Kleine Schätzfrage am Anfang: Wie viele Sättel passen wohl ihren Pferden und Reitern? Erschreckend wenig, sagt Physiotherapeutin Katrin Obst: "Bei meinen vierbeinigen Patienten kontrolliere ich immer die Sättel. 70 bis 80 Prozent passen nicht."
Dringend nötig also, dass wir Reiter immer wieder genau hinschauen, ob unsere Sättel noch passen. Nur: Worauf sollten wir hier besonders achten? Physiotherapeutin Katrin Obst (www.katrinobst.de), die Biomechanik-Seminare für Sattler der Sattlerei Sommer (www.sattelmacher.com) und Sattel-Seminare für Reiter anbietet, hat für uns die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Kann der Sattel grundsätzlich zum Pferd passen?
Der Schwung des Sattelbaums sollte zum Schwung vom Pferderücken passen. "Das lässt sich für Reiter eher schlecht beurteilen. Da ist es gut, wenn der Sattler beim Vor-Ort-Termin die Sattelbäume blank dabei hat", sagt Katrin Obst.
Andere Punkte hingegen können Reiter vor dem Sattelneukauf gut recherchieren: Was lässt sich bei meinem Modell überhaupt ändern? Lässt sich beispielsweise das Kopfeisen einfach und flexibel enger oder weiter machen? Sind Sattelkissen und Füllung auswechselbar? "Formkissen sind beispielsweise nicht anpassbar", gibt Katrin Obst zu bedenken. Lassen sich auch die Strupfen anders setzen? Passt der Sattel überhaupt von der Länge, oder ragt er über die letzte Rippe hinaus? Und kann der Sattler den Sattel selbst überarbeiten, ohne ihn an den Hersteller ins Ausland zu schicken? "Je besser man einen Sattel anpassen kann, umso besser kann ich damit auf Veränderungen meines Pferds reagieren", sagt Katrin Obst. Und die gibt es beispielsweise schon, wenn das Pferd verletzungsbedingt mehrere Wochen nicht bewegt werden konnte – oder nur im Schritt auf Asphalt. "Schon dann bilden sich Muskeln zurück, was Einfluss auf den Sattel hat", so Katrin Obst. Sie rät dazu, den Sattel zweimal jährlich überprüfen zu lassen; bei krankheitsbedingten Ausfällen, Jungpferden oder einem Wechsel in der Fütterung – etwa zu mehr oder gehaltvollerem Heu – auch häufiger.
Bietet die Kammer genug Luft?
Katrin Obst begegnet in der Praxis oft Sätteln, die am Widerrist zu eng sind. "Druck wirkt sich hier jedoch nicht nur auf die Dornfortsätze, sondern auch auf das Nacken-Rücken-Band und einen Schleimbeutel aus, der im Bereich der Dornfortsätze vom 5. und 6. Brustwirbel liegt." Deshalb muss hier genug Luft sein. Vor allem auch in der Bewegung, sagt Katrin Obst. Heißt: checken, ob auch im Schritt, Trab und Galopp genug Luft am Widerrist ist. Das lässt sich feststellen, indem man eine Hand in die Sattelkammer schiebt – oder sich Unterstützung von einem Sattler holt, der über ein digitales Messsystem verfügt, das Druck(spitzen) sichtbar macht.
Bewegt sich das Pferd mit Sattel genauso wie ohne Sattel?
Passt der Sattel nicht, reagiert das Pferd mit Verspannungen – oft in der gesamten dorsalen Muskelkette (Muskelkette der Oberlinie). "Auffällig wird es, wenn sich ein Pferd nackig, also ohne Sattel, Longiergurt und Ausbinder ganz anders bewegt als mit Sattel oder unter dem Reiter", so Katrin Obst. Bei der Analyse können Videoaufnahmen helfen; und natürlich das eigene Reitergefühl. "Wenn der Sattel nicht passt, verlieren Pferde beispielsweise an Raumgriff und tippeln nur noch wie eine Nähmaschine. Ziehen sich die Verspannungen in den hinteren Rückenbereich, kann das Pferd sein Becken nicht mehr gut abkippen. Das könnte zu Problemen im Galopp führen", erklärt Katrin Obst.
Wer noch mehr über die Sättel-Beurteilung aus physiotherapeutischer Sicht wissen will: Katrin Obst spricht mit Redakteurin Barbara Böke im CAVALLO-Podcast ausführlich darüber. Hier abrufbar unter: www.cavallo.de/podcast
Mehr Wissen über Sattelbaum, Kopfeisen, Kissen oder Begurtung gibt es auch auf der Website der Sattlerei Sommer: www.sattelmacher.com/sattelbau
