuss fürs Spielen. In der Regel ist das Quietschen also in solchen Situationen der Auftakt für die Frage: Wer hat hier das Sagen?

Ralf Heil ist lizenzierter 3-Sterne-Parelli-Instruktor und hält seine Pferde in einer großen Herde.