Das blaue Gerippe auf dem Pferderücken erinnert ein wenig an die Bausteine von Fischertechnik. Doch der Topograph Pro soll nicht Kinderherzen höher schlagen lassen, sondern Pferderücken exakt vermessen. Das war schon immer das Ziel von Christoph Rieser, der zwei Jahre an dem Topograph tüftelte.
Bisher nutzte der Sattler aus Obersteinebach im Westerwald ein Messgerippe aus biegsamem Metall, um seine Sättel so anatomisch wie möglich zu bauen. Das neue Modell ist ein geschicktes Instrument, damit Pferden Sättel künftig nicht mehr so schwer im Kreuz liegen; den versierten Sattler ersetzt das Gerät aber nicht.
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Das Mess-System kurz erklärt
Der Topograph Pro ist aus speziellen Kunststoffgelenken gebaut und wiegt rund 1,7 Kilogramm. „Damit es richtig herum auf dem Rücken liegt, haben wir auf der einen Seite einen Pferdekopf, auf der anderen einen Schweif eingelasert“, sagt Rieser.
Der Topograph hat 98 Gelenke, die jeweils mit einer Zahlenskala versehen sind; da die Gelenke gezackt sind, können keine Zwischenwerte entstehen. Nur so bekommt der Anwender später exakte Daten über die Rückenform des Pferds. Dazu muss man die einzelnen Zahlen der 98 Gelenke ablesen und notieren. Die Daten werden dann in den Computer eingegeben.






Eine spezielle Internet-Plattform hat Rieser dafür eingerichtet. Zum Schluss erhält man eine dreidimensionale Grafik, welche die Werte sichtbar macht. Christoph Rieser erhofft sich durch seine Erfindung eine bessere Kommunikation, nicht nur zwischen Reitern und Sattler. „Auch der private Gebrauchtsattelmarkt soll einfacher werden, da durch den Topograph nun Werte zum Vergleich der Sättel vorhanden sind.“
Um diese Werte zu erhalten, muss das Pferd genau vermessen werden. Dazu möchte Christoph Rieser spezielle Pferderückenvermesser ausbilden und bietet Schulungstermine an. Um dieses neue Messgerät unabhängig von seinen Sätteln zu vertreiben, gründete er die Firma Equiscan (www.equiscan.de). Unterstützt wird er von seinem Neffen Andreas Rieser. Die Vermesser von Equiscan sollen nur die Werte mit dem Topograph ermitteln, sie sollen weder den Reiter beraten noch Sättel verkaufen. Der Pferdebesitzer erhält alle Daten, die er letztlich zum Sattelkauf benötigt, über die Online-Plattform. Dort bekommt der Reiter auch eine Liste mit Sattlern, die mit dem System arbeiten. Zu welchem der Pferdebesitzer anschließend geht, entscheidet er.
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Messung durch den Profi






Den Topograph Pro gibt es nicht zu kaufen. Rieser vermietet ihn für rund 200 Euro im Monat. Die Messung mit dem Topograph Pro ist kein Kinderspiel: Sie dauert etwa eine Stunde und kostet bei einem der Equiscan-Messer rund 120 Euro. Ergänzt wird sie durch eine Foto-Dokumentation aus neun verschiedenen Perspektiven – mit und ohne Messgerät. Ausgemessen werden zudem die Widerristhöhe und der Rumpfumfang des Pferds; auf dem Fell wird die die Lage des Schulterblattknorpels mit Kreide markiert.
Wichtig ist es, dass das Pferd beim Anpassen still, auf ebenem Boden und auf allen vier Beinen gleichmäßig steht. „Das wird im Sommer ein Problem sein, da die Pferde wegen der Fliegen nicht ruhig bleiben“, sagt Christoph Rieser. Dann ist ein zweiter Helfer nötig; zusätzlich fixiert ein Klebeband den Topograph auf dem Pferderücken.
Von den elf Querrippen wird die zweite auf die markierte Stelle des Schulterknorpels gelegt. Dann müssen die einzelnen Gelenke glattgestrichen werden, so dass sie bis zu den Enden auf dem Fell liegen. Danach werden die Gelenke der Längsrippe verriegelt, die über der Wirbelsäule des Pferds liegt.
Die Gelenke sperren Torx-Schrauben, die mit einem speziellen Schraubenzieher angezogen werden. Eine Viertel-Umdrehung reicht, um zwei Gelenke auf einmal zu verriegeln. „Ob es richtig verriegelt ist, erkennen Sie an der roten Markierung, die in den kleinen Fenstern an den Rippen auftaucht“, sagt Christoph Rieser.
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Wasserwaage zeigt optimale Lage






Wichtig fürs Vermessen ist zudem, dass sich der Hals des Pferds nicht bewegt. Sind die Gelenke noch nicht versteift, verfälscht das sonst die Werte. Mit festgeschraubten Gelenken bleibt die Krümmung erhalten. Sie ist ein genaues Abbild des Pferderückens. „Vor allem die Unterschiede zwischen rechter und linker Seite sind sehr gut zu erkennen“, sagt Christoph Rieser.
Zum Schluss wird an der Längsrippe per Magnet die Libelle befestigt, ein kleines Bauteil mit Wasserwaage. „Sie definiert die Lage des Rückens im Raum und dient der Orientierung. Dank der Wasserwaage erkennt man, ob das Pferd überbaut ist oder nicht“, sagt Erfinder Rieser.
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Ohne Sattel nutzt das Gerät nichts
Den verriegelten Topograph legt der Sattler nun von unten an den Sattel an. „Das Gerüst ist allerdings nicht eins zu eins mit dem Rücken des Pferds gleichzusetzen“, betont Rieser. „Das Gerät selbst ist 16 Millimeter hoch, das müssen Sie berücksichtigen.“ Außerdem ist die Oberfläche des Rückens nicht vollkommen mit der Sattel-Unterseite identisch, die das jeweilige Pferd später braucht. „Hier kommt es auf das Fachwissen des Sattlers an. Dieser bestimmt, wo der Sattel aufliegen darf und wo nicht“, erklärt Christoph Rieser.






Das blaue Gerüst eignete sich bisher für jedes Pferd. „Selbst wenn der Widerrist sehr hoch ist oder die Muskeln stark geschrumpft sind, misst der Topograph Pro exakt“, betont der Sattler.
Die Idee hinter dem Topograph ist genial: Jeder könnte profitieren – allen voran das Pferd. Sattler, Tierärzte, Physiotherapeuten, Osteopathen und auch Pferdebesitzer haben damit die Möglichkeit, die Passform des Sattels zu kontrol-lieren, Therapieerfolge zu ver-folgen und die Entwicklung des Rückens im Auge zu behalten.
Der Topograph entlarvt auch schlecht passende Sättel. „Kommt zum Beispiel bei den Messungen heraus, dass Sattel XY immer hohl liegt, erhoffen wir uns, dass die Produkte optimiert werden“, sagt Rieser. Die Daten, die der Topograph liefert, sind über die Online-Plattform archiviert und jederzeit abrufbar.
Selbst Forscher von Universitäten haben Christoph Rieser schon ihr Interesse signalisiert, ebenso einige Sattelhersteller und Fachhändler. Durch die Plattform im Internet kann Equiscan auch zwischen Kontinenten vermitteln.
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Der Topograph gibt digitale Daten aus
„Ein Händler oder Pferdebesitzer ermittelt mit dem Topograph in den USA die Werte eines Pferds, gibt sie auf der Plattform ein, und ein Sattler in Deutschland kann anhand der Daten einen Sattel bauen“. In den Staaten muss aber erneut ein Sattler her, der das Werk seines deutschen Kollegen vor Ort ans Pferd anpasst. „Das Gerät macht den Sattler auf keinen Fall überflüssig“, sagt Christoph Rieser. „Da man damit den Pferderücken nur im Stand ausmessen kann, muss unbedingt noch eine Beurteilung in Bewegung stattfinden.“
Wer nun für sein Pferd einen Sattel nach diesem System bauen lassen möchte, kann sich seinen Sattler zwar selbst aussuchen, dieser muss allerdings auch mit dem Topograph Pro arbeiten. Die eigentliche Passform des Sattels legt aber nicht die Firma Equiscan fest, sondern der Sattler vor Ort.






Sattelfirmen, die mit dem Topograph arbeiten, können laut Rieser die Rückenform verschiedener Pferde nachbauen und somit jedem ihrer Sattelmodelle ein Referenzpferd zuordnen – zum Beispiel für Pferde mit hohem Widerrist oder kurzem, breiten Kreuz.
Neben dem Topograph Pro bietet Christoph Rieser für Pferdebesitzer zusätzlich eine einfachere Variante an, den Topograph Basic. Diese Basis-Version ist aus Pappe und Kunststoff hergestellt. Die Gelenke lassen sich nicht versteifen. Er soll dem Reiter dazu dienen, vorhandene Werte zu vergleichen und Veränderungen des Pferderückens sichtbar zu machen.
„Mit dem Topograph Basic wissen Sie, wann es Zeit für einen neuen Sattel oder eine Änderung ist“, sagt Christoph Rieser. Ob das Gerät tatsächlich so simpel anzuwenden ist, wie Rieser behauptet? Die CAVALLO-Testredakteure John Patrick Mikisch und Kristina Glaser probierten die Variante des Topograph Pro vor Ort aus. Der Papp-Bruder des blauen Gerippes besteht aus 700 Einzelteilen. Auch seine Gelenke sind gerastert, per Laser geschnitten und beschriftet. Rund 300 Euro kostet das Modell.
Im Selbstversuch erinnert das Zusammenstecken der Pappteile beide Redakteure sofort an die 3D-Holzpuzzle-Basteleien mit Dinosauriermodellen. Die Steckverbindungen sind zwar ein wenig friemelig, halten aber auch nach mehrmaligem Auseinander- und Zusammenbauen. Knifflig ist jedoch erst einmal nicht das Gerät selbst, sondern die Anatomie des Pferds. Denn der Reiter muss den Schulterblattknorpel des Pferds finden und auf beiden Seiten markieren, um den Basic an der richtigen Stelle anzulegen. Dafür braucht man eventuell mehrere Versuche.
Auch für das Auflegen des Basic auf den Rücken benötigen die Tester durch die beweglichen Rippen mehr als einen Anlauf. Hier lautet der Tipp der beiden: „Klappen Sie zuerst alle Arme auf eine Seite. Dann lässt sich das Mittelteil des Basic am einfachsten auflegen.“ Doppelseitiges Klebeband verhindert, dass sich das Gerüst gleich wieder verschiebt, wenn sich das Pferd ein wenig bewegt.
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Mess-Gerät am Pferderücken ausrichten






Test-Redakteurin Kristina Glaser brauchte mit ihrer Körpergröße von 1,62 Metern selbst bei den kleinen Quarter Horses von Christoph Rieser einen Hocker. Sonst hatte sie die Gelenke nicht im Blick und kam mit dem Stift nicht auf Anhieb heran. Auch um die Libelle mit der Wasserwaage auszurichten, war der Hocker hilfreich. Redakteur John Patrick Mikisch, der knapp 1,90 Meter misst, hatte auch ohne Tritt den Überblick.
Anschließend klappen Sie die Querrippen beidseitig herunter und passen sie von vorne nach hinten mit den Gelenken an den Pferdekörper an. Danach justieren Sie noch einmal auf beiden Seiten des Pferds nach und markieren zuletzt mit einem Stift auf den Raster-Gelenken die Position.
Die Gelenke mit dem Stift zu markieren, ist sehr einfach. Wegen der Raster ist es egal, ob der Strich gerade ist oder krumm wie eine Banane. Auch sonst ist das Handling des Topograph Basic völlig unproblematisch. Nach der Messung werden die Werte in ein Datenblatt eingetragen und in die Plattform eingegeben. Das alles dauert etwa 15 bis 20 Minuten.
Fazit der Testredakteure: Ein einfach zu handhabendes Messgerät mit eingebautem Bastelspaßfaktor, das wichtige Informationen über den Pferderücken liefert. Ob sich der Topograph Pro für die Profis in der Praxis bewährt, hängt vor allem von einem Faktor ab: Werden die Sattler investieren?
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Experten-Meinungen zum Topograph Pro
Hans G. Hofmeister, Hofmeister Pferdesport:
Wir haben 2009 auf der Equitana ein Modell des Topograph Pro angeschaut und waren begeistert. Damit kann der Sattelfachmann nachweisen, dass der Sattel zum Zeitpunkt des Anpassens gepasst hat. Über die Jahre können Sie damit die Entwicklung der Pferde verfolgen und dokumentieren. Wie schnell hat sich ein Pferd einen Weidebauch angefuttert oder durch Krankheit Muskeln abgebaut. Das System ist für jede Art von Sattel sehr aussagekräftig, besonders wenn es sich um Sport- oder Spitzenpferde handelt. Insgesamt ist der Topograph eine hervorragende Entwicklung, von der nicht nur alle Fach-leute rund um den Sattel profitieren, sondern besonders auch die Pferde.






Hartmut Schenck, Way Out West:
Der Topograph soll die Kommunikation vereinfachen. Das setzt voraus, dass die Sattelhersteller ihn verwenden. Da bin ich etwas skeptisch, ob das gelingt. Wir interessieren uns dafür, weil die Thematik Sattelanpassung noch nicht zufriedenstellend gelöst ist. Der Topograph ist leicht zu verstehen und sicher ein gutes, zusätzliches Hilfsmittel. Nur müssen die Hersteller mitziehen. Durch die Vermietung gibt es eine ständige monatliche Belastung bis zum Sankt Nimmerleinstag. Eine einmalige Investition wäre besser und der Preis eher vergleichbar. Zumal in der Miete keine weiteren Dienstleistungen enthalten sind. Wie der Sattel in der Bewegung passt, weiß ich damit nicht. Ebenso wenig, wie der Kunde darin sitzt.
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