Eine Frage, drei Experten
Was bringt eine Fressbremse?

Immer mehr Pferde kommen mit "Korb" auf die Koppel, damit sie weniger Gras futtern. Eine umstrittene Lösung – auch unter Experten.

Pferd auf der Weide mit einer Fressbremse
Foto: Lisa Rädlein

Das sagt die Verhaltensforscherin zur Fressbremse für Pferde

Generell führen nicht ausreichende Fresszeiten bei Pferden zu Frust. Das natürliche Fressverhalten eines Pferds ist es, mit der Nase auf dem Boden zu grasen und sich dabei langsam fortzubewegen. Alles andere ist ein gut abzuwägender Kompromiss.

Geht es um die Gewichtsreduktion, kann man dies im Stall gut regeln, indem der Kaloriengehalt reduziert wird und man zum Beispiel dem Heu Stroh zugibt. Wird dem Pferd die Futteraufnahme durch eine Fressbremse erschwert, reagieren manche Pferde, ähnlich wie der Mensch, mit schlechter Laune oder aggressivem Verhalten. Futter dient auch Pferden zum Stressabbau.

Am natürlichsten für Pferde ist Heu ad libitum. Aber hier muss man natürlich differenzieren. Wenn ein Haflinger sein Futter inhaliert, dann drohen gesundheitliche Probleme wie zum Beispiel Hufrehe. Tendenziell ist es auf jeden Fall besser, Pferde, bei denen eine Beschränkung der Futteraufnahme nötig ist, mit einer Fressbremse rauszulassen, als sie zu isolieren. Wenn sie eine Fressbremse tragen, sollte diese dann aber auch regelmäßig aufgesetzt werden und Raufutter in angepasster Menge und mit geringem Zuckergehalt gefüttert werden.

Dass Pferde mit einer Fressbremse in ihrer Mimik eingeschränkt sind, ist meines Wissens bislang in keiner Studie bestätigt worden. Das Sozialverhalten ist allerdings eingeschränkt. Die Pferde können nicht mehr beißen, um sich zu verteidigen. Das Verletzungsrisiko durch Tritte steigt. Und ranghöhere Tiere bekommen vermutlich Probleme, ihre Stellung in der Herde zu verteidigen.

Fressbremse
Lisa Rädlein
Prof. Dr. Konstanze Krüger, Expertin für Pferdehaltung an der badenwürttembergischen Hochschuie für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen – Geislingen (HFWU)

Prof. Dr. Konstanze Krüger, Expertin für Pferdehaltung an der baden-württembergischen Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen – Geislingen (HFWU)

Das sagt die Ernährungsexpertin über die Fressbremse

Aus meiner Praxiserfahrung ist eine Fressbremse niemals das alleinige Mittel der Wahl, sondern lediglich eine Ergänzung bzw. ein Kompromiss. Die erste Wahl wäre auf jeden Fall, für ausreichend Bewegung zu sorgen und Fütterung und Haltung zu optimieren. Eine mögliche Alternative zur Weidehaltung kann unter Umständen auch eine ganztägige Haltung auf einem Sandpaddock sein.

Nicht für alle Pferde ist stundenlanges Weiden sinnvoll. Darüber sollte man sich auf jeden Fall Gedanken machen. Wenn ein Pferd abspecken muss, sind zwei bis drei Stunden durchaus möglich – wenn dies mit einer angepassten Haltung und Fütterung kombiniert und die Heu- bzw. Strohmenge reduziert wird. Eine Fressbremse ist auf jeden Fall nur ein ergänzendes Tool. Das Pferd mit einer Fressbremse auf die Weide zu stellen und die Futtermenge im Stall nicht zu reduzieren, wäre weder fair noch zielführend.

Etliche Pferde passen ihr Fressverhalten allerdings auch den verkürzten Weidezeiten an und fressen dann nonstop. Wichtig, wenn es keine Alternative zur Fressbremse gibt: Die Passform muss stimmen. Sprich, sie muss zur Kopfform und zum Verhalten des Pferds passen. Pferdebesitzer sollten sich allerdings auch kritisch die Frage stellen, ob es für das Pferd wirklich "dramatisch" ist, wenn es nicht auf die Weide kommt. Oftmals ist es ja auch eher das schlechte Gewissen des Pferdebesitzers, der sein Pferd gerne "idyllisch" auf der Wiese sehen möchte. Für etliche Pferde ist es weniger stressig, wenn sie gar keinen Weidegang haben und mit einer festen Gruppe eben auf dem Sandpaddock stehen, als wenn sie nur temporär auf die Weide dürfen.

Fressbremse
Lisa Rädlein
Dr. Anne Mösseler, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik im niedersächsischen Burgdorf

Dr. Anne Mösseler, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik im niedersächsischen Burgdorf

Das sagt die Pferdezahnärztin

Bei Pferden, die regelmäßig mit Fressbremse fressen, sieht man sehr oft Schleifspuren an den mittleren beiden Schneidezähnen des Oberkiefers. Sie betreffen allerdings nur die oberste Zahnschicht und beeinträchtigen daher nicht die Gesundheit des Zahns. Eine Fehlstellung der Schneidezähne, resultierend aus der Fressbremse, ist mir bisher noch nicht untergekommen.

Inwieweit der natürliche Kauprozess durch eine Fressbremse eingeschränkt werden kann, darüber ist mir keine Untersuchung bekannt. Auch ein fehlerhafter Abrieb der Backenzähne ist mir bei meiner praktischen Arbeit noch nicht aufgefallen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Fressbremse weit genug verschnallt ist und das Pferd das Maul gut aufmachen kann. Meiner Ansicht nach können Pferde eine Fressbremse täglich mehrere Stunden tragen. Vorausgesetzt, mögliche Scheuerstellen werden beim Abnehmen und Aufsetzen kontrolliert.

Bei Pferden, die an EOTRH (die Equine Odontoclastic Tooth Resorption Hypercementosis ist eine sehr schmerzhafte und unheilbare Erkrankung der Pferdezähne) leiden und noch Schneidezähne haben, ist abzuwägen, ob eine Fressbremse dem Pferd zusätzliche Schmerzen verursacht. Ob Pferde ohne Schneidezähne mit einer Fressbremse zurechtkommen, weiß ich leider nicht. Das müsste man ausprobieren und das Zahnfleisch anfangs täglich auf Verletzungen überprüfen.

Fressbremse
privat
Dr. Johanna Castell, Tierärztin für Pferdezahnheilkunde in Stadtberg und Mitglied der IGFP

Dr. Johanna Castell, Tierärztin für Pferdezahnheilkunde in Stadtberg und Mitglied der IGFP

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023