- Problem 1: "Der Sattel setzt den Reiter zu weit nach hinten"
- Problem 2: "Der Sattel ist zu lang"
- Problem 3: "Der Sattel liegt nicht gut auf dem Pferderücken auf"
- Problem 4: "Der Sattel ist im Widerrist- und Schulterbereich zu eng"
- Problem 5: "Mit den Kissen stimmt etwas nicht"
- Problem 6: "Der Sattel liegt schief auf"
- Streitpunkt: Große Auflagefläche
- Die Expertinnen
Problem 1: "Der Sattel setzt den Reiter zu weit nach hinten"
Das Problem: Ein Thema, das Beatrix Schulte Wien sehr häufig begegnet: Der Schwerpunkt des Sattels liegt zu weit hinten. Dadurch landet das Reitergewicht nicht an der richtigen Stelle.
Diagnose im Stand: Den Schwerpunkt Ihres Sattels können Sie mit einem kleinen Ball oder einem runden Stift ermitteln. Der Sattel liegt auf dem Pferderücken, das Pferd steht gerade auf allen vier Beinen. Legen Sie nun den rollenden Gegenstand auf den Sattel, wird er an dessen Schwerpunkt zum Liegen kommen. Auf die gleiche Weise ermitteln Sie den Schwerpunkt des Pferderückens. Der Schwerpunkt von Sattel und Pferderücken sollte identisch sein.
Anatomischer Hintergrund: Der Körperschwerpunkt eines Pferds im Stand liegt auf Höhe des zwölften Zwischenrippenbereichs. Geht man von dort aus gerade nach oben, erreicht man den Bereich zwischen 14. und 16. Brustwirbel. An dieser Stelle wechseln die Dornfortsätze ihre Richtung: Vor diesem Bereich weisen sie Richtung Schweif, dahinter Richtung Pferdekopf. Dazwischen zeigt der 15. Dornfortsatz gerade nach oben. Der Reiter sollte an bzw. vor diesem Wirbel sitzen, da das Pferd zusätzliches Gewicht im Bereich davor besser tragen kann. Dass Pferde hohe Druckbelastungen im vorderen Drittel des Sattels am besten tolerieren und im hinteren Drittel besonders empfindlich sind, konnte eine Studie an der Universität Zürich im Jahr 2005 belegen. Ein zu weit hinten liegender Sattelschwerpunkt beeinträchtigt das Pferd daher stark.
Auswirkungen auf den Reitersitz: Ob Ihr Sattel Sie zu weit nach hinten setzt, spüren Sie beim Reiten. Überlegen Sie, wo Sie beim Reiten ohne Sattel sitzen. Dabei werden Sie automatisch an die tiefste Stelle des Pferderückens, die nah hinter dem Widerrist liegt, gesetzt. Ist Ihre Sitzposition mit Sattel ganz anders, ist das ein Hinweis auf einen falschen Schwerpunkt.

Haben Sie Probleme, Ihren Sitz zu finden und müssen sich aktiv immer wieder nach vorne setzen? Das Sattelblatt fühlt sich zu weit von Ihrem Knie entfernt an? Auch das sind Hinweise auf einen Schwerpunkt, der zu weit hinten liegt. Dicke Pauschen können jedoch darüber hinwegtäuschen.

Fühlen Sie auch bewusst nach, ob Sie korrekt auf Ihren Sitzbeinhöckern sitzen. Fällt Ihr Oberschenkel gerade nach unten, wenn Sie das Bein lockerlassen? Dann stimmt der Schwerpunkt. Fällt er dagegen nach vorne, landen Sie durch einen zu weit hinten liegenden Sattelschwerpunkt im Stuhlsitz. Fallen Ihre Oberschenkel nach hinten, bringt Sie der Sattel in den Spaltsitz – das ist bei modernen Sätteln aber selten.

Auswirkungen aufs Pferd: Im Stuhlsitz ist Ihre Wirbelsäule weniger mobil und kann weniger schwingen. Dadurch wird auch die Schulter fest und so die Hand unruhig. Das Pferd hat Probleme, eine weiche Anlehnung zu finden und schlägt mitunter mit dem Kopf. Weil durch den falschen Schwerpunkt zu viel Gewicht auf den hinteren Bereich des Rückens kommt, tritt das Pferd schlechter unter und kann sich weniger auf die Hinterhand setzen. Losgelassenheit und Schwung leiden.


Lösungen:
• Die schlechte Nachricht: Ist ein falscher Sattelschwerpunkt einmal verbaut, lässt er sich nicht mehr korrigieren. Wichtig ist deshalb die Anpassung das Sattelbaums an den Schwerpunkt des Pferds von Anfang an. Beatrix Schulte Wien ist Verfechterin des Holz-Stahlfeder-Baums, bei dem ein Holzrahmen mit Gurten längs und quer bespannt wird. "Durch die Bespannung kann der Sattler den Sitzschwerpunkt ganz genau bestimmen", erklärt sie. Diese individuelle Anpassung ist bei einem Maßkonfektionssattel möglich. Dabei werden Bauteile "von der Stange" individuell fürs Pferd ausgewählt und angepasst. Korrekturpads oder im hinteren Bereich stärker aufgepolsterte Kissen sind keine Dauerlösung und daher bei einem falsch verbautem Schwerpunkt nicht sinnvoll. Beide Maßnahmen bergen die Gefahr, dass das Kopfeisen nach hinten rotiert und drückt; aufgepolsterte Kissen sinken zudem mit der Zeit durch den falschen Schwerpunkt wieder in sich zusammen.
• Setzt der Sattel den Reiter zu weit nach hinten, kann aber auch eine zu enge Kammer schuld sein. Dann sitzt der Sattel vorne im Schulter- und Widerristbereich zu hoch und kippt zwangsläufig nach hinten. Lassen Sie die Kammerweite prüfen, denn sie ist meist veränderbar. In diesem Fall wird das Pferd auch weniger Raumgriff der Vorderbeine zeigen.
• Manchmal ist auch der Pferderücken für den falschen Schwerpunkt verantwortlich, etwa wenn der Rücken durchhängt und nach hinten absinkt. Dann liegt jeder Sattel hecklastig. Oft sollte das Pferd zunächst vom Boden aus auftrainiert werden. Kann das Pferd den Rücken auf einen Reiz an der Bauchmuskulatur jedoch aufwölben und hat keine Schmerzen (mit dem Pferdeosteopathen oder -Physiotherapeuten abklären), kann in solchen Fällen ein Korrekturpad mit Einlagen im hinteren Bereich helfen. Verbessert sich die Sattellage im Laufe der Zeit, können die Einlagen Schicht für Schicht entfernt werden. Achtung: Auch hier darf das Kopfeisen dabei nicht nach hinten rotieren, also Richtung Schweif zeigen – sonst entsteht Druck hinter der Schulter.
Problem 2: "Der Sattel ist zu lang"
Das Problem: Ragt der Sattel über den 18. Brustwirbel hinaus, ist er zu lang und liegt im Bereich der Lendenwirbelsäule auf. Ein Teil des Reitergewichts verlagert sich dorthin.
Diagnose im Stand: Den 18., also letzten Brustwirbel, finden Sie so: Fahren Sie von der Flanke aus im Schrägverlauf nach vorne-oben, bis Sie einen knöchernen Widerstand spüren. Das ist die letzte Rippe.

An ihr entlang tasten Sie sich nach oben zum 18. Brustwirbel und markieren ihn mit einem Kreidestrich. Beim englischen Sattel sollte die Auflagefläche der Sattelkissen hier enden.

Bei Trachtensätteln kann es sein, dass sie über diesen Punkt hinausragen. Sie dürfen hier aber keinen Druck erzeugen, sondern sollten durch ihren Schwung nach oben aus dem Rücken herausführen und im Lendenwirbelsäulenbereich schweben. Skirts beim Westernsattel dürfen ebenfalls keinen Druck ausüben. Sind sie unnötig lang, können sie das Pferd zudem in der Biegung einschränken.
Anatomischer Hintergrund: Der Lendenwirbelsäule, die hinter dem 18. Brustwirbel beginnt, fehlt die knöcherne Unterstützung durch die Rippen, daher kann sie keine Tragefunktion übernehmen. Erzeugt der Sattel dort Druck, entstehen Schmerzen und Verspannungen in der Muskulatur.
Auswirkungen auf den Reitersitz: Ein zu langer Sattel setzt den Reiter häufig auch im Schwerpunkt zu weit nach hinten und in den Stuhlsitz.

Wählt der Reiter dagegen einen für ihn zu kleinen Sattel, weil das Pferd Auswirkungen aufs Pferd: einen kurzen Rücken hat, hat auch das negative Folgen.

Bleibt zwischen Vorderzwiesel und Schambein des Reiters und Hinterzwiesel und seinem Gesäß nicht ausreichend Platz, kann er mit dem Becken schlechter mitschwingen und behindert das Pferd. Füllt der Reiter den gesamten Sitz bis zum Sattelkranz aus, verlagert sich zudem sein Gewicht zu stark nach hinten. Fazit: Pferd und Reiter müssen zusammenpassen.
Auswirkungen aufs Pferd: Das Pferd wird schlechter mit dem Hinterbein untertreten, sich nicht setzen wollen und den Rücken schlecht aufwölben können. Auch Schweifschlagen und häufiges Umspringen im Galopp sind Zeichen für Unwohlsein. Ob das Pferd Schwierigkeiten hat, seinen Rücken aufzuwölben, können Sie mit einem Griff testen: Geben Sie mit beiden Händen an der Bauchnaht einen Impuls nach oben.

Bewegt das Pferd den Rücken nicht nach oben, hat es Probleme und ist im Moment nicht bereit zum Reiten. Fragen Sie einen Pferdepyhsio- oder -Osteotherapeuten um Rat und lassen den Sattel prüfen.
Lösungen:
• Ein zu langer Sattel lässt sich nicht kürzen. Gegebenenfalls kann der Sattler die Kissen so anpassen, dass sie hinten stärker nach oben geschwungen sind und frühzeitig aus dem Pferderücken herausführen.
• Auch weniger Pausche kann unter Umständen helfen, das Reitergewicht vom Sattelende weg zu verlagern. Bei der Sattelanfertigung für große Reiter hilft ein Vorschnitt im Sattelblatt, den Reiter richtig zu positionieren.
• Ein flacher Sattelbaum bietet dem Reiter mehr Platz und Bewegungsfreiheit als ein Tiefsitzer mit hinten stark hochgezogenem Sattelkranz. Reicht das immer noch nicht, ist das Pferd schlicht zu klein für den Reiter.
Problem 3: "Der Sattel liegt nicht gut auf dem Pferderücken auf"
Das Problem: Passt der Schwung des Sattelbaums nicht zum Pferd, kann der Sattel in seiner Längsachse nicht richtig aufliegen. Dann entstehen Druckspitzen, die das Pferd verspannen lassen.
Diagnose im Stand: Streichen Sie mit der flachen Hand von vorne nach hinten unter der Auflagefläche des Sattels entlang – erst auf der einen, dann auf der anderen Seite. Er sollte in seiner gesamten Länge gleichmäßig auf dem Pferderücken aufliegen. Fühlen Sie in der Mitte einen Hohlraum (Brückenbildung), hat der Sattel zu wenig Schwung für den Pferderücken. Fassen Sie den Sattel außerdem mit einer Hand vorne an der Kammer und mit der anderen hinten am Kranz und prüfen, ob er nach vorne und hinten schaukelt. Tut er das, ist er zu stark geschwungen.
Anatomischer Hintergrund: Die Oberlinie des Pferds kann man sich wie einen Bogen vorstellen. Die Bauchmuskeln sind die Sehne des Bogens. Je gespannter also die Bauchmuskeln, desto aufgewölbter der Rücken. Durch gutes Training kann sich der Rücken heben. Altersbedingte Degeneration im Bereich der Bänder und Bandscheiben kann den Rücken absinken lassen.
Auswirkungen aufs Pferd: Hat der Sattel zu wenig Schwung, gibt es im vorderen und hinteren Bereich der Sattellage Druckspitzen, während der Sattel in der Mitte nicht aufliegt. Die Folgen sind ähnlich wie bei einem Sattel mit zu weit hinten liegendem Schwerpunkt und zu enger Kammer: Das Pferd kann schlecht untertreten und den Rücken aufwölben, zeigt wenig Raumgriff mit den Vorderbeinen. Losgelassenheit und Schwung gehen verloren. Ist der Sattel zu stark geschwungen, kann die unruhige, schaukelnde Lage ebenfalls zu mangelnder Losgelassenheit führen.

Lösungen:
• Mitunter ist ein stark geschwungener Rücken des Pferds der Grund für einen hohl liegenden Sattel. Hier sollten Sie prüfen, ob sich der Rücken durch Schmerzen oder Trainingsfehler gesenkt hat. Arbeiten Sie das Pferd vom Boden aus, um Muskulatur aufzubauen und die Rückenform zu verbessern. Auch die Körperhaltung des Pferds unter dem Sattel beeinflusst die Rückenform. Spannt das Pferd die Bauchmuskulatur an, senkt den Kopf und tritt mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt, so hebt sich der Pferderücken. Beginnen Sie, das Pferd wieder unter dem Sattel zu arbeiten, ist Reiten in Dehnungshaltung daher ideal.
• Achtung: Erst wenn das Pferd im Rücken nicht mehr schmerzempfindlich reagiert und auf einen Impuls an der Bauchmuskulatur seinen Rücken aufwölben kann, kann ein Sattel angepasst werden. Ein Sattelbaum sollte nur dann an einen Senkrücken oder stark geschwungenen Rücken angepasst werden, wenn dieser angeboren oder altersbedingt ist und sich durch Training kaum verändert.
• Der Sattelbaum für Pferde mit geschwungenem Rücken darf nicht zu lang sein und muss im hinteren Bereich aus dem Pferderücken herausführen. Die Sattelkissen sollten in ihrem Verlauf genügend geschwungen sowie genügend hoch und weich gepolstert sein.
• Ist der Sattel hingegen zu stark geschwungen und schaukelt, sind eventuell die Kissen zu prall gefüllt. Und: Naturwollkissen passen sich dem Pferderücken besser an als Kunststofffüllungen – eine neue Polsterung kann daher sinnvoll sein.

Problem 4: "Der Sattel ist im Widerrist- und Schulterbereich zu eng"
Das Problem: Ist das Kopfeisen des Sattels zu eng, engt der Sattel die Schultern ein und der Schwerpunkt wird nach hinten verlagert, weil der Sattel vorne höher und somit "bergab" liegt.
Diagnose im Stand: Die Weite des Sattelbaums im Schulterbereich muss zur Rumpfform des Pferds passen. Beim angegurteten Sattel sollte Ihre Hand unter dem vorderen Teil des Kissens vom Widerrist bis zur Schulter durchgleiten. Klemmen Sie sich dabei die Finger, ist der Sattel zu eng. Zwischen Sattelkammer und Widerrist sollten zwei bis drei Finger Platz haben, seitlich neben dem Widerrist ein bis zwei Finger.
Anatomischer Hintergrund: Ist der Sattel im Widerrist und/oder Schulterbereich zu eng, liegt er vorne zu hoch und hinten "bergab". Der Schwerpunkt verlagert sich dadurch nach hinten. Der Sattel drückt also vorne, aber auch hinten auf die Lendenwirbelsäule. Durch den erhöhten Druck im Widerristbereich entstehen Verspannungen und Beeinträchtigungen der Muskulatur. Typisch sind "Löcher" hinter dem Widerrist – Atrophien des Trapezmuskels und der darunter liegenden Muskeln.
Auswirkungen auf den Reitersitz: Der nach hinten verlagerte Schwerpunkt bringt den Reiter in den Stuhlsitz, was den Druck auf den hinteren Rückenbereich erhöht. Der Reiter kann schlechter mitschwingen und schränkt die Bewegungsfreiheit des Pferds dadurch noch weiter ein.
Auswirkungen aufs Pferd: Das Pferd wird sich in der Vorhand sehr gebunden bewegen und wenig Raumgriff zeigen. Das Schulterblatt stößt am Sattel an und kann sich daher nicht frei bewegen. Oft stolpern die Pferde häufiger, zeigen Taktfehler oder gehen sogar lahm. Zum Test, ob Ihr Pferd im Widerristbereich Probleme hat, setzten Sie Ihre Finger links und rechts des Widerrists auf und fahren mit Druck die Rückenlinie entlang. Ist der Sattel vorne zu eng oder drückt, wird das Pferd bereits bei wenig Druck den Rücken wegdrücken oder Unbehagen zeigen.

Lösungen:
• Verfügt der Sattel über ein Kopfeisen, ist dessen Weite anpassbar und sollte vom Sattler entsprechend weiter eingestellt werden. Auch die Form muss zum Pferd passen. Für breite Pferde gibt es inzwischen neben klassischen, eher v-förmigen auch Kopfeisen, die eher eine U-Form aufweisen. Die Schenkel der Kopfeisen sollten senkrecht zum Boden weisen und nicht nach vorne oder hinten.
• Bei einem hohen, schmalen Widerrist ist ein individuell angepasster Baum besonders wichtig. Oft wird sonst ein Sattel ausgesucht, der zwar nach oben genug Platz bietet, aber seitlich zu eng ist und für Muskelatrophien sorgt. Kommt der Sattel von oben zu nah an den Widerrist, kann es helfen, ein Fell unterzulegen, um den Sattel mehr vom Rücken wegzubekommen.
• Drückt der Sattel von oben auf den Widerrist, kann es auch sein, dass das Kopfeisen zu weit ist und der Sattel daher nach vorne fällt. Die Vorhand wird stärker mit Gewicht belastet. Das Kopfeisen sollte angepasst werden. Ist der Sattel im Schulter- und Widerristbereich nur etwas zu weit, passt aber sonst, kann ein untergelegtes Pad Abhilfe schaffen.
• Drückt der Sattel im Schulterbereich, lohnt es sich außerdem, die Gurtung prüfen zu lassen. Ist eine sogenannte Kopfeisenstrupfe oder Vorgurtstrupfe angebracht? Hier ist die vordere Gurtstrupfe nicht unterm Sattelschwerpunkt, sondern direkt am Kopfeisen befestigt. Beim Angurten wird der Sattel dadurch fest auf die Schulter gezurrt, der Druck steigt. Diese Kopfeisenstrupfe soll häufig verhindern, dass der Sattel vorrutscht, ist aber kontraproduktiv. Sie sollte auf keinen Fall fest angezogen werden. Meist lässt sich die Begurtung eines Sattels ändern.

Problem 5: "Mit den Kissen stimmt etwas nicht"
Das Problem: Passen Taillierung des Sattelbaums und Kissenwinkelung nicht zum Pferd, drücken oder stören die Kissen. Außerdem müssen sie genug Platz für die Wirbelsäule bieten.
Diagnose im Stand: Die Taille des Sattels ist die schmalste Stelle des Sattelbaums und liegt auf Höhe der Sitzfläche. Wie schmal sie ist, bestimmt der Sattelbaum – beim englischen Sattel mit Holz-Stahlfederbaum der Holzrahmen und seine Bespannung. Wichtig: Entscheidend für die richtige Breite ist nur das Pferd, nicht der Reiter. Er muss sich anpassen.
Da der Baum von außen nicht mehr sichtbar ist, schauen Sie auf die Kissen. Ist die Taillierung zu eng, ist oft auch die Kissenwinkelung zu steil. Ist die Kissenwinkelung zu flach oder der Kissenkanal zu breit, ist die Taillierung zu weit.

Der Sattel muss der Wirbelsäule genügend Raum lassen. Der Abstand der Kissen sollte beim englischen Sattel daher je nach Pferd sechs bis zehn Zentimeter betragen.
Anatomischer Hintergrund: Die Kissen sollten auf der kompletten Breite des langen Rückenmuskels aufliegen. Er verläuft rechts und links neben den Dorn- und Querfortsätzen der Wirbelsäule und erstreckt sich vom Becken bis zum Pferdekopf. Im Lendenbereich ist er von der großen Rückenfaszie bedeckt, die ihrerseits wieder mit wichtigen Rumpftrage- und Schultermuskeln verschmilzt. Legen Sie links und rechts der Dornfortsätze in der Sattellage je eine Hand auf, entspricht das in etwa der Breite des langen Rückenmuskels.
Zu schmale Sattelkissen drücken schmerzhaft in den Rückenmuskel hinein, zu breite Sattelkissen üben zu viel Zug auf die korrespondierenden Muskeln und Faszien aus. Sie können auch die Ansatzsehnen eines an den langen Rückenmuskel angrenzenden Atemhilfsmuskels irritieren. Ein zu breites Kissen behindert also die Atmung, aber auch die seitliche Biegung des Pferds.
Auch die Winkelung von Sattelbaum und Kissen muss zur Rippenwölbung des Pferds passen. Ist die Winkelung zu steil, drücken die Außenkanten von Baum bzw. Kissen in den Pferderücken; ist sie zu flach, drücken die Innenkanten.
Auswirkungen aufs Pferd: Bietet der Sattel der Wirbelsäule nicht genügend Raum, kann das Pferd den Rücken schlechter aufwölben. Auch die Möglichkeit, sich seitlich zu biegen, kann dann eingeschränkt sein. Drückt der Sattel aufgrund einer falschen Winkelung in die Muskulatur, wird das Pferd den Rücken wegdrücken. Behindert er die Atmung, kann das Pferd weniger Leistung zeigen und verspannt sich.
Lösungen:
• Ist die Auflagefläche der Kissen zu schmal, kann es helfen, sie weniger prall und mit Naturwolle polstern zu lassen. So entsteht eine breitere Auflagefläche und die Kissen drücken nicht mehr in die Muskulatur. Das funktioniert jedoch nur, wenn der Sattelbaum nicht grundsätzlich viel zu schmal für das Pferd ist.

• Auch die Winkelung der Kissen kann durch die Polsterung bis zu einem gewissen Grad beeinflusst werden, wird aber in erster Linie durch den darunter liegenden Sattelbaum bestimmt. Anpassungen sind begrenzt möglich.

Problem 6: "Der Sattel liegt schief auf"
Das Problem: Pferde haben durch ihre natürliche Schiefe eine hohle Seite, zu der sie sich gut biegen können, und eine Seite, zu der sie sich nicht gut biegen können (Zwangsseite). Ist das Pferd rechts hohl, wird die linke Schulter mehr belastet, weil sie die Körperlast abfängt und umgekehrt. Ist die Schiefe sehr ausgeprägt, kann das zu einer körperlichen Asymmetrie führen. Die Muskulatur an der stärker belasteten Schulter, also die auf der Zwangsseite, ist dann ausgeprägter.

Diagnose im Stand: Betrachtet man das Pferd von hinten von einem Hocker aus, kann man die Symmetrie der Schultermuskulatur sehen.
Auswirkungen auf den Reitersitz: Bei einer ausgeprägten Asymmetrie merkt der Reiter, dass er zu einer Seite gesetzt wird. Der Sattel "stoppt" dann nämlich an der stärkeren Schulter der Zwangsseite, gleitet aber an der flacheren weiter nach vorne. Dadurch wird der Reiter auf der Zwangsseite gegen die Wirbelsäule gesetzt und rutscht also in Richtung der hohlen Seite des Pferds.
Auswirkungen aufs Pferd: Lastet mehr Reitergewicht auf der ohnehin weniger bemuskelten Schulter, verstärkt sich das Problem noch. Die schwächere Schulter auf der hohlen Seite kann durch den Druck keine Muskulatur aufbauen.
Lösungen:
• Ob ein asymmetrisches Pferd geritten werden kann, hängt davon ab, welche Einschränkungen es zeigt. Lassen Sie das Pferd von einem Physiotherapeuten oder Osteopathen checken. Ist die Beweglichkeit von Rücken und Schultern deutlich eingeschränkt, darf es nicht geritten werden. Das Pferd sollte behandelt und vom Boden aus gearbeitet werden. Erst wenn das Pferd wieder normal beweglich ist, können Sie wieder aufsitzen.
• Wichtig dabei: Ausgeprägt schiefe Pferde sollten nur von erfahrenen Reitern geritten werden. Der Reiter muss trotz der Schiefe einen korrekten Sitz einnehmen und das Pferd geraderichtend arbeiten können. Er sollte gezielte Biegearbeit fokussieren, bei der das Pferd lernt, seine hohle Seite zu dehnen.
• Bei einem schiefen Pferd sollte sich immer auch der Reiter auf eine Schiefe untersuchen lassen. Wenn er ebenfalls schief ist, sollte er sich manual- bzw. physiotherapeutisch behandeln lassen und durch ausgleichendes Training an seiner Schiefe arbeiten. Sonst verstärken Reiter und Pferd ihre Schiefe unter Umständen gegenseitig.
• Um den Sattel besser aufliegen zu lassen, bis das Pferd mehr Muskeln auf der schwachen Seite entwickelt hat, kann ein Korrekturpad mit Inlays helfen. Ist die Asymmetrie im Schulterbereich nicht zu stark ausgeprägt, reicht oft ein Inlay in hinteren Einlagefach auf der Seite der schwächer entwickelten Schulter. Dadurch fällt es dem Reiter leichter, ausbalanciert zu sitzen. Er wird weniger zur Seite gesetzt und kann das Pferd besser geraderichten. Bei stärker ausgeprägten Asymmetrien sollte in alle Einlagefächer ein Inlay, außer dem vorderen auf der stärker bemuskelten Seite. Ein zusätzliches Inlay kommt in das hintere Einlagefach auf der Seite der schwächer entwickelten Schulter. Lassen Sie sich für die Verwendung von Korrekturpads und deren Dauer von einem Pferdepyhsiotherapeuten oder -Osteopathen beraten.
• Achtung: Eine Asymmetrie darf nicht durch ein ungleich geformtes Kopfeisen oder ungleich befüllte Sattelkissen ausgeglichen werden. So hat das Pferd keine Chance, die Asymmetrie zu verlieren.
• Vor allem Kunststoffsattelbäume können sich durch die Schiefe des Reiters oder des Pferds verziehen. Tipp: Sattel von unten anschauen und checken, ob die Kissen gerade und symmetrisch verlaufen bzw. ob der Kissenkanal gerade ist.

Streitpunkt: Große Auflagefläche
Große Auflagefläche = gute Druckverteilung = schonend für den Pferderücken? Diese Gleichung wird oft gemacht. Beatrix Schulte Wien weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass gute Druckverteilung nicht heiße, dass sich der Druck unter dem Reiter gleichmäßig über die ganze Sattellage verteilt: "Gemäß der Satteldruckmessungen, die seit über 20 Jahren am renommierten Tierspital Zürich durchgeführt werden, befindet sich die größte Drucktoleranz der Pferds im vorderen Drittel der Sattellage. Sie nimmt im mittleren Drittel ab und ist am geringsten im hinteren Drittel des Sattels." So waren auch die zwischen 1890 und 1945 in ganz Deutschland genutzten Militärsättel konstruiert: Der Sitzschwerpunkt für den Reiter lag bei diesen Sätteln weit vorne, und die Trachten waren leicht nach oben geschwungen, trugen also kaum Gewicht. Die Sättel hatten eine gute Passform. Für sehr kurze Pferde und Pferde mit Tendenz zum Senkrücken waren sie aber weniger geeignet.

Doch ist die Kritik an modernen Sportsätteln, die einige Sattelexperten üben, berechtigt? Sind sie hochspezialisierte "Stöckelschuhe", die für Geländereiter nicht taugen? Tatsächlich blickt auch Pia Ernst, Sattelexpertin und Dozentin am DIPO, kritisch auf die mittels Maschine prall gefüllten Sattelkissen vieler Sättel auf dem Markt. "Je gefüllter das Kissen, desto geringer ist die Auflagefläche – dann kann punktueller Druck entstehen." Manche Kissen hüpften dabei fast wie ein Flummi auf dem Pferderücken – ganz anders als von Hand schichtweise gefüllte Kissen, die weich und satt aufliegen.
Apropos Kissen: Ein Dorn im Auge sind Beatrix Schulte Wien Keilkissen, die anders als sogenannte Bananenkissen keinen Schwung nach oben aufweisen und den Sattel so häufig verlängern. "Sie drücken oft hinten in den Lendenbereich und tun dem Pferderücken also gerade mit ihrer großen Auflagefläche nichts Gutes." Auch zur Seite hin zu breite Kissen behindern das Pferd, etwa beim Atmen.
Und muss der Sattel wirklich streng am 18. Brustwirbel enden? Das unterscheidet sich je nach Modell. Die reine Auflagefläche darf etwas länger sein, etwa bei Western- oder Trachtensätteln. "Doch der Bereich, der das Gewicht des Reiters trägt, muss tatsächlich vor der letzten Rippe enden", so Beatrix Schulte Wien.
Die Expertinnen

Beatrix Schulte Wien ist Physiotherapeutin und Osteopathin für Menschen und Pferde und gründete 1997 das Deutsche Institut für Pferdeosteopathie (DIPO) in Dülmen. Dort bietet sie auch Weiterbildungen zum Thema Sattel, Pferd und Reiter an.

Pia Ernst ist Humanphysiotherapeutin und bildete sich am DIPO zur Pferdeosteopathin und Zertifizierten Sattelexpertin weiter. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Beurteilung und Anpassung von Sätteln.

Pferd – Sattel – Reiter Herausgegeben von Beatrix Schulte Wien und Elke Kurz. Das Buch bietet von der Sattelkunde über anatomische Zusammenhänge umfangreiches Wissen – für Fachleute und alle, die tief einsteigen wollen. 256 Seiten, 79,99 Euro, Thieme Verlag, ISBN 978-3-13-243914-6